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Gefahren und Risiken


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Rolf

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Gefahren und Risiken





1. Gehirnwäsche - Bewußtseinskontrolle





Sekten kommen bei nicht wenigen Menschen gut an und gewinnen sie als Mitglieder. Dies hat aber nur zum Teil mit dem Eingehen der Sekten auf die oben genannten Sehnsüchte und Bedürfnisse der Menschen, die Glaubwürdigkeit ihrer Überzeugung und die faszinierende Hingabe und Einsatzfreudigkeit zu tun.

In vielen Fällen spielen auch die Methoden der Werbung, der Schulung und der Indoktrination eine große Rolle. Als Reflex auf diese Methoden ist in der öffentlichen Meinung oft von "Gehirnwäsche" die Rede.

Während jedoch "brainwashing" in den Erfahrungen von US-Kriegsgefangenen im Koreakrieg als eine gewaltsame Methode der "Bekehrung" in Erinnerung ist, handelt es sich bei Sekten häufig um äußerst undurchschaubare und verdeckte unethische Methoden der Beeinflussung, die einem die totale Vereinnahmung gar nicht bewußt werden läßt.

Der Ausstiegsberater Steven Hassan, ehemals Mitglied der "Mun-Sekte", hat deshalb den Begriff "Bewußtseinskontrolle" (mind control) eingeführt, um diese subtile Praxis der Einflußnahme durch totalitäre Gruppen zu kennzeichnen. Er versteht darunter "ein System von Einflüssen, mit dem die Identität des Individuums (seine Überzeugungen, sein Verhalten, Denken und Fühlen) zerbrochen und durch eine neue Identität ersetzt wird. In den meisten Fällen ist es eine neue Identität, gegen die sich die ursprüngliche entschieden wehren würde, wenn sie wüßte, was auf sie zukommt".

Näher betrachtet, sind bei der Bewußtseinskontrolle vier Komponenten maßgebend:

Verhaltenskontrolle

Durch strenge Regelung der Lebensordnung eines Menschen (wie bzw. wo er lebt, arbeitet, ißt, schläft, sich kleidet; Körperhaltungen, Rituale und Ausdrucksformen, ...) wird der individuelle Lebensraum immer enger. Lob, Tadel und Bestrafung tun das Ihre, um das verhaltensmäßige Einfügen in die Gruppe zu gewährleisten.

Gedankenkontrolle

Sie beinhaltet die gründliche Indoktrination der Mitglieder, damit sie die "neue Wahrheit" verinnerlichen und das neue Denk- und Sprachsystem annehmen. Gedankenstopp-Techniken werden angewandt, sobald Zweifel und Kritik im Geist auftauchen: "Schlechte" Gedanken werden damit verhindert. So entsteht alsbald eine "Mauer" zwischen Gläubigen und Außenstehenden

Gefühlskontrolle

Mit Schuld und Angstgefühlen werden Menschen unter Kontrolle gehalten und damit an den Meister und die Gruppe gebunden. Gerade sensible, idealistische Menschen sind sehr empfänglich für Schuldgefühle:
Historische Kollektivschuld der eigenen Nation, der bisherigen Kirche, eigene
Schuld im vergangenen Leben, soziale Schuldgefühle
..., alles kann von Sektenführern manipuliert und für eigene Ziele genützt werden.
Auch Grund für Ängste ist immer vorhanden: Einmal sind es die äußeren Feinde, dann das drohende eigene Versagen vor den überdimensionalen Forderungen der Sekte. Mit diesem fortwährenden inneren Ungleichgewicht der Gefühle wird das Sektenmitglied auch gegen einen etwaigen Ausstieg konditioniert: Die Ängste verhindern wirkungsvoll eine Entscheidung für das Leben außerhalb der Gruppe.

Informationskontrolle

Durch die Kontrolle über alle Quellen der Information schränkt man die Möglich
keit, frei und eigenständig zu denken, drastisch ein. Wenn der Zugang zu unabhängiger
Bildung und Literatur, zu Radio und Fernsehen verstellt wird, ist das Mitglied der
sekteninternen Ideologie und Propaganda hilflos ausgeliefert und unfähig zu je
der kritischen, selbständigen Reflexion über seinen Glauben und
seine Lebensform. Es fehlen die funktionierenden inneren Mechanismen der gei
stigen Auseinandersetzung
Dazu kommt, daß die Sektenlehre nur ganz allmählich, in kleinen Schritten, ent
hüllt und vermittelt wird. Manche® würde von vornherein zurückschrecken, wenn
ihr (ihm) die Sektendoktrin mit allen Konsequenzen in voller Klarheit von Anfang
an zugänglich wäre
Zusammen bilden die Komponenten der Bewußtseinskontrolle in ihrer gegenseiti
gen Durchdringung und Anwendung ein so umfassendes Netz, daß selbst ein in
telligenter, willensstarker und charakterfester Mensch dem manipulativen Sog
kaum gewachsen ist - wie erst dann jemand, der in einer lebensgeschichtlichen
Krise, einem schicksalhaften Ereignis, einer tiefgreifenden Frustration oder De
pression gefangen ist!




Merksatz: Je intensiver Sektenmitglieder kontrolliert werden, desto mehr wächst auch die Angst dieser Menschen. Ein Verlassen der Gruppe wird immer schwieriger.




2. Die Kontrolle über den Geist

Steven Hassan zeigt in seiner Arbeit, daß die genannten vier Möglichkeiten der Bewußtseinskontrolle in der Sektenpraxis in einem dreistufigen Prozeß angewandt werden, um die Kontrolle über den Geist zu gewinnen:

Aufbrechen

Der geworbene Mensch soll destabilisiert werden. Sein bisheriges religlös/weltanschauliches Bezugssystem, seine gesellschaftliche und berufliche Orientierung soll erschüttert, in Frage gestellt und nach und nach zertrümmert werden. Verschiedene ausgeklügelte psychologische Methoden, u.a. hypnotische Prozesse, das Einreden von Krankheit und Unfähigkeit usw. dienen der Desorientierung.

Verändern

Das nun entstandene Vakuum in Geist und Herz wird durch neue Denk- und Verhaltensweisen, durch neue Emotionen gefüllt. Oft künstlich herbeigeführte "spirituelle Erlebnisse" und verblüffende "Erkenntnisse" helfen wirksam mit, eine neue Identität aufzubauen. Die Wirksamkeit einer massiven gruppenpsychologischen Beeinflussung wird dabei erschreckend sichtbar!

Fixieren

Die neue Identität muß so stabilisiert und gefestigt, neuen Überzeugungen und Werte müssen so verinnerlicht werden, daß das Mitglied die Sekte auch "draußen" intensiv und unerschütterlich vertreten und verbreiten kann.

Es ist erschütternd, wenn Verwandte und Freunde die Veränderung, ja Verwandlung eines Menschen zu einem "Fremden" registrieren müssen. " Wie ein anderer Mensch", "wie ein Roboter" wird dieser Eindruck dann artikuliert. Und doch muß man wissen, daß das "echte", ursprüngliche Ich weiterhin tief im Inneren vorhanden ist: mit Erinnerungen, Widersprüchen, Fragen, Enttäuschungen und Sehnsüchten.

Diese "echte" Identität hat letztlich den Schlüssel zur Freiheit in Händen; wenn man sie erwecken und stärken könnte, wäre es möglich, die Ketten der Bewußtseins kontrolle zu zerreißen.

Um es noch einmal deutlich zu sagen: In der Sprechweise der Medien und der säkularisierten Öffentlichkeit sind unter Sekten zumeist Gruppierungen mit den obengenannten unethischen und verwerflichen Methoden der Werbung, der Vereinnahmung und Knebelung gemeint. Das gilt aber für Gemeinschaften, die im christlichen Sinn als "Sekten" gelten müssen, keineswegs in jedem Fall!

Die Mormonen muß man z. B. wegen ihrer Sonderlehren (vom Standpunkt der Ökumene aus) "Sekte" im klassischen Sinn nennen, obwohl sie in moralischem Bereich keineswegs anrüchig oder gefährlich ist.



3. Worin besteht die Gefährlichkeit von "Sekten"?

Zunächst sehe ich als (katholischer oder evangelischer) Christ die Gefahr, daß ich von der Fülle und Ausgewogenheit des Evangeliums Jesu zu einer einseitig entstellten und verengten Sicht des christlichen Glaubens gelange oder daß ich gar zu einem Angebot abfalle, das von der Botschaft der Bibel als heillos gekennzeichnet wird.

Zum andern ist die Frage nach der Gefährlichkeit mit dem Verweis auf die subtilen, vom Betroffenen oft gar nicht erkennbaren Methoden der Bewußtseinskontrolle beantwortet.

Aber diese Methoden sind nur Mittel zum Zweck. Sie wollen den Menschen in eine Haltung hineinmanipulieren, die sich für die Einstellung zur eigenen Lebensgestaltung und zum Zusammenleben mit den anderen sehr verhängnisvoll auswirken kann.

Diese Probleme und Konfliktbereiche werden heute von einer sehr aufmerksamen Öffentlichkeit zunehmend besorgt - und zum Teil hilflos - registriert:

a) mögliche Risiken für den einzelnen

Einengung der Persönlichkeit auf wenige Bereiche der Lebensmöglichkeit und Gestaltung
Psychische Regression (Rückschritt) in kindliche Entwicklungsphasen
Verlust eines realistischen Urteils- und Kritikvermögens
Verlust der Berufs-, Arbeitsfähigkeit und Selbständigkeit
Verlust lebensnotwendiger finanzieller Mittel und Eigentumswerte
Verlust der Bindungs- und Verantwortungsfähigkeit gegenüber Familie und Freunden
Süchtige Abhängigkeit von (religiösen) "Spitzenerlebnissen"
Verkümmerung einer gesunden Emotionalität
Quälende Angst-, Schuld- und Schamgefühle
Vernachlässigung/Verbot einer zielführenden Behandlung von Krankheiten
Erschöpfungszustände durch extrem fordernde und überlastende Lebensführung sowie einseitige Ernährungsregeln
Erpreßbarkeit wegen Kenntnis intimer biographischer Details durch die Gruppe
Verlust der Eigenpersönlichkeit zugunsten einer Fremd- und Einheitspersönlichkeit

B) mögliche Gefahren für die Allgemeinheit

Mißbrauch der Möglichkeiten, die das Grundrecht auf Religionsfreiheit eröffnet, für gruppenegoistische, gewinnorientierte und totalitär vereinnahmende Ziele
Unfähigkeit für demokratische Entscheidungs- und Handlungsvorgänge
Leben in einer radikalen Gegenwelt zur bestehenden Gesellschaft und damit Herausfallen aus vielen Überzeugungen, die den notwendigen gesellschaftlichen Konsens darstellen
Ausbleiben einer soliden Berufsausbildung
Mangel/Fehlen sozialer Sicherheit (Versicherungsschutz, pensionsrechtliche Regelungen fehlen häufig!)
Belastung des sozialen Netzes der Gesellschaft beim Ausschluß oder Verlassen der Sekte (Krankheit, Arbeits- und Integrationsunfähigkeit) Problem der Kinder, die isoliert, mißbraucht, unausgebildet und desintegriert in Sekten aufwachsen


Selbstverständlich sind nicht alle Probleme bei allen Mitgliedern jeder "Sekte" anzutreffen; aber schon das Vorhandensein einiger Stör- und Schadfaktoren können das Leben des Menschen und sein soziales Umfeld nachhaltig beeinträchtigen und schädigen!

Zum häufig geäußerten Ruf nach einer Politik und Gesetzgebung, die das Bestehen und Agieren von "Sekten" - womöglich im Auftrag der Kirchen - unterbinden soll, muß gesagt werden:

Die Kompetenz des Staates liegt sicherlich nicht in der Feststellung religlös-weltanschaulicher Wahrheit und Richtigkeit. Das Instrumentarium der bestehenden gesetzlichen Regelungen, die die Rechte des einzelnen (Freiheit und Selbstbestimmung, Gesundheit, Eigentum) schützen, müßte bei gewissenhafter und intensiver Anwendung durchaus ausreichen.

Freilich: Das Risiko von (Fehl-) Entscheidungen und unheilvollen Entwicklungen in der Lebensgeschichte eines Menschen wird nie auszuschalten sein!

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