Zum Inhalt wechseln

Welcome to Irrglaube und Wahrheit
Register now to gain access to all of our features. Once registered and logged in, you will be able to create topics, post replies to existing threads, give reputation to your fellow members, get your own private messenger, post status updates, manage your profile and so much more. If you already have an account, login here - otherwise create an account for free today!
Foto

„Es gibt keine Islamisierung“


  • Bitte melde dich an um zu Antworten
Keine Antworten in diesem Thema

#1
Rolf

Rolf

    Administrator

  • Administrator

  • PIPPIPPIP
  • 34224 Beiträge
  • Land: Country Flag

Please Login HERE or Register HERE to see this link!






Volker Kauder über Muslime und Pegida





„Es gibt keine Islamisierung“





Durch eine Entchristianisierung verlieren Menschen an Halt, sagt
Unionsfraktionschef Volker Kauder. Warum er Religionsfreiheit wichtig
findet, aber nicht „Charlie“ ist.

Plädiert für Gelassenheit beim Thema Pegida: Volker Kauder.

taz: Herr Kauder, Ihre Eltern kamen 1947 als Flüchtlinge aus Jugoslawien
nach Deutschland. Wie war das für Sie als Kind?


Volker Kauder: Den Vertriebenen schlug nicht überall große Zustimmung
entgegen. „Die Flüchtlinge“ wurden auch als Belastung betrachtet. Man
kann das verstehen. Es war nach dem Zweiten Weltkrieg für niemanden
einfach. Aber wir haben uns arrangiert.

Können Sie sich wegen dieser Erfahrung heute besser in die Situation von
Flüchtlingen hineinversetzen?

Der Vergleich hinkt etwas. Wir Vertriebenen waren keine kleine Gruppe.
Und wir waren mit der alteingesessenen Bevölkerung durch eine gemeinsame
Sprache und Geschichte verbunden. Aber ja, ich kann Gefühle von
Flüchtlingen sehr gut nachvollziehen.

Heute sind Sie der Vorsitzende der größten Bundestagsfraktion. Wie viele
Muslime gibt es unter den 311 Abgeordneten von CDU und CSU?

Wir haben eine Muslimin.

Reden Sie mit der Abgeordneten Cemile Giousouf darüber, wie es für sie
ist, wenn in Deutschland Islamgegner demonstrieren?


Ich habe Frau Giousouf zur Integrationsbeauftragten ernannt und mehrfach
mit ihr über die Fragen gesprochen. Aktuell aber noch nicht.

65, ist Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Er wurde mit 17
Jahren Mitglied der Jungen Union. Der Jurist war ab 1980 Vizelandrat von
Tuttlingen, 1990 wechselte er ins Parlament. Er war Parlamentarischer
Geschäftsführer der Unionsfraktion und CDU-Generalsekretär, seit 2005
ist er Fraktionschef. Kauder gilt als loyaler Interessenvertreter von
Angela Merkel. Als sie am 16. Januar in einer Regierungserklärung sagte:
„Der Islam gehört zu Deutschland“, applaudierte Kauder nicht.

Sie setzen sich seit Jahren für verfolgte Christen ein. Fühlen Sie
genauso mit Muslimen, die zu uns kommen?


Mein gesamtes Engagement stand und steht unter der Überschrift „Für
Religionsfreiheit!“. Ich rede nicht in erste Linie über die Inhalte von
Religion, sondern davon, dass Religionsfreiheit aus meiner Sicht das
wichtigste Menschenrecht überhaupt ist. Das gilt für alle Menschen und
natürlich für die Angehörigen aller Glaubensrichtungen. Wer für
Religionsfreiheit eintritt, der muss auch dafür sein, dass die Muslime
ihre Moscheen in Deutschland bauen können, wie die Christen aber auch in
der Türkei ihre Kirchen errichten dürfen.

Wenn Sie für das Recht eintreten, dass Muslime in Deutschland Moscheen
bauen dürfen, warum wehren Sie sich gegen den Satz, dass der Islam zu
Deutschland gehört?

Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Professor Papier,
hat darauf hingewiesen, dass unser Wertesystem und damit auch unser
Grundgesetz christlich-jüdische Wurzeln hat. Daneben haben aber auch
säkular-humanistische Ideen, vor allem die Aufklärung, Einfluss
genommen. Vom Islam kann man dies nicht sagen. Damit etwas dazugehört,
muss es aus meiner Sicht prägend sein. Das ist der Islam für unser Land
nicht. Außerdem: Der Islam wird momentan auf der Welt sehr verschieden
interpretiert. Es fällt schwer, von dem Islam zu sprechen.

Manche Muslime empfinden das als Ausgrenzung …

So ist es keinesfalls gemeint. Denn ich sage klar: Die Menschen mit
ihrer Religion gehören zu uns.

Der Zentralrat der Muslime hat in Berlin die Mahnwache für die Opfer der
Pariser Anschläge initiiert. Hat das Ihren Blick auf den Islam in
Deutschland verändert?

Ich habe immer wieder angemahnt, dass sich Religionsvertretungen in
gesellschaftliche Debatten einmischen sollen und Farbe bekennen. Auf der
Mahnwache ist das geschehen. Sie war beeindruckend. Und, ja, sie war
glaubwürdig.

Der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer hat die Muslime in Deutschland
trotz Mahnwache aufgefordert, sich von den Anschlägen zu distanzieren.
Fanden Sie das richtig?

In einer freien Gesellschaft muss man mit solchen Hinweisen leben. Ich
selber halte mich mit derlei öffentlichen Aufforderungen zurück.

Hat die Mahnwache das Verhältnis zu den Muslimen in Deutschland
verbessert?


Vielleicht waren die Pariser Anschläge wirklich ein Wendepunkt in der
Debatte auch über das Selbstverständnis der Muslime in der Gesellschaft.
Sie sollte weitergehen. Man darf sich nichts vormachen: Manche Muslime
finden gar nicht gut, was da in Berlin stattgefunden hat.

Im Dezember haben Sie gesagt, Pegida-Demonstranten sollten nicht
„pauschal als rechter Mob“ abgetan werden. Sehen Sie das noch immer so?


Auf diesen Demonstrationen sind Sätze gefallen, die nicht akzeptabel
sind. „Sachsen bleibt deutsch“ ist ein Spruch, der mich an eine ganz
andere Zeit erinnert. Ich warne aber vor Pauschalverurteilungen. Jeder
Mensch ist Ebenbild Gottes mit einer eigenen Würde. Das ist eine
Kernaussage des Christentums. Es fällt zwar manchmal schwer, aber ich
rate dazu, Aussagen und das Verhalten individuell zu beurteilen und
nicht den Menschen zu disqualifizieren. Ich fand es zum Beispiel
schwierig, die Organisatoren dieser Demonstrationen „Rattenfänger“ zu
nennen – dieses Bild macht die Kundgebungsteilnehmer zu Tieren. Also
Vorsicht.

Soll man mit Demonstranten reden, die rechten Parolen folgen?

Es gibt beim Umgang mit solchen Phänomenen keinen Königsweg. Aber: Je
mehr man diese Demonstrationen medial beachtet und wichtig nimmt, desto
mehr wertet man sie auf und unterstützt sie.

Also verschweigen?

Nein, aber es wäre besser, gelassener zu sein und weniger aufgeregt über
Pegida zu reden. Es geht um maximal 25.000 Leute von 80 Millionen. Die
Kundgebungen sind aus meiner Sicht ein Ausdruck der Verunsicherung durch
die Globalisierung – die Angst vor der Islamisierung ist ein Etikett
dafür. Es gibt in Deutschland keine Islamisierung, in Sachsen erst recht
nicht. Aber es existiert eine Entchristianisierung. Das verunsichert
offenbar viele. Wenn aus einer Gesellschaft die Religion ganz
verschwindet, fehlt es an Halt.

Markiert der aktuelle Streit innerhalb der Pegida-Führung das Ende
dieser Bewegung?


Den Zenit dürfte diese sogenannte Bewegung überschritten haben,
vielleicht auch, weil immer klarer geworden ist, wer sie anführt und
welche unsäglichen Parolen diese Personen vertreten.

Pegida verbindet sich immer enger mit der AfD. Zeigen deren Wahlerfolge
nicht, dass die sozialdemokratisierte Union rechts zu viel Platz lässt?


Nein, die Union ist die letzte große Volkspartei, mit einem Wahlergebnis
von mehr als 40 Prozent. Wir sind die Partei der Mitte. Die AfD ist aus
der Ablehnung der Eurorettungspolitik entstanden, aus der Angst, für die
Schulden anderer zahlen zu müssen. Das war der keineswegs überzeugende
Impuls für die Gründung der AfD – denn Deutschland profitiert vom Euro
enorm.

Machen Ihnen der Aufstieg der AfD und der Niedergang der FDP keine
Sorge?


Alles, was weit von der Mitte wegdriftet, macht mir Sorge. Ich höre von
Freunden aus Westeuropa oft, dass dort Rechtspopulisten mit
zweistelligen Wahlergebnissen als normal empfunden werden. Wir sehen das
aufgrund unserer Geschichte richtigerweise anders. Wir haben eine
besondere Verantwortung, zu schauen, was sich auf dem rechten Rand tut.
1933 ist schon einmal etwas passiert, was sich niemand vorstellen
konnte. Das muss uns immer eine Lehre sein. Aber wir haben gelernt. So
beziehen heute die Spitzen des Staates gemeinsam gegen Rechtspopulisten
und Rechtsextreme eindeutig Stellung.

Wird die AfD für die Union also kein strategischer Bündnispartner?

Wir haben einen klaren Parteibeschluss: keine Zusammenarbeit mit der
AfD. Punkt. Diese Partei ist für uns kein Bündnispartner.

Das gilt bis wann?

Er gilt. Glauben Sie mir. Ich war 15 Jahre lang Generalsekretär der CDU
in Baden-Württemberg. Damals waren die Republikaner im Landtag. Dort
habe ich, mit dem damaligen Ministerpräsident Erwin Teufel und auch
gegen Widerstände, die Strategie verfolgt: keine Gespräche, keine
Zusammenarbeit mit den Republikanern. Das war erfolgreich. Wenn solche
Gruppen keine Machtperspektive bekommen, schadet das ihnen. So machen
wir es mit der AfD auch.

Die Union hat Ja zum Ausstieg aus der Atomkraft gesagt, die Wehrpflicht
abgeschafft, den Mindestlohn eingeführt, Mietpreisbremse und Frauenquote
für DAX-Konzerne dito. Ist es da nicht verständlich, dass viele nicht
mehr wissen, was an der Union konservativ ist?


Wir sind nicht die konservative Partei Deutschlands. Wir sind die
christlichen Demokraten. Das Ja zur Atomkraft hat nie zum Wesenskern der
Union gehört. Wenn wir andere Möglichkeiten haben, Energie zu erzeugen,
oder wenn sich der Auftrag der Bundeswehr ändert und die Wehrpflicht
dafür nicht mehr nützlich ist, dann müssen wir reagieren. Der Mensch ist
nicht statisch, Politik darf nicht statisch sein. Wir sind eine
pragmatische Partei.

Wo bleibt das Konservative?

Für unser Selbstverständnis ist nicht „konservativ“ das entscheidende
Wort, sondern das christliche Menschenbild. Das ist unser Kompass.

Und das Christliche ist mehr als Folklore für die Union?

Natürlich. Passen Sie auf, dass Sie nicht mit meinen religiösen Gefühlen
spielen …

Das war eine politische Frage.

Nun gut. Aber im Ernst – und das hat mich in letzter Zeit auch
beschäftigt: Nicht alles, was erlaubt ist, muss auch sein. Mit
religiösen Gefühlen zu spielen ist immer schwierig. Ich trete dafür ein,
dass Charlie Hebdo seinen Freiheitsraum hat. Die Freiheit darf auch dem
schärfsten Satiriker nicht genommen werden. Aber ich muss deshalb nicht
alles gut finden, was Charlie Hebdo macht. Insofern bin ich nicht
Charlie.

Plädieren Sie für eine Verschärfung des Blasphemieparagrafen?

Nein, der Staat muss nicht alles regeln. Aber die Bürgergesellschaft
sollte mehr darauf achten oder zumindest diskutieren, dass nicht alles,
was anderen heilig ist, einfach attackiert wird. Das wünsche ich uns.
  • 0