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Die Geschichte der Astrologie


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Rolf

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Die Geschichte der Astrologie




Ein Ueberblick

Aus dem Morgenland, dem Osten, werden die drei Weisen von einem Stern zur Krippe geführt, wie uns der Evangelist Matthäus berichtet. Die sternkundigen Weisen stammen damit wohl aus dem Mutterland der Astrologie, aus Mesopotamien. Dort, im Zweistromland, ist der Gedanke, dass der Lauf von Sonne, Mond und Planeten die Zukunft bestimmen könnte, das erste Mal historisch fassbar aufgekommen. Der älteste astrologische Text der Menschheit findet sich in der Bibliothek des Assyrerkönigs Assurbanipal aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. Wie weit dieser Text auf ältere Arbeiten zurückgeht, ist unklar, sicher ist aber, dass die Astrologie eines der bleibenden Vermächtnisse Mesopotamiens an die Menschheit darstellt - genau wie die Erfindung der Schrift, aber weit umstrittener als diese. Betrafen die astrologischen Voraussagen vorerst Geschehnisse des Staates wie Kriegszüge, Ernten und Ueberschwemmungen, werden von mesopotamischen Astrologen ab ca. 400 v. Chr. auch individuelle Horoskope für einzelne Menschen gestellt.

Mit der Eroberung Mesopotamiens durch die Perser und dann durch Alexander den Grossen gelangt die Kenntnis der Astrologie nach Aegypten und Griechenland. Die griechische Philosophie wehrt sich zuerst gegen das Eindringen der Sternkunde, spätere Philosophenschulen aber, die wie z.B. die Stoa einen Schicksalsglauben vertreten, können die Astrologie gut integrieren und propagieren sie schliesslich. Die Lehre wird populär. Wenn, wie im Hellenismus, der Glaube an ein konkretes Eingreifen Gottes oder der Götter ins Leben in den Hintergrund tritt, wird der Schicksalsglaube aktuell. Und ein Schicksalsglaube fordert nach Methoden, dieses Schicksal erkennen zu können. Da bietet sich die Astrologie an. So findet die Lehre im 3. und 2. Jh. v. Chr, ihren Weg nach Indien, wo sie vom Hinduismus positiv aufgenommen und weiterentwickelt, vom Buddhismus hingegen - zumindest vorerst - verworfen wird, und nach Rom. In Rom führt das massive Auftreten von Astrologen aus dem Osten zu Unruhen, weshalb 139 v. Chr. alle Astrologen aus Italien ausgewiesen werden.

Aber Rom bleibt nicht lange ohne Sternkundler, gut hundert Jahre später hält sich Kaiser Augustus einen Hofastrologen, sein Nachfolger Tiberius treibt gar selbst astrologische Studien, und auch die weiteren Regenten des römischen Reiches verlassen sich, von wenigen Ausnahmen wie dem nüchternen Trajan abgesehen, auf Astrologen als wichtige Ratgeber. Die Herrscher gehen hierin ihrem Volk voran, Astrologe ist ein im Römerreich äusserst gefragter Beruf, und zahlreiche astrologische Werke werden verfasst, z.B. der auch heute noch wichtige Klassiker der Astrologie, Claudius Ptolemäus' "Tetrabiblos".

Das Christentum entsteht damit in einer Zeit der Hochblüte der Astrologie, so muss der jüdische Historiker Josephus feststellen, dass die Schicksalserforschung aus den Sternen bei den Juden zur Zeit Jesu weit verbreitet war. Während sich Jesus selbst nicht genötigt sieht, zur Astrologie Stellung zu nehmen, halten die Kirchenväter das anders: die Astrologie wird wegen des dahinter stehenden Schicksalsglaubens scharf abgelehnt. Die Astrologie und der Schicksalsglaube drohen, die Freiheit Gottes und diejenige des Menschen einzuschränken. Doch es fällt dem Christentum schwer, mit diesem Anliegen durchzudringen, so interessiert sich noch Konstantin der Grosse für die Sterndeutung. Dann aber tritt die Astrologie in Europa in den Hintergrund.

Der mittelalterliche Mensch sieht in dem, was ihm widerfährt, nicht ein Schicksal, das aus den Sternen zu erhellen wäre, sondern ein Eingreifen Gottes, das mit rechtem Lebenswandel, mit Frömmigkeit, Gebeten und Wallfahrten zu beantworten ist. Wenn es aber kein vorherbestimmtes Schicksal gibt, verliert die Astologie als Schicksalserkenntnis quasi ihren Gegenstand. Erst im Lauf von Jahrhunderten, im Hochmittelalter, gelangt die Astrologie, vermittelt über die Araber, wieder nach Europa, wo sich bezeichnenderweise vor allem sogenannt aufgeklärte Geister wie der Stauferkönig Friedrich II. für sie interessieren: Ihnen wird die konkrete Wirksamkeit Gottes fraglich, und die Schicksalserforschung damit aktuell. Diese Tendenz wird in der beginnenden Neuzeit zur vollen Entfaltung kommen.

Für den Menschen der Renaissance rückt Gott und sein Eingreifen in den Hintergrund, und Widerfahrnisse des Lebens werden nicht mehr als Belohnung oder Strafe Gottes angesehen. Die Entwicklung der Wissenschaft ist aber für eine Erkenntnis der Wirkzusammenhänge z.B. im Fall von Krankheiten oder Naturkatastrophen noch zu wenig weit. So erhält der Schicksals- und damit der Sternenglaube weiten Raum. Die Renaissance wird zur zweiten Blütezeit der Astrologie, Herrscher und Päpste halten sich wieder Hofastrologen, und auch einfache Menschen nehmen die Dienste von Sterndeutern in Anspruch - es ist die Zeit eines Nostradamus, eines Dr. Faust oder eines Lucas Gauricus. Wenige entziehen sich diesem Trend, so Martin Luther, der von den Astrologen wenig hält.

"Es ist ein Dreck mit ihrer Kunst", meint er in gewohnt deftiger Sprache. Sein Mitreformator Melanchthon hingegen gibt den Tetrabiblos des Ptolemäus neu heraus und empfiehlt die Anwendung der Sterndeutung wärmstens. Die Astrologie bleibt hundert Jahre populär, ihre neue Blütezeit läuft mit dem Hexenwahn genau parallel. Sternenfurcht und Furcht vor Magie haben die Höllenfurcht des Spätmittelalters abgelöst. Und die Sternenfurcht sorgt für Umsatz, Horoskopesteller machen Kasse. Dadurch ergibt sich ein Brotjob für Astronomen, auch wenn sie die Astrologie mit schlechtem Gewissen betreiben - wie z.B. Johannes Kepler, der die Astrologie als "das närrische Töchterlein der achtenswerten Mutter Astronomie" bezeichnet.
Es ist die Aufklärung mit ihrer zunehmenden Einsicht in naturwissenschaftliche Zusammenhänge, die die Astrologie in den Hintergrund drängt. Der Mensch fühlt sich dem Wirken von Naturmächten immer weniger hilflos ausgeliefert, der Schicksalsglaube verliert an Boden, und mit ihm die Astrologie. Bald werden Astrologie und Aberglaube Wechselbegriffe, die Sterndeutung erhält sich nur noch im Bereich der Jahrmarktswahrsagung, wo sie neben andere Wahrsagemethoden wie den Tarot tritt.

Die Spiritismus- und Okkultwelle des 19. Jahrhunderts bringt ein neues Interesse an Astrologie, und manche theosophischen Richtungen empfehlen sie. Es ist aber eine veränderte Form der Astrologie, die da vordringt: Nun zeigen die Sterne nicht mehr ein unabänderliches Schicksal, sondern bloss Tendenzen an, die realisiert werden können oder auch nicht. So wird die Astrologie für den Menschen der Industrialisierung, der sich sein Schicksal selbst schaffen will, vertretbar. Eine derart weitverbreitete Akzeptanz wie im Römerreich oder zur Zeit der Renaissance kann die Astrologie allerdings nicht mehr finden.
Vielmehr stehen sich nun Menschen, die sich für Astrologie interessieren, und Menschen, die diese Lehre ablehnen, in zwei Lagern gegenüber, eine Situation, die bis heute durchhält.

Dabei finden sich die astrologisch interessierten Menschen nicht nur unter Theosophen und Esoterikern, sondern auch in den grossen Kirchen, und die Gegner der Astrologie sind nicht nur Materialisten oder Kirchenleute, mancher Okkultist sieht die Astrologie ebenfalls kritisch. Fronten gibt es heute auch innerhalb der Astrologie selbst: Zukunftsprognostiker stehen Charakteranalysten z.T. unversöhnlich gegenüber. Während die ersteren in den Sternen die Zukunft des Einzelnen (Horoskope) oder diejenige der Welt (Mundanastrologie) angelegt sehen, sind die letzteren der Ansicht, dass die Sterne nicht über die Zukunft Auskunft geben, sondern - anhand der Sternkonstellation zum Geburtszeitpunkt - über die charakterlichen Voraussetzungen und Fähigkeiten des Menschen. Beide Richtungen sind aber überzeugt, dass astrologische Aussagen empirisch-wissenschaftlich überprüft werden können. Diverse Tests in den letzten Jahren haben diese Meinung allerdings widerlegt. Die Astrologie bleibt damit, was sie immer schon war: eine Glaubensfrage.


Georg Otto Schmid, 2000
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