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Die neue Esoterik


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Rolf

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Die neue Esoterik




Esoterisch bedeutet "innen", "verborgen", "nicht für die Öffentlichkeit bestimmt". Entgegen dieser Bedeutung wird heute in manchen Ansätzen ein neuer Akzent gesetzt: Um der Welt eine letzte Chance für ihre Rettung zu bieten, soll das esoterische Wissen gerade heute für alle zugänglich gemacht werden.

Die moderne Esoterik will auf verschiedenen Wegen der Selbsterfahrung und Meditation die grundlegenden, verborgenen Gesetze des menschlichen und des komischen Daseins entdecken. Zugang zu diesem "geheimen Wissen" bzw. "Erleben" erhält man insbesondere mit Hilfe psychologischer Bewußtseinsveränderung und -Erweiterung. Verbindung der neuen Esoterik mit der Psychologie (vor allem C. G. Jungs) fällt auf. Insofern wird vorgeschlagen, den Begriff "Esoterik" mit "nach innen gerichtet" zu übersetzen.



1. Grundprinzipien der Esoterik

In esoterischer Perspektive hat alles Wirkliche nicht nur eine Außenseite, sondern auch eine Innenseite. In einer der ältesten Schriften der abendländischen Esoterik, dem "Corpus Hermeticum" (2./3. Jhd. n. Chr.), werden wichtige esoterische Prinzipien genannt. Kurz zusammengefaßt lauten sie so:"Wie oben so unten": Alle Ebenen im Kosmos entsprechen einander:

das Untere, Kleine ist ein Abbild des Höheren, des Göttlichen
im Mikrokosmos (Mensch, Seele) spiegelt sich der Makrokosmos (Geist, Universum)
Alles Seiende gibt es nur in polarer Spannung zueinander: positiv - negativ, hell dunkel, oben - unten, männlich - weiblich, ...
Zwischen diesen Polen fließt die kosmische Ur-Energie, die alles beseelt.
Alles Geschehen im Kosmos ist zyklisch und rhythmisch geordnet (nach dem Beispiel des Atmens, des Herzschlags oder der Bahn der Planeten).
Ein Esoteriker ist jemand, der alle Tore durchschreiten, der die innersten Kammern der Wirklichkeit betreten möchte. Etwa 10 - 20 Prozent der Bevölkerung suchen Orientierung und befreiende Erfahrung auf Wegen der neuen Esoterik. Die (noch immer steigende) Zahl der neu-esoterisch engagierten Personen dürfte somit in etwa der Zahl der aktiven Kirchenchristen entsprechen.



2. Die unendliche Bedeutung des eigenen Wesens

Ein Grund für die Verbreitung neu-esoterischer Gedanken liegt vor allem in der
Bedeutung, die hier dem einzelnen Menschen geschenkt wird. In jedem Menschen ist -
entsprechend der esoterischen Grundprinzipien - das ganze Universum verborgen. Im
weiten Universum findet sich also nichts, das sich nicht auch in der Seele des Men
schen spiegelt. Jede Person ist demnach "unend lich" bedeutend. Gerade angesichts
der vielen enttäuschenden Erfahrungen (Der Mensch muß funktionieren, ist
austauschbar, ersetzbar, letztlich eine Nummer, ...) wirkt diese Sichtweise für nicht
wenige verheißungsvoll und anziehend. Im neu-esoterischen Erleben soll der Mensch vor allem diese -Verbundenheit "efahren" und sich das eigene Wesen zur Unendlichkeit weiten. Da Kosmos und Mensch zusammenhängen, erhält der Kosmos (das Universum, die Unendlichkeit) menschliche Züge: Er ist nichts Fremdes mehr. Alles ist mit allem verwandt. So grenzenlos bedeutsam und gleichzeitig mit allen Wesen verbunden hat sich der Mensch schon lange nicht mehr erlebt.

Den eigentlichen Schlüssel zum inneren Geheimnis alles Wirklichen findet der Esoteriker folglich in sich selbst. Es genügt, in die eigene Tiefe zu tauchen, dann öffnet sich der Zugang zur Innenseite der Welt. Die eigene Seele ist die Brücke zur Seele aller Dinge. So verheißungsvoll und einfach diese Möglichkeit klingt, so problematisch ist sie auch.



3. Welt- und Menschenbild der Esoterik

Obwohl sich die Richtungen innerhalb der Esoterik in einzelnen Auffassungen deutlich unterscheiden, gibt es viele gemeinsame Grundzüge im Welt- und Menschenbild.

a) Die Welt

Innerhalb der Esoterik gibt es kein biblisches Schöpfungsverständnis. Hinter dem Universum, der Welt und ihren Geschöpfen steht nicht ein liebender Schöpfergott. Vielmehr sind Materie, Pflanze, Tier und Mensch nur verschiedene Formen, Entwicklungsstufen, Dichtegrade oder Frequenzen des "All-Einen", Geistigen, ... (= Monismus). Natur und Kosmos werden dementsprechend "psychisiert": In der Natur befindet und äußert sich "Geist". In einem neuen Bewußtsein soll sich der Mensch (wieder) mit diesem Geist hinter der Natur verbinden. In manchen esoterischen Strömungen wird alles Seiende - auch der Mensch - mit Gott bzw. dem Göttlichen gleichgesetzt.

B) Der Mensch

Der Mensch, sein Leib und sein Schicksal, wird innerhalb der Esoterik weitgehend "psychosomatisiert", das heißt: Ausschlaggebend ist der innere Teil des Menschen, sein seelisch-geistiger Bereich, seine Lebensenergie (vgl. Gedanken zur Gesundheit / Krankheit). Es kommt auf die Übereinstimmung mit diesem Inneren an.

Viele Esoteriker meinen, der Mensch habe zwischen dem geistigen Ich und dem grobstofflichen Körper einen feinstofflichen, astralen Leib. Dieser Astralleib sei durch eine Aura (= Kraft- und Lichtumstrahlung) wahrnehmbar. Die Aura weise insofern auf den Austausch von feinstofflicher Lebensenergie (Prana, Chi, Bioenergie) zwischen Mensch und Kosmos hin.

c) Reinkarnation (= Wiedergeburt)

Ein wichtiges Element innerhalb der Esoterik ist der Glaube an die Wiedergeburt. Dabei wird angenommen, daß der geistig-seelische Kern des Menschen (seine Seele, sein Geist, ...) zunächst vom Körper getrennt existiert. Unter gewissen Bedingungen inkarniert sich diese Geist-Seele in einem bestimmten Leib und formt ihn entsprechend dem angesammelten "Karma". Unter Karma versteht man ein unpersönliches Prinzip, nach dem jedes Tun aufgerechnet wird ("das Prinzip der gerechten Vergeltung"). Je nach dem ob am Ende das Gute oder das Schlechte überwiegt, wird die nächste Existenz auf der Erde gut oder schlecht, gesund oder krank, ... ausfallen.

Die Ansichten über Art und Weise der Wiedergeburt sind recht verschieden, ebenso die Auffassung bezüglich dessen, was eigentlich reinkarnieren soll (der Geist, die Seele, Atman, ...). Gegenüber den hinduistischen

bzw. buddhistischen Wiedergeburtsideen gibt es in den esoterischen Vorstellungen ei
ne wichtige Akzentverschiebung. Während in den beiden genannten östlichen Religio
nen Wiedergeburt als leidvoll, ja fast als Strafe angesehen wird, dient diese Idee im
abendländischen Denken der Entfaltung und Weiterentwicklung der Persönlichkeit.

d) Erkenntnis verborgener spiritueller Kräfte

Die Erkenntnis verborgener, spiritueller Kräfte und Zusammenhänge ist nur in einem außergewöhnlichen Bewußtseinszustand möglich. Der Mensch kann laut Esoterik durch die Schulung von Imagination (= Einbildungskraft), Inspiration (= Eingebung, Erleuchtung) und Intuition (= unmittelbare Erkenntnis) zu "lebendigem Denken" und "übersinnlichem" Erfassen kommen: Er kann darauf aufbauend die in der Natur wirkenden Gedanken mitvollziehen, erfährt moralische Intuitionen oder erforscht im "Weltenäther" geschichtliche Ereignisse wie die (vermeintliche) Atlantis-Kultur oder das Leben Jesu

e) Meditation

Meditation wird innerhalb- der Esoterik nicht als Verbindung des Menschen mit dem
biblischen Gott verstanden. Es geht hier vielmehr um eine Rückkehr zum geistigen Ur
sprung allen Seins, zum All-Einen. Da der Mensch ein Teil des Göttlichen ist, wird die
Meditation als Vereinigung des Tropfens (Seele) mit dem göttlichen Meer interpretiert.



4. Sanfte Natur und vollkommene Gesundheit

Überall hört man heute von Gesundheit, neuen Heilverfahren, ganzheitlichen Methoden. Der alternativ-therapeutische Markt blüht. Innerhalb dieser Szene gibt es unterschiedliche Strömungen. Dabei bietet auch die Esoterik unzählige Therapien, Behandlungsweisen, Heilverfahren und Techniken an. Nicht selten distanzieren sich jedoch Therapeuten (besonders Vertreter der Homöopathie und Akupunktur) von esoterischen Praktiken, hinter denen sie mehr "Religion" als Medizin vermuten. Was aber haben alternative Therapien - in unserem Zusammenhang vor allem esoterische Therapien - dem Menschen zu geben, und weshalb sind sie für viele so attraktiv?

In ihrem Buch "Nur Natur? Die Mythen der Alternativmedizin. Eine Streitschrift" stellt Rosalind Coward die Behauptung auf, daß Natur und Körper mit neuen Mythologien umgeben werden. Unter Mythologie bzw. Mythologisierung versteht sie eine einseitig-optimistische Sichtweise von Natur, Gesundheit und Körper. Nicht selten wird das Streben nach Gesundheit und Wohlbefinden mit einer spirituellen Sinnsuche verbunden.

a) Neue Mythen in bezug auf Natur, Körper und Gesundheit

Der wohl wichtigste Begriff der Gesundheitsbewegung ist "Natur". Natürlich zu sein bedeutet dabei automatisch "gut und heilsam" zu sein. Nicht immer wurde Natur so positiv und als etwas uneingeschränkt Gutes gesehen. So waren zu verschiedenen Zeiten die westlichen Gesellschaften bemüht, die "wilde" Natur in den Griff zu bekommen und sich vor ihren Übergriffen zu schützen (Entwicklung der Technik); oder Charles Darwin: Er sah die Natur durch Gewalt und Aggression bestimmt. Die nur kurzen Andeutungen zeigen, wie wandelbar unsere Vorstellungen von Natur sind.

Es bleibt daher die Frage, ob die jeweils gängigen Vorstellungen von Natur nicht vielfach mit unseren eigenen (negativen) Erfahrungen von Welt und Gesellschaft zusammenhängen. Spiegeln sich im aktuellen Naturverständnis nicht unerfüllte Sehnsüchte und Hoffnungen (z. B. nach Harmonie, Heilung und Ganzsein) wider?

Sehr deutlich zeigt sich das in der Vorstellung von der sanften, selbstheilenden und harmonischen Natur. Dabei hängt das Bild von der sanften, wohltätigen Natur mit der Beobachtung zusammen, daß der Körper oft von selbst gesundet, sich regeneriert und Krankheiten abwehrt. Diese Beobachtung wird absolut gesetzt, und grundlegende Eigenschaften der Natur werden davon abgeleitet. Daß in der Natur auch Viren, Gendefekte und Vulkanausbrüche vorkommen, daß Krankheit, Schmerz und Tod von Beginn an zum menschlichen Leben gehören - nicht nur die körperliche Selbstheilung -, wird mit

Stillschweigen übergangen. Eine ähnliche Verabsolutierung einer Teilwahrheit liegt auch bei der Vorstellung von einem "harmonischen Gleichgewicht in der Natur" vor.

B) Krankheit - nur eine "innere Angelegenheit"?

Die Idee von einer harmonischen Natur basiert auf einem ganz bestimmten Verständnis von Gesundheit: Gesundheit wird als ein natürlicher Zustand angesehen, den wir erleben, wenn wir ein Gefühl der Ganzheit, Ausgeglichenheit und Harmonie in uns selbst erfahren. Weil Gesundheit ein natürlicher Zustand ist - so das kurzschlüssige Argument -, muß die Natur daher selbst harmonisch und ganz sein.

Da für Esoteriker natürliche Gesundheit im Menschen beschlossen liegt und nur darauf wartet, freigesetzt zu werden, liegt es auch in der Macht des einzelnen. gesund zu sein und zu bleiben. Der sterbliche Leib ist auf dem Weg zur Vollkommenheit kein Hemmnis mehr. Hier liegt ebenfalls wieder eine gefährliche Vereinfachung vor.

c) Der Heiler: Positive und negative Energien

Im Zusammenhang mit Krankheit und Gesundheit wird oft auch von positiven bzw.
negativen Energien gesprochen. Dabei hat der Heiler oder Mittler eine wichtige
Funktion: Er soll die positiven Energien des Körpers bündeln und so die
selbsterneuernden Kräfte des Körpers freisetzen. Die moderne Physik gibt jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß Energien bestimmte Eigenschaften zukommen. Viel eher verbinden sich hier naturwissenschaftliche Aussagen (zu Materie und Energie) mit bestimmten philosophisch-religiösen Auffassungen (Dualismus von Gut und Böse). Innerhalb der Esoterik gibt es obskure Therapieformen wie z. B. Edelsteintherapie oder Geistheilung.

In der New Age-Therapieszene spielen vor allem "Schamanen" bzw. der "Schamanismus" eine wichtige Rolle. Unter Schamanismus versteht man den Glauben an Geisterbeschwörung, Krankenheilung und visionäre Kontakte mit dem Jenseits. Der New Age-Schamanismus hat nichts mehr mit den historischen Schamanen Sibiriens zu tun. Vielmehr geht es hier um ein Zusammenmischen unterschiedlichster Ideen. Bezüglich Heilung gilt es zu sagen, daß es sicher Heileffekte gibt, die bis jetzt nicht erklärt werden können. Problematisch, unverantwortlich und gefährlich ist jedoch, wenn Heilung von einem einzigen Teilaspekt abhängig gemacht wird. Hier wird auf Kosten der Patienten oft viel zu viel versprochen.



5. Kritische Anfragen in Richtung Esoterik

Zunächst gilt es zwischen "Hochesoterik" und "Pop Formen" der Esoterik zu unterscheiden. Unter Pop-Esoterik oder auch "Gebrauchsesoterik" ist ein loser Umgang mit esoterischen Angeboten zu verstehen, das Experimentieren mit "außerordentlichen" Mitteln und Techniken. Demgegenüber besagt der Ausdruck "Hochesoterik" oder "Systemesoterik", daß sich deren Anhänger einem gesamten weltanschaulichen System verpflichtet wissen (z. B. Theosophie oder Anthroposophie).

Intuition?

Innerhalb der Esoterik hat die "lntultion" große Bedeutung. Intuition meint, daß der Mensch unmittelbare Einsicht in bestimmte Sachen bekommt. In der neuen Esoterik bezieht sich die Intuition vor allem auf das "Selbst", auf den "neuen Menschen". In einer geistigen Schau "erfährt", erahnt der Suchende ein neues Bild seiner selbst. Diese "inneren" Leitbilder haben jedoch keine große Beständigkeit: Das Bild des Selbst, des neuen Menschen wandelt sich in den Stimmungen des Augenblicks.

Meist ist das neue Selbst all das, was der Mensch an sich selbst vermißt und was er an neuen Freiheiten ersehnt ("Projektionen").

In "drei Tagen" ins Innerste Geheimnis der Welt?

Viele Formen der heutigen Esoterik unterscheiden sich von der "Hoch- bzw. Systemesoterik". Während sich deren Anhänger auf eine neue Wahrheit, einen neuen Lebensstil und auf intensive Übungen einlassen, verspricht die "Gebrauchsesoterik" den Durchbruch ins tiefste Geheimnis des Selbst schon nach ein paar (kostenintensiven!) Seminartagen. Dahinter steht oft auch eine neue Art von Sucht, die Erlebnissucht: Wir leben in einer erlebnisarmen Welt, wo vieles geplant, vorstrukturiert und normiert ist. Auf dem Weg ins eigene Erleben kann der erlebnisarme Mensch daher leicht einer Erlebnissucht erliegen, wo anstelle von Rationalität "Kopflosigkeit" überhand nimmt.

Der eigene Innenraum wird absolut gesetzt?

Innerhalb der Esoterik gibt es kein kritisches Korrektiv gegenüber den persönlichen "Erfahrungen" bzw. keine kritische Instanz gegen das eigene Wunschdenken. Esoterik will Intuition statt Reflexion; Verantwortbar wäre hingegen Intuition mit Reflexion.

Ein einseitig harmonisches Weltbild?

In der Esoterik entspricht alles allem. Der Makrokosmos spiegelt sich im Mikrokosmos "Mensch" und umgekehrt. Alles ist daher miteinander verwandt und von Beginn an bereits heil, harmonisch, göttlich.

Wir sollen mit Hilfe der Esoterik demnach nur zu dem werden, was wir eigentlich schon sind. Das Gute, Schöne braucht nur mehr entdeckt und entsprechend gefördert zu werden.

Die Erfahrungen in der eigenen wie in der Menschheitsgeschichte, die Hervorbringungen der bildenden Kunst und der Literatur zeigen jedoch ein nicht so harmloses Bild vom Menschen. Vielmehr gehören Zerrissenheit, Schuld, Grenze, das Unabgeschlossene genauso wesentlich zur Wirklichkeit der Welt wie das Gute.

Anders die jüdisch-christliche Tradition: Der Schöpfungsglaube und die Auferstehungshoffnung drücken die Aufwertung von Mensch, Leben, Körper, Welt unmißverständlich aus: Das alles ist nichts Zufälliges, Vorläufiges. Es ist geliebt, gewollt, einmalig, hat Bedeutung, soll Bestand haben und nicht mehr vergehen. Durch diese Aufwertung von Welt und Mensch wird Verantwortung für das eigene Leben und die Gestaltung der Welt (gerade mit ihren Schwierigkeiten) begründet

Anstelle eines harmonischen Wegträumens also Einführung in Geschichte und Wellzugewandtheit Die Bibel verschweigt keineswegs die damit verbundenen Mühen, Schwierigkeiten und Rücksehritte (am Kreuz Jesu zeigt sich das sehr deutlich).

Wegträumen von den Schwierigkeiten?

In Bezug auf Esoterik entsteht nicht selten der Eindruck, daß Menschen sich von den
Schwierigkeiten des eigenen Lebens und der Welt "wegträumen" wollen: Die Überbetonung
der (inneren) Harmonie verweist darauf deutlich. Das hat zur Folge, daß Esoterik für
Handlungsorientierung, für Übernahme von Verantwortung, Lebens- und Weltgestaltung, für
den Umgang mit Schwierigem und Sperrigem unbrauchbar ist. Gerade dafür braucht es aber
Perspektiven, Kriterien, gediegene Orientierung (verantwortliche Weltzugewandtheit und
Gestaltung). Durch die Überbetonung bzw. Absolutsetzung der Innenschau (des Geistigen)
werden darüber hinaus wesentliche Elemente der Welt abgewertet: der Leib, gesellschaftliche
und politische Strukturen, Politik. Das alles ist bestenfalls zweitrangig und dient dem Geist,
der Seele als "Spielfeld", als "Sandkiste" der Bewährung.

Verstärkt Esoterik die "embryonale" Haltung?

Weil das Göttliche, das Wesentliche, das Heil in mir selbst liegt, ist die eigene "Nabelschau" (das Auf-sich-selbst gerichtet-sein) wichtig. Die Bibel betont demgegenüber "Beziehung", das Sich-Öffnen und Aufeinanderzugehen. Das hat wichtige Konsequenzen für die sogenannte "Selbstverwirklichung", denn: Mensch-Werdung (= Entwicklung und Entfaltung der Persönlichkeit) ist nur im Rahmen nicht vereinnahmender Liebe möglich. Innerhalb der Esoterik findet sich aber ein anderes Modell, nämlich der Pantheismus (= in allem ist das Göttliche). Es geht dementsprechend um ein Aufgehen und Verschmelzen mit dem All-Göttlichen. Daher ist das Ziel eine völlige Identifikation, das Auflösen der Persönlichkeit in etwas Vorgegebenes. Echte Chance zum Reifen, zur Bildung der eigenen Identität kann jedoch nur innerhalb einer personalen Beziehung gelingen, die den anderen Menschen in seiner Andersheit gelten läßt.

Die Bibel zeigt sehr eindrucksvoll die Höchstform dieser Beziehung, nämlich die Beziehung zwischen Gott und Mensch.

Der "Götze" Gesundheit?

Problematisch ist die "Vergötzung" von Gesundheit, denn: Was ist, wenn die leistungsstarken Jahre vorbei sind? Was gibt dann Orientierung? Trägt dann noch diese "Gesundheitsideologie"? Darüber hinaus wecken bestimmte absolutgesetzte Vorstellungen (z.B. sanfte, harmonische, heilende Natur) Hoffnungen und Sehnsüchte, die meistens nicht erfüllt werden können. Kann der Mensch in solchen Situationen dann trotzdem noch einen Sinn finden? Was hilft ihm dabei wirklich? Unverantwortlich ist auch die Reduktion der Gesundheit bzw. Krankheit auf einen einseitigen Faktor ["Krebsheiler" Hamer bzw. "Olivia Pilhar"].

Gesundheitsverständnis?

Auffallend ist, daß im gegenwärtigen Verständnis von "Gesundheit" das mögliche Scheitern, das Begrenzt-Sein, sowie der Umgang mit Leid und Tod ausgeblendet sind. Hier aber wären echte Reifungsfelder gegeben. Gerade die bewußt gelebte (und nicht verdrängte) Begrenztheit des Menschen macht klar, daß Schmerz, Krankheit, Ohnmacht und Tod integrale Bestandteile des Lebens sind.

Die Fähigkeit, alle wesentlichen Elemente des Lebens anzunehmen, sie so gut wie möglich zu bewältigen und sich nicht davon wegzuträumen, ist daher eine Grundlage der Gesundheit und gehört zum Gelingen des Lebens.



Anders der christliche Auferweckungsglaube:



In der biblisch-bildlichen Rede von der"Auferstehung des Leibes" soll zum Ausdruck kommen, daß Gott das gesamte, einmalige menschliche Leben in seiner Unabgeschlossenheit, mit seinen Höhen und Tiefen, mit seinen Freuden und Wunden annimmt, heilt und vollendet. Während die Auferweckungshoffnung "Heil" also von der Begegnung mit einem liebenden und vergebenden Gott her denkt, spielt im Wiedergeburtsglauben "Zuwendung" keine Rolle. Vielmehr rechnet hier ein unpersönliches Karmagesetz alles auf.

Wiedergeburt?

Für viele im Westen ist der Gedanke an eine Weiterentwicklung (der Persönlichkeit, des Geistes, der Seele) Grund für ihren Wiedergeburtsglauben. Dementsprechend reicht ein einziges Leben für das Vollkommen-Werden nicht aus. Es braucht dazu mehrere Existenzen. Der Reiz dieser Idee liegt darin, daß der einzelne selbst für seine Vervollkommnung verantwortlich ist. Im Hintergrund steht der Optimismus, daß alles einmal perfekt sein wird, daß sich alles zum Guten, Höheren, Edlen hin entwickelt und der Mensch einmal uneingeschränkt gut sein wird.

Hier begegnet man also wieder einem sehr einseitigen Menschenbild. Zum Menschsein gehört nun einmal das Unvollkommene, auch wenn er zum x-ten mal wiedergeboren werden würde. Eine Anfrage in bezug auf die Wiedergeburtsidee ergibt sich auch in Hinblick auf die Einmaligkeit eines Lebens. Innerhalb des Reinkarnationsgedankens hat die unverwechselbare, einzigartige Identität, die sich im Laufe eines Lebens herausgebildet hat, keine bleibende Bedeutung. Der Mensch wird stattdessen halbiert gedacht. Ein Teil von ihm ist austauschbar!

Gottesverständnis?

Der entscheidende Unterschied zum Christentum liegt im Gottesverständnis. Innerhalb der Esoterik gibt es keinen personalen Gott, sondern ein unpersönliches göttliches Prinzip oder göttliche Energie. Das hat Auswirkungen auf das eigene Selbstverständnis, auf das Verständnis von Heil, auf Welt- und Menschenbild, auf die konkrete Gestaltung des Lebens. Letztlich prägt das Gottesverständnis die Haltung des Menschen: Der sich auf ein "Du" hin öffnende, hörende, beziehungsfreudige Mensch steht dem auf sich selbst konzentrierten Menschen gegenüber.

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