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Strategien des Pazifismus: Margot Käßmann und das Böse


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Rolf

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Strategien des Pazifismus: Margot Käßmann und das Böse






Eine Kolumne von Jan Fleischhauer



Die Islamisten im Irak köpfen und steinigen - trotzdem empfiehlt Margot Käßmann den Deutschen einen bedingungslosen Pazifismus. So viel Unempfindlichkeit für moralische Dilemmata ist verblüffend. Sogar der Kirche ist das Verständnis für das Teuflische abhanden gekommen.

Wir können dem Bösen bei seinem Werk zusehen. Wir müssen uns nur die Mühe machen, im Netz nach den Bildern zu suchen, mit denen die Soldaten des "Islamischen Staats" die Ernsthaftigkeit ihrer Überzeugung beglaubigen. Man sieht die abgeschlagenen Köpfe, mit denen sie die Plätze der Städte dekorieren, die sie auf ihrem Weg ins siebte Jahrhundert erobert haben. Man sieht die Frau, die ihre Steinigung erwartet, die Gefangenen, die um ihr Leben flehen, bevor sie auf Lastwagen verladen werden, um sie in der Wüste zu exekutieren, die Kreuzigung von Männern, die der Apostasie angeklagt wurden.

Wer hätte gedacht, dass sich in einer Weltgegend, die in den vergangenen Jahrzehnten eine Barbarei unfassbaren Ausmaßes erlebt hat, die Grausamkeit noch steigern lässt. Wo die Jünger des Kalifats einfallen, um ihr Reich zu errichten, ist jeder ein Feind, der ein Leben in der Moderne dem Mittelalter vorzieht: die Christen, die Juden, die Kurden, aber auch alle Muslime, die nach Meinung der neuen Herren nicht fromm genug sind.

Man sollte die Bilder aus dem Irak im Kopf haben, wenn man die Empfehlungen liest, die Margot Käßmann, die ehemalige Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche, zum Umgang mit Gewalt und Terror gibt. Auf drei Seiten hat Käßmann im SPIEGEL-Interview ausgeführt, warum es keinen "gerechten Krieg" geben könne und der Einsatz von Waffen immer falsch sei. Es ist nicht das erste Mal, dass sie sich zu dem Thema äußert, aber es ist das erste Mal, dass sie so weit geht, Deutschland zu empfehlen, sich Costa Rica als Vorbild zu nehmen. Costa Rica hat nicht nur viel Urwald, sondern auch keine Armee - aus deutscher Sicht zwei Gründe, dort so etwas wie das gelobte Land zu sehen.

Bemerkenswert ist nicht die Unbedingtheit des Pazifismus, wie ihn Käßmann verkörpert, oder die fröhliche Unempfindlichkeit für die moralischen Dilemmata des Gewaltverzichts. Das eigentlich Erstaunliche ist, dass nicht einmal eine deutschlandweit bekannte Theologin noch eine Vorstellung vom Bösen zu haben scheint. Bei einer Vertreterin der Kirche sollte man eigentlich ein Verständnis für die Natur des Teuflischen erwarten können - das Denken in metaphysischen Kategorien war zwei Jahrtausende lang das Privileg dieser Institution. Aber das Einzige, was davon übrig geblieben ist, ist die Verteufelung von allem, was schießt.

Der Gewalttäter im eigentlichen Sinn will nicht verhandeln

Man soll sich nicht täuschen: Käßmann steht mit ihrem Costa-Rica-Pazifismus in der Mitte der Gesellschaft; ihre Sehnsucht nach einem Land ohne Armee ist kein Protest, sondern Mainstream. 69 Jahre fortgesetzter Frieden können nicht nur satt und glücklich machen, sie können einen auch furchtbar provinziell werden lassen. Was unverständlich und fremd erscheint, wird ignoriert oder, wenn das nicht mehr geht, so lange hin und her gedreht, bis es wieder ins Erklärungsmuster passt.

Vielleicht war in den vergangenen Wochen deshalb so viel von Israel die Rede und so wenig von dem Irrsinn im Irak. Den Konflikt um Gaza glauben wir zu verstehen, sein Maß an Gewalt ist uns verständlich. Wenn die Hamas ihre Raketen nach Israel schickt, bilden wir uns ein, den Grund zu kennen. Aber was soll man zu Männern sagen, die einer Frau die Hände auf dem Rücken binden, und dann so lange Steine auf sie werfen, bis sie nur noch ein blutiger Haufen ist?

Hinter der deutschen Friedensliebe stand immer die Vorstellung, dass jeder Mensch auf den rechten Weg zurückgebracht werden könne, man müsse ihm nur gut zureden. Aber der Gewalttäter im eigentlichen Sinn will nicht verhandeln, um sich eine bessere Position zu verschaffen. Er ist allein an der Machtfülle interessiert, die ihm der Triumph über andere ermöglicht. Die Gewalt ist das Medium, durch das er zu sich selbst spricht, an ihren destruktiven Energien lädt er sich auf, und die Demütigung und Vernichtung ihrer Opfer ist das Mittel zu diesem Zweck. Das macht ihn so unbegreiflich für alle, die ihren Lebensunterhalt mit dem empathischen Zugang zum Mitmenschen verdienen. Für den Dialog, den sie ihm anbieten, hat er nur ein Achselzucken übrig. Im besten Fall ist das Angebot Zeitverschwendung, im schlechten stachelt es ihn auf.

Es sind amerikanische Soldaten, die jetzt den Jesiden zu Hilfe kommen. Es sind amerikanische Kampfflugzeuge, die Stellungen der islamischen Gotteskrieger unter Beschuss nehmen, und amerikanische Waffen, die an die bedrängten Kurden geliefert werden. Wir spotten gerne über die Amerikaner, die angeblich keine Ahnung von der Welt haben. Aber Weltläufigkeit erschöpft sich nicht in häufigen Urlaubsreisen ins Ausland. Die Hälfte der US-Bürger mag nicht einmal einen Reisepass besitzen, dafür verstehen sie etwas von der vielfältigen Natur des Menschen.
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