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Eine Frau will Priesterin werden


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Rolf

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Eine Frau will Priesterin werden






«Gott hat mich berufen»

Als Teenager prophezeiten ihr Freundinnen, sie werde eines Tages Päpstin. So weit wird es nicht kommen – doch Jacqueline Straub glaubt fest daran, dass sie in 20 Jahren katholische Priesterin ist.


von Simon Hehli, Luzern


9.6.2015


Ein Brennen. Das ist es, was Jacqueline Straub in ihrem Herzen fühlt. Und sie weiss, wer das Feuer in ihr entfacht hat: Gott. «Ich bin berufen», sagt die 24-Jährige in aller Selbstverständlichkeit. Dazu berufen, katholische Priesterin zu werden. Mit den Rollen, die der Vatikan den Frauen zugesteht, mag sie sich nicht abfinden. «Wenn Gott gewollt hätte, dass ich Nonne oder Pastoralassistentin werde, hätte er mich in diese Richtung gelenkt.» Ihr Weg hat die Süddeutsche stattdessen nach Luzern geführt, wo sie in einem Jahr ihr Theologiestudium abschliessen will. Hier sitzt Straub nun in einem Café am See, druckreife Sätze sprudeln aus ihr heraus.

Ein eigentliches Erweckungserlebnis habe sie nicht gehabt, erzählt sie. Erst mit 15 fand sie zum Glauben, als sie mit einer Freundin in ein christliches Jugendcamp ging. «Mit 16 sagten mir meine Freundinnen bereits, ich würde eines Tages Päpstin», berichtet sie grinsend. Um den Hals trägt sie ein Kruzifix, ihr Handy ziert ein Bild von Papst Franziskus. Sie bewundert ihn genauso wie seinen gestrengen Vorgänger Benedikt XVI. Straub sieht sich weder als Revoluzzerin noch als Feministin. «In vielen theologischen Punkten bin ich eher konservativ.»

Keine Kirchenspaltung

Und doch hat sie sich mit Leib und Seele einer Mission verschrieben, deren Erfolg die Kirche in ihren Grundfesten erschüttern würde. Sich gegen den Willen des Vatikans weihen zu lassen, wie dies sieben Frauen 2002 auf einem Donauschiff – zum Preis der Exkommunikation – taten, kommt für sie aber nicht infrage. Eine Kirchenspaltung will sie vermeiden, sich stattdessen den Segen des Vatikans sichern. Deshalb eignet sie sich nun das theologische Rüstzeug an, das Doktorat in Kirchenrecht ist bereits aufgegleist. «Nur so werden mich die Gegner des Frauenpriestertums ernst nehmen.» Weder kirchenrechtlich noch dogmatisch spreche etwas gegen Frauen im Priesteramt, argumentiert sie. Auch die Botschaft des Zweiten Vatikanischen Konzils sei klar gewesen: Jegliche Diskriminierung verstosse gegen den Willen Gottes. «Wer kann sich denn anmassen, zu sagen, dass Gott nur Männer beruft?» Ihr Kampf verstört viele Katholiken, das weiss sie. «Aber ich würde Gott verleugnen, wenn ich schwiege.»

Der Weg ist weit und steinig. «Doch irgendwann muss man anfangen zu laufen, sonst kommt man nie an», sagt Straub. Sie könnte sich die Mühsal auch ersparen und zum Protestantismus konvertieren, reformierte Pfarrerin werden. Ja, sie habe mit dem Gedanken gespielt. «Doch ich fühle mich in der katholischen Liturgie aufgehoben.» Reformierte Pfarrerin, das wäre für sie nur ein Beruf, keine Berufung.

Für ihr Ziel kämpft Straub in gewinnender Art auf allen Kanälen. Mehrere Zeitungen haben der jungen Frau, die dank ihrer Schweizer Mutter bald den roten Pass erhalten wird, grosse Beiträge gewidmet. Auch beim ARD-Talker Reinhold Beckmann trat sie schon auf.

Die Vision der Kirche der Zukunft, die sie offensiv in den Medien und auf ihrer Website ausbreitet, trägt – entgegen ihrer Selbsteinschätzung – deutlich progressive Züge. Eine Erneuerung sei dringend notwendig, sagt Straub. Im Boxklub, in dem sie trainiert, trifft sie Gleichaltrige, die durchaus religiös wären. «Aber die Kirche ist für sie einfach uncool.» Um die Jungen wieder abzuholen, müsse die Kirche sie mitbestimmen lassen. «Wenn der Pfarrer jede Idee abblockt, haben sie irgendwann keine Lust mehr.» Um 18 Uhr am Samstag ein Jugendgottesdienst mit moderner Rockmusik ähnlich wie bei den Freikirchen, dann zusammen in den Ausgang: So sieht ihr Gegenentwurf aus.

Nicht nur bei der Form, auch bei den Inhalten sieht sie Handlungsbedarf – etwa beim Umgang mit Schwulen und Lesben. Jesus sei immer zu den Randgruppen gegangen. «Ich könnte schwören, wenn er heute leben würde, würde er Homosexuelle nicht ausgrenzen, sondern sie in seine Mitte nehmen.» Auch das Festhalten an der Jungfräulichkeit vor der Ehe sei überholt. «Die Menschen von heute lassen sich nicht mehr vorschreiben, was sie im Schlafzimmer zu tun und zu lassen haben.»

«Der Zölibat fällt zuerst»

Das gilt auch für sie selber. Straub will eines Tages heiraten und Kinder bekommen, auch dazu fühlt sie sich berufen. Ein weiteres Hindernis also auf dem Weg zum Priesteramt? Nein, glaubt sie. Der Zölibat werde ohnehin zuerst fallen. «In 20 Jahren könnte dann die Zeit reif sein für das Frauenpriestertum.» Selbst bei dieser optimistischen Variante müsste sie bis Mitte 40 warten, um ihren Lebenstraum zu verwirklichen. Und doch sagt sie, sie habe keine Angst, dass das Feuer in ihrem Herzen erlöschen könnte. In Zeiten des Stresses geht sie in die Luzerner Jesuitenkirche. Dort finde sie Kraft, sagt sie. Und fügt an: «Gott wird mir nicht mehr zumuten, als ich stemmen kann.»

Dann verabschiedet sich Jacqueline Straub und eilt zurück an die Uni. Sie hat noch viel zu lernen.

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