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Psychokulte - einführende Informationen


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Rolf

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Psychokulte - einführende Informationen




Der Begriff "Psychokulte" wurde ursprünglich geprägt, um Gruppen zu kennzeichnen, deren hauptsächliche Wirkung in der Veränderung der menschlichen Psyche besteht. Diese Definition läßt trotzdem keine klare Einordnung von Gruppen unter dem Begriff zu.

Diese Schwierigkeiten haben folgende Ursachen:

Die "hauptsächliche Wirkung" ist eine Feststellung der kirchlichen Sektenreferate - die betroffene Gruppe würde unter Umständen andere Ziele als wichtiger oder zentraler angeben.
Keine Gruppe ist ohne psychische Wirkung. Es gibt jedoch kein allgemein anerkanntes Maß, ab welcher Intensität, Auswirkung oder individueller Verhaltensänderung es gerechtfertigt ist, die psychischen Vorgänge in einer Gruppe und in ihren Mitgliedern als "schädlich" einzustufen. Selbstbeurteilung (von Gruppenmitgliedern) und Fremdbeurteilung (von außen) kommen oft zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen.
Der vorliegende Teil der im Rahmen des Theologischen Fernkurses herausgegegenen Informationen wird deshalb in einem ersten Abschnitt die wichtigsten Kriterien nennen, die üblicherweise bei der Beurteilung des psychischen Potentials von religiösen bzw. weltanschaulichen Gruppierungen und Praktiken herangezogen werden.
Im zweiten Abschnitt wird zuerst ein Überblick gegeben, welche Gruppen, Verfahren oder Personen zur Zeit unter dem Begriff "Psychokulte" eingeordnet werden, und anschließend werden vier Beispiele daraus exemplarisch vorgestellt.

Im dritten und letzten Abschnitt werden Zusammenhänge dargestellt, wie man Sektenmitgliedern oder Aussteigern auf der psychischen Ebene hilfreich entgegenkommen kann.




Kriterien der Beurteilung



1. Bindung an eine konkrete Person ohne Wechselseitigkeit

Die Fähigkeit des Menschen, sich an andere Menschen zu binden, ist das große Thema der Menschheit. Positive Erscheinungsweisen von Bindungen sind die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern, Partnerschaftsbeziehungen und Freundschaften. In all diesen Erscheinungsweisen wird die Bindung als"Liebe", "Zuneigung" und "Sicherheit" empfunden und ausgedrückt. Negative Erscheinungsweisen sind Abhängigkeit, Herrschaftsbeziehungen und Feindschaften.

Paradoxerweise werden auch die negativen Bindungsformen subjektiv häufig auf positive Weise erlebt. Nur so wird verständlich, warum beispielsweise der Verlust eines Feindes (oder Feindbildes) häufig eine starke Verunsicherung bewirkt (Verlust der Sicherheit), oder Abhängigkeit subjektiv als Zuneigung oder Liebe interpretiert wird. Der Grund für diesen scheinbaren Widerspruch liegt in der Wichtigkeit von Bindung für das menschliche Leben überhaupt: Besser eine negative Bindung als gar keine! Warum ist das so?

Stellen Sie sich einen Säugling nach der Geburt vor. Welche Chance, am Leben zu bleiben, hat so ein Kind? Keine - außer es gibt Eltern, die sich um das Kind kümmern. Je kindgemäßer die Bemutterung und Betreuung dann aussieht, umso besser für das Kind und die Eltern. Zwischen Eltern und Kind wird eine enge Bindung entstehen, die sich mit der Entwicklung des Kindes verändert. Aber auch, wenn das Kind vernachlässigt oder mißhandelt wird, entsteht eine Bindung - zumindest auf seiten des Kindes. Denn im Unterschied zu den Eltern hat es keine Alternativen. In diesem Fall muß sich das Kind jedoch so stark an die Eltern binden, um die erfahrenen Schmerzen und Vernachlässigungen auszuhalten, daß die Bindung sich nicht mehr entwicklungsgemäß mitverändert, sondern erstarrt. Was an Veränderungsmöglichkeit bleibt, ist lediglich das Umschlagen in Feindseligkeit - also in die negativen Form von Bindung. Es ist dies das Drama der enttäuschten Liebe.

Ein Kind bindet sich also unweigerlich an seine Eltern - egal, ob es sich um gute oder schlechte Eltern handelt (Die Bezeichnung "gute" oder "schlechter Eltern bezieht sich hier nur auf die Art und Weise, wie die Elternrolle wahrgenommen wird. Es ist damit keine Beurteilung der Personen gemeint). Sind die Eltern also "gut" d.h. einfühlsam in die Welt des Kindes und können sie dementsprechend handeln -, so besteht in der Bindung Wechselseitigkeit und Austausch der Gefühle, Gedanken und Gegenstände. Die Bindung wirkt entwicklungsfördernd. Sind die Eltern "schlecht" - d. h. gefangen in ihrer eigenen Welt -, so besteht in der Bindung Einseitigkeit, die zu häufigen Mißverständnissen und mangelhaftem Austausch von Gefühlen, Gedanken und Gegenständen führt. Die Bindung wirkt ab einem bestimmten Zeitpunkt entwicklungshemmend - je nachdem, wie stark die Einseitigkeit vorhanden ist. Natürlich sind in Wirklichkeit Eltern nicht nur "gut" oder "schlecht" - wichtig ist, was sie mehrheitlich und hauptsächlich sind.

Als Fazit aus diesen Zusammenhängen läßt sich nun folgendes sagen:

Bindungsverhalten sichert das Überleben. Jeder Mensch lernt unweigerlich als Säugling ein bestimmtes Muster, das sich im Verlauf seines Lebens wiederholt. Deshalb stellt der Verlust von Bindungspartnern oder der Verlust von Bindungsfähigkeit eine wesentliche Verminderung des Lebenswertes dar, die bis zur Selbstmordgefährdung reichen kann. Um die Selbstgefährdung aus Bindungslosigkeit zu verhindern, sind Menschen bereit, auch negative Bindungen einzugehen.



Das Vorhandensein von Bindung besagt nichts über die moralische Qualität der Bindungspartner (auch kriminelle Bandenmitglieder fühlen sich aneinander gebunden).
Die Stärke einer Bindung besagt ebenfalls nichts über ihre Qualität.
Die Qualität einer Bindung besteht in ihrer entwicklungsfördernden Wirkung, und diese wiederum ist im wechselseitigen Austausch von Gefühlen, Gedanken und Gegenständen begründet.
Um bei Erwachsenen das Muster der frühkindlichen Bindungswünsche zu aktivieren, wird das Bild des Sektenführers entsprechend "angepaßt". Dies geschieht hauptsächlich durch Manipulationen wie:

1. Glorifizierung der Biographie

Konstruktion eines "roten Fadens" durch Weglassen und Verdrehen von Fakten; Vergleich mit tatsächlich eindrucksvollen Persönlichkeiten; Fotomontagen, die den Sektenführer im Kontakt mit den "Großen" dieser Welt zeigen (oder tatsächliche derartige Schnappschüsse, die meist ohne Wissen der Betroffenen für derartige Werbezwecke verwendet werden).

2. Inszenierung der Kontakte und Auftritte

Der Zugang zum Sektenführer wird streng kontrolliert. Er wird als Belohnung für besondere Verdienste oder als Gnade hingestellt, der man sich spätestens im Nachhinein durch besonderen Fleiß als würdig erweisen muß. Die Begegnungen sind mehr oder weniger ritualisiert und beinhalten Dankbarkeits-, Demuts-, und Unterwerfungsmuster auf der Ebene der Körpersprache. Dadurch wird der Rangunterschied bleibend gefestigt und die relative Bedeutungslosigkeit des gewöhnlichen Sektenmitglieds klargestellt.

3. Stilisierung als Held/Erlöser / Befreier / Weiser/ Erleuchteter

Zahlreich sind die Anleihen bei bereits bestehenden Schriften oder Erzählungen bzw. Schilderungen über die Lebensläufe anerkannter berühmter Personlichkeiten. Der jeweilige Sektenführer hat mindestens ein ebensolches Schicksal gemeistert - ja er ist sogar über das hinausgegangen, was jener geleistet hat und ist deshalb unvergleichlich. Oder es wird genau umgekehrt argumentiert, daß eine ganze Reihe von Persönlichkeiten an der Aufgabe gescheitert ist und erst der Sektenführer das nötige Format zur Lösung des Problems bewiesen habe.

4. Symbiotische Identifikationsmöglichkeit

Eine ständige Anwesenheit des Sektenführers wird suggeriert durch rituelle Handlungen (Waschungen), Andachtsbilder mit dem Porträt des Meisters, tägliche oder wöchentliche Treueschwüre und Verpflichtungseide auf den Namen des Sektenführers, Halsbänder, eine bestimmte Haar- oder Kleidertracht, die jeweils auf persönliche Anordnung des Sektenführers eingeführt oder verliehen wurde. So wird eine Verbundenheit im Sinne der frühkindlichen symbiotischen Bindung unterstützt. Die üblichen Grenzen zwischen dem Ich des Sektenmitglieds und dem Du des Meisters sind in diesem Zustand aufgehoben.



2. Erzeugung eines Elitebewußtseins




Die Erzeugung eines Elitebewußtseins geschieht hauptsächlich durch die Lehre einer Gruppe. Es soll eine derartig gründliche Indoktrination (= massive Beeinflussung) erfolgen, daß jedes Mitglied der Gruppe die Dogmatik (=fixierte Lehre) der Sekte verinnerlicht, das damit verbundene neue Sprachsystem annimmt und Gedankenstopp-Techniken anwendet, um seinen Geist "zentriert" zu halten. Die Sektenlehre hat die Funktion eines "Rettenden Rezeptes", das die Wirklichkeit völlig erklärt und eigenes Denken überflüssig macht. So übernimmt die Lehre die Steuerung des Denkens über aktuelle Informationen.

Wem es gelingt, die Dogmatik einzuhalten, der wird belohnt und darf sich als "Auserwählter" im Gegensatz zu den "Dummen" oder "Verdammten" oder "Nichterwählten" wähnen. Nur die Gruppe ist im Besitz der reinen oder vollen Wahrheit und besitzt damit eine unzerstörbare Überlegenheit über Nicht-Gruppenmitglieder. Das ist ein wesentlicher menschenverachtender Zug in diesen totalitären Gruppen. Dies bedeutet z. B. häufig, daß weder karitative Aktionen unterstützt noch aktuelle Erste Hilfe an Notleidenden geleistet wird, wenn sie nicht Sektenmitglieder sind, da deren Leben ja ohnehin sinnlos ist. Manche Gruppe gehen sogar so weit, daß sie Ex-Mitglieder für vogelfrei erklären und ihren eigenen Mitgliedern die Erlaubnis geben, diesen Ausgetretenen in jeder Hinsicht zu schaden oder sie zu töten, da deren Leben außerhalb der Gruppe keinen Wert mehr besäße.

Wichtige Elemente im Indoktrinationsvorgang sind:

2.1. Das "Rettende Rezept"

Es erklärt die Wirklichkeit völlig im Sinne eines Schwarz Weiß Denkens. Mit dieser Grundlage kann jeder jeden anderen in der Gruppe bewachen und beschützen, um ihn im "weißen Bereich" (= in der Sekte) zu halten.

2.2. Gedankenstopp-Techniken


Gedankenstopp ist der direkteste Weg, um die Fähigkeit eines Menschen zu umgehen, die Realität kritisch zu prüfen. Wenn jemand nur noch positiv über seine Zugehörigkeit zu der Gruppe denken kann, dann sitzt er mit Sicherheit fest. Auf diese Weise wird wirksam jeder Gedanke abgeblockt, der nicht der Dogmatik der Gruppe entspricht. Damit ist ein wichtiger Schlüssel entstanden, mit dem sich auch mißliebige Gefühle und Verhaltensweisen wegsperren lassen.

Die diversen Gruppen verwenden unterschiedliche Gedankenstopp-Techniken:
konzentriertes Beten
lautes oder leises Chanten
Meditieren
Zungenreden
Singen oder Summen


2.3. Überlagerung der pers. Originalität durch gruppenspezifische Konformität

Über die Indoktrination (= Belehrung) werden die Überzeugungen, Verhaltensweisen, Denkweisen und Gefühle eines Neumitgliedes neu definiert. Dadurch wird die ursprüngliche Identität einer Person durch eine neue Sektenidentität überlagert, jedoch nicht ausgelöscht (!). Wirksam werden die Neudefinitionen allerdings erst durch die Kontrolle der Umwelt des Neumitgliedes - also wo es lebt, wie es sich kleidet, was es ißt, wieviel Schlaf es bekommt. Häufig müssen sich die Anhänger so gut wie alles erst von leitenden Mitgliedern genehmigen lassen. Sie müssen um Geld für den Bus oder für Kleidung bitten, müssen sich genehmigen lassen, wenn sie zum Arzt gehen oder einen Freund oder Verwandten außerhalb der Gruppe anrufen wollen - Handlungen, über die andere Menschen ganz selbstverständlich frei verfügen. Es wird die Forderung erhoben, daß man nur noch als Gruppe handeln soll. Es wird gemeinsam gegessen und gearbeitet.

Es finden Gruppentreffen statt, und bisweilen schlafen die Mitglieder mit anderen zusammen in einem Raum. Teilweise weist man den Leuten einen ständigen "Kumpel" zu oder steckt sie in kleinere Einheiten von einem halben Duzend Mitgliedern. Perfektioniert wird schließlich die Überlagerung der alten durch die neue Identität mittels der Gefühlskontrolle. Sie zielt darauf ab, das Gefühisspek
trum einer Person einzuengen durch falsche Schuldgefühle (z. B. "lch werde meinem Können nicht gerecht!") und irreale Ängste (z. B. Feindbilder, die man bekämpfen muß, oder Einimpfen der Angst vor schlimmen Folgen, wenn man jemals die Gruppe verlassen sollte.)



3. Intensives Gemeinschaftsangebot auf Kosten der individuellen Freiheit




In der Werbungsarbeit stellt diese Seite einer Sekte die attraktivste Komponente dar. Dabei kommt den Sekten sowohl die menschliche Basisstruktur als auch unsere Art von Zivilisation sehr zu Hilfe.

Nach allem, was man bis heute in den verschiedenen Humanwissenschaften an Erkenntnissen zusammengetragen hat, ist der Mensch ein Kleingruppenwesen. Er fühlt Sich am Wohlsten, wenn er zwischen Gruppengrößen von fünf bis 200 Mitgliedern je nach Anlaß wechseln und sich an den jeweiligen Gruppenaktivitäten beteiligen kann.

Die Geschlossenheit und der zumeist generell freundliche Umgangston bei Sekten steht häufig im positiven Gegensatz zu den Gruppenerfahrungen der Neuinteressenten. Die traditionelle Kleinfamilie - bestehend aus Vater, Mutter, Kind - ist zu klein, um auf Dauer ein befriedigendes Gruppengefühl herstellen zu können. Daruber hinausgehende Gruppenformen (Verein, Club, Verwandtschaft, Pfarrgemeinde, Nachbarschaft, Kaffeerunde) sind oft zu unverbindlich, um sich als eine solche Gruppe etablieren zu können. Der erste Eindruck bei einer Sekte weckt also auf diese Art zumeist tiefliegende menschliche (und häufig unbewußte) Bedürfnisse und Sehnsüchte, was von den leitenden Personen in den Sekten bewußt und absichtlich zur Werbung eingesetzt wird. Es geht dabei um den Schein. Wer wirklich Hilfe und Unterstützung durch die Gruppe braucht (wie beispielsweise bei schwerer Krankheit), der wird gar nicht erst aufgenommen oder (falls er schon Mitglied ist) ausgeschlossen. Die große Gemeinschaftsdichte in totalitären Sekten dient in Wirklichkeit der Sozialkontrolle, dem Spitzelwesen, der Indoktrination und der Erzeugung von Trennungsängsten. Echte Gemeinschaftsformen fördern sowohl die Gemeinschaftsfähigkeit als auch die Selbständigkeit der Mitglieder und ermöglichen das Erlernen von Konfliktaustragung anstatt Konfliktvermeidung.

Zu den wichtigsten Methoden, Gemeinschaft nicht zur Entwicklung der Mitglieder (sondern zu deren Kontrolle!) einzusetzen, gehören:

3.1. Häufige Versammlungspflicht

Bei allen Versammlungen ist es üblich zu warten, bis alle da sind: zu den Essenszeiten, zu Anfangs- und Endzeiten von Arbeit, Freizeit und Studium. Dies erweckt den Anschein von großer Rücksichtnahme aufeinander. Tatsächlich bewirkt dies jedoch einen Gruppendruck in Richtung Selbstdisziplinierung. Unter dem Druck, daß die anderen schon warten, nehmen es die Mitglieder dann als selbstverständlich hin, nicht mehr frei über die eigene Zeit verfügen zu können.

3.2. Häufige Uberschreitung des Intimraumes durch eingrenzende Rituale

Die Seele des Menschen kennt unterschiedliche Nahzonen zum eigenen Körper. So beträgt der gute Abstand zu fremden Menschen ca. 1,5 - 2 m und darüber hinaus. Abstände von weniger als 25 cm gesteht man nur sehr guten Freunden,

den eigenen Familienmitgliedern oder dem Intimpartner zu. Wird dieser Abstand von Fremden verletzt, entstehen unweigerlich Aggressionen. Eine häufige Vorgangsweise in totalitären Sekten ist nun die, neue Mitglieder sofort auf solche Gruppenrituale zu verpflichten, die Körperkontakt beinhalten (Umarmungen, intensives In-die-Augen-Schauen zwecks angeblicher Wahrheitssuche, im dichten Sesselkreis sitzen, Sexualpraktiken). Da dies in unüblichem Tempo und ohne die nötige Vertrautheit geschieht, entstehen Aggressionen. Die Aggressionen werden nun als Widerstände Satans oder als Ausdruck einer sonstigen Schlechtheit (z. B. Spießbürgertum) des Neumitgliedes interpretiert, denen nur durch umso größere Unterordnung unter die Gruppenregeln abgeholfen werden kann. Um in diesem Teufelskreis nicht unterzugehen, suggeriert sich die betroffene Person relativ rasch eine ungewöhnlich freundschaftliche Beziehung zu den anderen Gruppenmitgliedern. Dadurch gehen dann auch die Aggressionen, ausgelöst durch Intimraumverletzungen, zurück. Die "neue Familie" ist entstanden. Dieser Effekt wird dann wieder als Bekehrung oder "spirituelles Wachstum" gedeutet.

3.3. Training im Verwenden von Schlagworten und Parolen (Insider-Vokabular)

Man hat diese begrifflichen Klischees einer Sekte auch als "besetzte Sprache" bezeichnet. Besetzt deshalb, weil durch die Klischees kein Raum mehr bleibt für sachlich richtigere Formulierungen oder differenziertere Überlegungen. Die Schlagworte und Parolen errichten eine unsichtbare Mauer zwischen Gläubigen und Außenstehenden. Die Sondersprache trägt dazu bei, daß die Anhänger sich als etwas Besonderes fühlen, und separiert sie von ihrem früheren Umfeld und von der Mehrheit der Menschen. Sie dient auch zur Verwirrung von Neulingen, die verstehen wollen, wovon die Sektenmitglieder sprechen. Diese denken, sie müßten nur fleißig lernen, um die Wahrheit zu "verstehen". Doch durch die Annahme der besetzten Sprache lernen sie in Wahrheit nur, nicht zu denken und als austauschbares Sprachrohr der Gruppe zu reden.

3.4. Schwarz-Weiß-Denken:

Durch den alleinigen Besitzanspruch für die Wahrheit und das Gute wird eine künstliche Kampfstimmung erzeugt. Das Böse beginnt sogleich nach der Gruppengrenze. Deshalb kann jede Kritik von außen nur ein Störmanöver des bösen Feindes sein, das abgeblockt werden muß. Häufig besteht eine erste Verteidigungslinie gegen Kritik im Leugnen ("Was Sie behaupten, geschieht gar nicht"), gefolgt von der zweiten Strategie, der Rationalisierung ("Dies geschieht aus einem guten Grund") oder der Rechtfertigung
("Dies geschieht, weil es geschehen muß") und mündet schließlich im Wunschdenken im Sinne einer "self fullfilling prophecy" (= sich selbst erfüllende Prophezeiung: "lch möchte, daß es stimmt, also stimmt es vielleicht wirklich").


Die wirksamste Technik im Gefolge des Schwarz-Weiß-Denkens ist jedoch die Erzeugung von irrationalen Ängsten. Die Mitglieder werden so bearbeitet, daß sie bei dem Gedanken, die Gruppe zu verlassen, eine panische Reaktion entwickeln: Schweißausbrüche, Herzrasen, den intensiven Wunsch, die Situation zu vermeiden. Man redet ihnen ein, daß sie im Falle ihrer Abkehr schutzlos dem
Verderben ausgeliefert wären (Wahnsinn, Tod, Drogensucht, Selbstmord, Mißgeburten). Ständig werden Geschichten von solchen Fällen erzählt, sowohl offiziell in den Vorträgen als auch in Form von Gerüchten, hinter vorgehaltener Hand. Für ein indoktriniertes Mitglied ist es praktisch unmöglich, sich vorzustellen, daß es außerhalb der Gruppe sicher sein könnte.

3.5. Entzug von wirtschaftlicher Selbstständigkeit

Der Besitz wird an die Gruppe übereignet. Ziel dieser Methode ist es, den Handlungsspielraum drastisch einzuschränken. Ein Verlassen der Gruppe würde zugleich Verarmung bedeuten.

3.6. Entzug von kommunikativer Selbständigkeit

Wer wann wie mit wem Kontakt herstellt, muß gerechtfertigt werden. Viele Gruppen halten die zwischenmenschlichen Beziehungen unter totaler Kontrolle. Führer können ihren Mitgliedern vorschreiben, bestimmte Mitglieder zu meiden oder ihre Zeit mit bestimmten anderen zu verbringen. Manche schreiben sogar vor, wen man heiraten darf, und kontrollieren die gesamte Beziehung bis hin zum Geschlechtsleben. Einige Gruppen verlangen von ihren Anhängern, daß sie sexuelle Gefühle leugnen oder unterdrücken. Die daraus entstehenden aufgestauten Frustrationen lassen sich dann in andere Kanäle, wie z. B. härtere Arbeit, umlenken. Andere Gruppen wiederum verlangen Sexualität, und wer sich zurückhält, der gilt als selbstsüchtig. In beiden Varianten betreibt die Gruppe Gefühlskontrolle mit dem Ziel, die Steuerung der Gefühle an die Normen der Gruppe zu koppeln. Es entsteht dadurch eine Gruppensüchtigkeit, die - bei einem Ausstieg aus der Gruppe - eine Reihe von Entzugserscheinungen wie bei echten Suchtproblemen mit sich bringt.




4. Jede Kritik wird als "Verrat" interpretiert




Kritik von außen wird als Störaktion Satans verstanden, Kritik von innen dagegen als Verrat. Egal, welches kritische Argument vorgebracht wird oder wie schwerwiegend der kritisierte Sachverhalt innerhalb der Dogmatik der Gruppe wiegt - die Tatsache, daß Überhaupt Kritik geäußert wird, ist ein Anzeichen für mangelnde Glaubensfestigkeit. Sie kann nur durch noch mehr Bußübungen (Fasten, kalt Duschen, ...), noch mehr Studium, noch mehr Beweise der Unterordnung (z. B. Verrichten niedriger und besonders lästiger Arbeiten) und ähnliches wieder gut gemacht werden.

Die Methoden, anfänglich kritische Geister in den eigenen Reihen zum Verstummen zu bringen, sind vielfältig. Hier einige davon:

4.1. Erzeugung von Schuldgefühlen

Beispielsweise muß das Mitglied über jede Stunde des Tages Rechenschaft ablegen. Je nach Willkür und Manipulationsabsicht des Leiters werden die Stundenaufzeichnungen einmal so und dann wieder ganz anders bewertet. Diese ständige Unsicherheit über die Beurteilung der eigenen Leistung führt zu Versagensängsten. Das Mitglied wird so zu Höchstleistungen gezwungen. Da aber insgesamt dadurch eine gesunde Balance von Leistung und Erholung verlassen wird, befinden sich solche Sektenanhänger in einem Zustand permanenter Erschöpfung. Zugleich kommt es zu ständigen Schuldgefühlen: "Ich kann der Erwartung nicht entsprechen". Und jemand, der nicht in der Lage ist, seine eigenen Ziele zu erreichen, hat auch kein Recht, über die Erreichung von Zielen bei anderen zu urteilen. Ähnlich werden Schuldgefühle aus anderen Quellen (z. B. historische Schuld wie der Atombombenabwurf oder die Konzentrationslager) gruppenintern verwendet und die Kritiker in irgendeinen Zusammenhang mit den real Schuldigen gebracht. Der Kritiker hätte dadurch kein Recht mehr auf Kritik, sondern müsse sich vielmehr um die Aufarbeitung der Schuld kümmern.

4.2. Zulassung nur von "passenden" Rückmeldungen

Wenn jemand sich z. B. nicht "enthusiastisch" genug verhält, kann er leicht von einem Führer beschuldigt werden, selbstsüchtig und unrein zu sein und sich nicht genug zu bemühen. Man wird ihn dazu anhalten, so zu werden wie ein älteres Mitglied, bis hin zur Nachahmung seines Tonfalls. Gehorsam gegenüber Befehlen von oben ist die wichtigste Lektion, die es zu lernen gilt. Die inneren Gedanken können die Führer nicht vorschreiben, aber sie wissen: Herz und Verstand werden dem Verhalten folgen.

4.3. Belohnung (Strafsysteme) für konformes (unkonformes) Verhalten und Denken

Die Strafmaßnahmen umfassen eine große Palette von Möglichkeiten: Bloßstellen vor der Gruppe, Einteilen zu niedrigen Arbeiten, "freiwilliges" Fasten, kalte Duschen, Nachtwachen und bestimmte Bußarbeiten. Jemand, der aktiv an seiner eigenen Bestrafung teilnimmt, glaubt dann irgendwann selbst, die Strafen verdient zu haben.

4.4. Pflicht zur Selbstbezichtigung und "Beichte"

Sobald ein Mitglied einen "schlechten" Gedanken verspürt, muß es ihn mittels einer Gedankenstopptechnik (z. B. Singen, rituelle Waschung) sofort neutralisieren und einem Vorgesetzten mitteilen. Weiters wird auch Druck ausgeübt, frühere Sünden oder falsche Einstellungen öffentlich einzugekennen. Natürlich wird die alte Sünde nach dem öffentlichen Bekenntnis nur selten wirklich vergessen oder vergeben. Sobald einer aus der Reihe tanzt, wird die alte Schuld wieder hervorgeholt und dazu benutzt, den Betreffenden zum Gehorsam zu manipulieren.


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Gruppen, Verfahren und Personen

Folgende Gruppen undVerfahren werden zur Zeit unter dem Begriff "Psychokulte" eingeordnet:

1. Gruppen

AAO (Aktionsanalytische Organisation/Otto Mühl)
BEP/PEGASTAR (Bewußtseinserweiterungsprogramm)
BRUNO GRÖNING Freundeskreis
BUSINESS SUCCESS
COGITO GmbH (Dr. W. Stille)
CONIX-INVEST (Kosmologie-lnstitut)
COSMOLOGY UNIVERSITY
DIE BEWEGUNG
DIE PYRAMIDE (Das Institut für bewußte Persönlichkeits- und Lebensentfaltung/ Conny Ehmann; Margit Wagner)
ECKANKAR
EST/LANDMARK-EDUCATION (Erhard Seminar Training)
ETERNAL FLAME FOUNDATION (Egbert Sukop/Fun & Money School)

OIM (Obedience Intercessory Ministry/Tarnorganisation für die Ranette Daniels
Organisation)
PEP (Permanente Entfaltung der Persönlichkeit)
RUHANI SATSANG (Eckankar)
SCIENTOLOGY (Ron Hubbard) (vg/. 3.)
VPM (Verein zur Förderung psychologischer Menschenkenntnis) (vg/. 4.J
ZEGG (Zentrum für experimentelle Gesellschaftsgestaltung/Meiga 2000/
Erotische Akademie/Sexpeace)

2. Verfahren

AVATAR PROGRAMM (Harry Palmer/Stars Edge International)
DYNAMISCHE PSYCHIATRIE(Dr. Günter Ammon/Menterschwaige Klinik/DAP = Deutsche
Akademie für Psychoanalyse)
HOFFMANN QUADRINITY PROCESS
HR-ERFOLGSSEMINARE (Georg Rescheneder/Siegfried Hölzl)
POSITIVES DENKEN
SILVA MIND CONTROL
Vier dieser Einzelgruppen finden Sie in diesen Sekteninformationen näher dargestellt (Scientology, Ruhani Satsang/Eckankar, Positives Denken, Bruno Gröning). Wer zu den anderen Gruppen nähere Informationen möchte, kann diese bei der Sekteninformation (Österreich/0732/7610-64) des Pastoralamtes Linz anfordern.

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