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Aufstand der Bibeltreuen


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Rolf

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Aufstand der Bibeltreuen





Die evangelische Kirche hat Pegida als unchristlich bezeichnet. Doch in der evangelikal geprägten Kirche Sachsens gibt es enge Verbindungen ins rechte Milieu.

Wenn protestantische Kirchenvertreter auf Pegida-Demonstrationen angesprochen werden, können die Dresdner Montags-Spaziergänger in der Regel keinen Trost und keinen Segen erwarten. Von der Zielsetzung her sei Pegida "unchristlich", sagt Nikolaus Schneider, ehemaliger Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Auch Schneiders Nachfolger Heinrich Bedford-Strohm grenzt sich ab: "Fremdenfeindlichkeit ist nicht zu vereinbaren mit dem christlichen Glauben." Und der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick gab vor Weihnachten die Order aus, Christen "dürfen da nicht mitmachen"; bei Pegida ginge es um "Nationalismus" und "Rassismus".

Klare Worte – nur in Sachsen selbst mag sich die Kirche nicht so recht von der umstrittenen Bewegung distanzieren. Die Bürger nähmen eben ihr grundgesetzlich garantiertes Recht auf freie Meinungsäußerung wahr, beschwichtigte der sächsische Landesbischof Jochen Bohl am vergangenen Dienstag, und natürlich seien die Demonstranten nicht alle rechtsradikal. "Nach der Demonstration sollte der Dialog kommen", forderte der Bischof.

Der sächsische Oberhirte hält sich mit gutem Grund zurück. Viele seiner Gläubigen dürften sich in der nationalkonservativen Pegida-Welt zu Hause fühlen. Denn in Sachsen gelten 20 Prozent der Gemeinden als evangelikal, einer besonders konservativen Strömung im Glauben. Ihnen gilt Homosexualität als widernatürlich oder gar als Krankheit, der Islam als feindliche Eroberungsreligion und politische Programme wie "gender mainstreaming" gelten als Todesstoß für die traditionelle Familie, der in ihrer Welt einzig wahren Form des Zusammenlebens.

Es gebe sicher eine Schnittmenge zwischen fundamentalistischen Positionen innerhalb des Christentums und den Pegida-Demonstranten, räumt Harald Lamprecht ein, Sektenbeauftragter der sächsischen Landeskirche. Da sei vor allem "die Angst vor dem Islam und vor einer Überfremdung durch vermeintlich zu viele Flüchtlinge".

Vom Erzgebirge bis nach Dresden erstreckt sich der sächsische "Bible Belt", ein Gebiet, in dem sich evangelikale Gemeinden innerhalb und außerhalb der Evangelischen Kirche Deutschlands bündeln. So kam es 2011 zum Eklat, als die konservative Minderheit in der Landeskirche gegen einen Beschluss mobilmachte, nach dem schwule und lesbische Pfarrer und Pfarrerinnen gemeinsam in Pfarrhäusern leben dürften – ganz im Sinne einer Vorlage der EKD. Schließlich gab die Synode der Landeskirche nach und erlaubte es gleichgeschlechtlichen Paaren, dann zusammenzuleben, wenn es der Kirchenvorstand vor Ort billigte.

Die Autorin Jennifer Stange hat im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung 2014 die Studie "Evangelikale in Sachsen" erarbeitet und sich auch mit den fundamentalistischen Strömungen beschäftigt. Dass Pegida-Forderungen auf Verständnis bei Fundi-Christen treffen, ist für sie nicht überraschend. Der christliche Glaube komme zwar auch ohne rechte und rechtspopulistische Auffassungen aus. "Für den Rechtspopulismus ist die Idee des christlichen Abendlands und die Pose des Kulturkampfs aber essenziell", sagt Stange. Und hier träfen sie sich mit fundamentalistischen Christen. "Gemeinsames Kampffeld" sei der Islam, der als expansiv und antichristlich beschrieben wird. Dagegen sei die Mobilisierung aller Christen notwendig. Auf Pegida-Demos seien inzwischen auch Kreuze zu sehen, weiß Stange.

Auch Kirchenmann Lamprecht sind rechte Ressentiments schon in einigen Gemeinden Sachsens begegnet, in denen er Vorträge hielt. Nur eine kleine Minderheit der Leute, die solche Ängste äußern, kennt aber einen Muslim persönlich." Lamprecht sieht die Pegida-Demos in Dresden als "Wallfahrtsort für Menschen", die "ihr Unbehagen nach außen tragen wollen". Die meisten seien gar keine Christen, sondern entstammten "dem religionsdistanzierten bis dezidiert religionskritischen Milieu des sächsischen Normal-Atheismus".

Das Problem der Vereinnahmung ist den Kirchen wohlbekannt. Rechtsextreme Kräfte bemühen sich nach Aussage der katholischen Theologin Sonja Strube intensiv um Einfluss in kirchlichen Kreisen. Berührungspunkte zwischen rechten und konservativen christlichen Kreisen gebe es beispielsweise bei Themen wie Christenverfolgung und in der Befürwortung traditioneller Familienbilder, sagte sie im vergangenen November zum Auftakt einer zweitägigen Konferenz der Bundesarbeitsgemeinschaft "Kirche und Rechtsextremismus" in Mainz. Vor allem manche christlichen Medien schlagen Strube zufolge "eine Brücke nach rechts".

Der Bibel-Fundamentalismus reicht in Sachsen weit in die Parteien hinein. So meldete der CDU-Kreisrat und selbst ernannte "Lebensschützer" Thomas Schneider 2012 einen "Marsch für das Leben" an, der sich gegen Abtreibungen richtete. Dort trat auch der damalige CDU-Landtagsvorsitzende Steffen Flath auf und forderte unter Berufung auf die christlichen Gebote das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen. Die Gesellschaft werde "krank", wenn sich ihre Mitglieder nicht an die Zehn Gebote halten, erklärte er dort.

Auch im sächsischen Ableger der Partei Alternative für Deutschland (AfD) finden sich viele radikale Christen. Die aus Sachsen stammende Bundessprecherin Frauke Petry vertrat im August 2014 den Standpunkt, den Paragrafen 218, der den Schwangerschaftsabbruch regelt, zu verschärfen – "um das Überleben des eigenen Volkes, der eigenen Nation sicherzustellen".

Trotzdem durfte Petry einen Beitrag für eine Broschüre der sächsischen Landeskirche liefern. Bei der Auswahl der Autoren habe man "versucht, die Vielfalt unseres gesellschaftlichen Lebens zum Ausdruck zu bringen", heißt es im Editorial. Petry nahm in der vergangenen Woche auch die Pegdia vor dem Vorwurf des Rechtsextremismus in Schutz und sagte, es gebe "inhaltliche Schnittmengen" zwischen den Pegida-Forderungen und der AfD.

Der Sektenbeauftragte Lamprecht hat da ein ganz anderes Bild. Mit Pegida möchte der aufgeklärte Christ nicht in einen Topf geworfen werden. "Ich bin erschrocken über die vielen rassistischen Aussagen in diesem Umfeld", sagt er. "Es ist eine Katastrophe, wie hier über Menschen geredet wird."
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