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Justiz geht gegen Sekte vor


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Justiz geht gegen Sekte vor





Es gibt weder Dusche noch Wanne, nur spärlich zu essen, Arztbesuche sind "nicht nötig": Nach monatelanger Diskussion über das Wohl der Sektenkinder in Mittelfranken entzieht das Erlanger Amtsgericht Anhängern des "Gurus von Lonnerstadt" das Sorgerecht.


Von Olaf Przybilla

Das Amtsgericht Erlangen hat den Eltern der sogenannten "Sektenkinder von Lonnerstadt" weite Teile ihres Sorgerechts entzogen. Die drei Kinder - neun, elf und 14 Jahre alt - wurden bereits aus dem Elternhaus im Landkreis Erlangen-Höchstadt geholt und in eine Einrichtung gebracht. Das Sorgerecht für die Kinder geht auf das Erlanger Jugendamt über.

Das Amtsgericht hatte ein Gutachten bei einem Jugendpsychiater eingeholt. Nach mehrfachen Besuchen in Lonnerstadt sei der Familienrichter zu der Überzeugung gelangt, die Eltern seien "zu einer Kooperation im Sinne der Kinder nicht in der Lage", sagte der Sprecher des Nürnberger Oberlandesgerichts, Michael Hammer.

Anlass für das Verfahren am Familiengericht war auch eine WDR-Dokumentation der Filmemacherin Beate Greindl, die im Oktober erstmals auf die Zustände in dem Haus aufmerksam gemacht hatte. In ihrem Film hatten die Eltern zum Teil selbst bekundet, dass ihre Kinder nicht krankenversichert werden müssten. Dass es auch kaum eine Notwendigkeit gebe, Medikamente zu sich zu nehmen. Und dass eine Brille nur aufzusetzen sei, wenn es gar nicht anders gehe.

Zu sehen war, wie die Kinder zur Heimarbeit angehalten waren, und dabei vor Augen die Maßgabe hatten, dass derjenige, der die Zusammenarbeit verletze, "als Schädling am Gemeinschaftseigentum verurteilt" werden sollte. Dass die Kinder in einem Haus ohne Dusche oder Wanne leben mussten. Und gehalten waren, wenig und möglichst unsinnlich Lebensmittel zu sich zu nehmen.

"Viel Humor, Spaß und Spiel"

Die Eltern hatten sich gegen Teile der Darstellung zur Wehr gesetzt. Es gebe "keinen Zwang", es geschehe alles "freiwillig, mit viel Humor, Spaß und Spiel, und natürlich gehört auch Süßes dazu", hatten sie erwidert. Arztbesuche seien kein Tabu, aber bisher nicht nötig gewesen.

Auch der Erlanger Landrat Eberhard Irlinger (SPD) hatte die Verhältnisse in der Familie mehrfach verteidigt. Nach einem Besuch in Lonnerstadt sei er zur Einschätzung gekommen, dort lebten drei Kinder in einer geordneten Familie mit enger Bindung zueinander und herzlichem Verhältnis zu den Eltern.

Die Kinder seien gesund, wohlgenährt und die Besten in der Schule. Sie hätten Computer und Fernseher. Das Haus sei einfach, aber keineswegs baufällig, und der Holzofen im Wohnzimmer verbreite eine "wohlige und mollige Wärme". Das Erlanger Jugendamt habe sich mehrfach davon überzeugen können und richtig reagiert.

Zum Entzug des Sorgerechts will Irlinger nun nichts sagen. "Ich kommentiere keine Entscheidungen von Gerichten", sagte er im SZ-Gespräch. Es gebe nun ein Urteil, der Landkreis werde dieses vollziehen. Auf Diskussionen über das Verhalten des Jugendamtes werde er sich "nicht einlassen".

Auch das Landratsamt beließ es am Montag bei einer dürren Mitteilung: Die Ergebnisse des Gutachtens und die Erkenntnisse aus den Anhörungen bei Gericht machten deutlich, dass - "solange die Eltern ihre Erziehungshaltung nicht wesentlich ändern" - ein Verbleib der Kinder bei den Eltern nicht mehr zu verantworten sei. Deshalb habe das Gericht das Sorgerecht den Eltern in weiten Teilen entzogen und dem Erlanger Jugendamt übertragen.

Den Eltern bleiben künftig nur noch geringe Teile ihres Sorgerechts. So dürfen sie weiterhin entscheiden, wie ihre Kinder heißen sollen, sagte Justizsprecher Hammer. Nicht aber, wo sie leben und welche Schule sie besuchen sollen. Der Familienrichter habe in seinem Beschluss aber betont, dass der Entzug des Sorgerechts nicht mit etwaiger "Böswilligkeit oder Nachlässigkeit" der Eltern begründet werde. Vielmehr sei es den Eltern offenbar "aufgrund ihrer religiösen Überzeugung nicht möglich", sich adäquat um ihre Kinder zu kümmern.

Der Vater, ein ehemaliger Software-Entwickler, hatte in der WDR-Dokumentation erläutert, seiner Überzeugung nach reife man an "unangenehmen Dingen", insbesondere auch Kinder reiften daran. Je weniger Unangenehmes es gebe, "desto weniger reift man auch".

Lehrer der "Neuen Gruppe der Weltdiener"

Gegen den Guru von Lonnerstadt, der die Eltern in ihrem religiösen Vorstellungen offenbar stark beeinflusst, wird im Zusammenhang mit dem Sorgerechtsentzug nicht ermittelt. Die Kinder lebten in der kargen Wohnung ihrer Eltern, der religiöse Lehrer - der in einem Nachbarort lebt - erteile auch keine "schriftlichen Weisungen" zur Erziehung der Kinder, sagte der Justizsprecher.

Gegen den Mann, der sich selbst als Lehrer der "Neuen Gruppe der Weltdiener" versteht, wird aber in anderer Sache ermittelt, sagte Antje Gabriels-Gorsolke, Sprecherin der Nürnberger Staatsanwaltschaft. Einem Jungen, der vor mehr als zehn Jahren bei ihm wohnte und an Mukoviszidose litt, soll der Guru ärztliche Behandlung verweigert haben, weil die religiöse Lehre des Gurus das nicht vorsehe. Ermittelt wird deshalb wegen des Verdachts der Misshandlung Schutzbefohlener.

Auf das Schicksal der Sektenkinder hatten immer wieder Menschen in Mahnwachen aufmerksam gemacht. Landrat Irlinger hatte aber gefordert, dies zu unterlassen.




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