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Ex-Scientology-Leiter Österreich


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keine Hoffung mehr

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"Die würden sich freuen, meinen Kopf auf einem Stangel zu sehen"


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Rolf

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"Die würden sich freuen, meinen Kopf auf einem Stangel zu sehen"







Interview | Michael Matzenberger, 6. Juli 2012



Wilfried Handl war 28 Jahre lang Mitglied von Scientology. Nach seinem Ausstieg wurde er zur "unterdrückerischen Person" erklärt und verlor den Kontakt zu seiner Familie.


Aussteiger brachten seit den 1970er Jahren immer wieder Teile der Scientology-Lehre ans Licht. Demnach soll "Fürst Xenu" die Menschen vor 75 Millionen Jahren in Form ihrer Seelen ("Thetane") zur Erde gebracht haben. Transportmittel der Wahl waren raketengetriebene Flugkörper mit der äußeren Form von Douglas-DC8-Maschinen.


Wilfried Handl trat im Alter von 20 Jahren Scientology bei. Während seiner 28-jährigen Mitgliedschaft kletterte er innerhalb der Organisation steil nach oben und leitete ein Jahr lang Scientology Österreich. Nach einer Krebserkrankung stieg er vor mehr als zehn Jahren aus, seit 2005 tritt er als öffentlicher Kritiker der Bewegung auf. Zuletzt etwa verbreitete und kommentierte er einen Teil der von Anonymous Austria gekaperten Scientology-Mails in seinem Blog. Mit derStandard.at sprach Handl über die Inhalte des Schriftverkehrs, die gegen ihn eingebrachte Unterlassungsklage und die Folgen seines Ausstiegs.

derStandard.at: Laut Eigenbezeichnung bietet Scientology "angewandte religiöse Philosophie" - was ist die Bewegung in Ihren Augen?

Handl: Ein totalitärer Psychokult. Der Eigenbegriff ist so ernst zu nehmen wie Nordkorea, das sich "demokratische Volksrepublik" nennt.

derStandard.at: Gegner reduzieren die Ziele von Scientology auf Macht und Geld. Ist es so simpel?

Handl: Diese Dinge stehen natürlich ganz weit oben. Das letzte Ziel von Scientology ist es, die Welt zu einer Scientology-Welt zu machen. Das ist keine Formulierung von mir, sondern von Scientology. Es geht um die totale Kontrolle von Politik, Wirtschaft und Medien. Kontrolle ist das übergeordnete Prinzip.

derStandard.at: Die Organisation bezeichnet sich als "Church of Scientology". Welche religiösen Aspekte bleiben?

Handl: Der Aspekt, dass Kirchen steuerbefreit sind.

derStandard.at: In Österreich ist Scientology nicht als Religionsgemeinschaft anerkannt. Seit 2002 genießt man als Verein mit gemeinnützigem Zweck aber die gleiche Steuerbefreiung. Warum hat der Staat kein Interesse an den Gewinnen, die eine solche Organisation mit internationalen Konzernstrukturen macht?

Handl: Das kann ich auch nicht nachvollziehen. Interessant ist in dieser Hinsicht aber, dass Scientology durchaus das Recht hätte, sich als Bekenntnisgemeinschaft zu bewerben. Dann würde der Verein mehrere Jahre lang beobachtet und könnte wie zuletzt die Zeugen Jehovas offiziell anerkannt werden. Beobachtet zu werden ist aber natürlich das Letzte, was Scientology will.

derStandard.at: Wenn in internen Mails das Vorhaben geäußert wird, "geistige Gesundheit für Österreich zu schaffen", dann erinnert das an die Wortpropaganda totalitärer Systeme. Sollte nicht der Verfassungsschutz ein Auge auf Scientology werfen?

Handl: Man vergisst immer, dass das sowieso passiert. Das Landesamt für Verfassungsschutz in Wien hat Scientology, wie andere Sekten auch, immer beobachtet.

derStandard.at: Die Sprache bei Scientology ist eine ganz eigene. Wortkreationen und Abkürzungen können Außenstehende oft nicht entschlüsseln, manche Begriffe erhalten eine Bedeutungsverschiebung. Was hat es damit auf sich?

Handl: Lesen Sie "1984" von George Orwell, und Sie haben die Antwort. Es ist nichts anderes als Neusprech, dafür gibt Scientology jeweils ein technisches und ein administratives Wörterbuch heraus. Wie "Big Brother" betreibt Scientology auch ein Wahrheitsministerium.

derStandard.at: An "Celebrity Centres" dachte Orwell aber nicht. Die sollen Personen des öffentlichen Lebens als Imageträger für Scientology anwerben. In den USA gelingt das mit Schauspielern und Sportlern ganz gut. In Österreich wurde in den geleakten Mails Richard Lugner in Zusammenhang mit Scientology gebracht. Wissen Sie von anderen prominenten Beispielen?

Handl: Gegründet wurde das Wiener "Celebrity Centre" in den 1970er Jahren von Gottfried Helnwein. Damals gab es ein paar bekannte Namen, vor allem aus der intellektuellen Künstlerszene, von denen aber niemand lange dabei blieb. Das hat sich ziemlich rasch verflüchtigt.

derStandard.at: Wenn Sie von prominenten österreichischen Scientologen wüssten, würden Sie sie outen?

Handl: Das kommt darauf an. In meiner Definition gibt es zwei Bereiche, wo ich relativ gnadenlos bin: Bildung und Gesundheit. In den Mails gibt ein Wiener Arzt zu, das Vertrauensverhältnis zu Patienten gebrochen zu haben. Ich finde es richtig, das zu veröffentlichen, auch wenn ich weiß, dass er damit keine Freude hat. Die Ärztekammer ermittelt und er könnte die Approbation verlieren. Wenn einer Musiker ist, mache ich das sicher nicht.

derStandard.at: Das Hauptquartier von Scientology Österreich liegt im Tiefparterre eines Mehrparteienhauses in Wien-Mariahilf. In einigen der durchgesickerten Mails wird die Suche nach einer neuen Zentrale besprochen. Müssen wir uns auf einen repräsentativen Sakralbau in Wien einstellen?

Handl: Ich habe spekuliert, dass sich hinsichtlich einer sogenannten "idealen Organisation" hier in Wien etwas tun könnte. Jetzt haben wir es schwarz auf weiß. Ich könnte mir schon vorstellen, dass jemand eines der nicht gerade überbelegten Palais in der Innenstadt verkauft, wenn die das Geld auf den Tisch legen.

derStandard.at: Es wird in Mails auch auf unverfängliche Veranstaltungen hingewiesen, zum Beispiel auf den "Internationalen Marsch für Menschenrechte" in Kooperation mit dem Flüchtlingsprojekt Ute Bock. Ist Scientology vielleicht doch nicht grundböse?

Handl: Das ist das klassische Good-Will-Prinzip, wie es die Mafia in Italien eingeführt hat: Keiner sieht, dass sie Drogenhändler und Auftragsmörder sind, aber jeder sieht, dass sie eine neue Schule bauen, der Kirche eine Glocke spendieren oder den Armen bei Mietrückständen helfen. Mit scheinbar guten Dingen versucht Scientology, sich in der Bevölkerung zu verankern. Wenn die sich bei Ute Bock anlehnen - die wahrscheinlich gar nicht weiß, mit wem sie da marschiert -, dann ist das außerdem eine gute Strategie, um neue Mitglieder anzuwerben.

derStandard.at: Oft hört man im Zusammenhang mit Sekten, dass sie es schaffen, Menschen aus allen Alters-, sozialen und Berufsschichten zu rekrutieren. Trifft das auch auf Scientology zu?

Handl: Auf jeden Fall. Quer durch die Bank.

derStandard.at: Gibt es einen gemeinsamen Nenner, der den Beitritt aller Neumitglieder charakterisiert?

Handl: Jeder hat Momente im Leben, wo er nicht gut drauf ist, unsicher und empfänglich. Das ist der gefährliche Moment. Bei vielen kommt dann die Neugier dazu. Und sobald man in einer Eins-zu-eins-Situation einem Scientologen gegenübersitzt, beginnt der mit einer extremen Form der Gehirnwäsche, die er tadellos beherrscht.

derStandard.at: Gibt es niemanden, der davor gefeit ist, Scientology-Mitglied zu werden?

Handl: Es gibt zwei Gruppen, bei denen es sehr unwahrscheinlich ist. Die, die schon in einer Sekte sind - denn wechseln werden die wenigsten. Und Leute mit Berufen, die auf der schwarzen Liste stehen, wie Journalisten, Polizisten oder Richter.

derStandard.at: "Xenu", der Herrscher der "Galaktischen Konföderation" aus 76 Planeten, brachte die Seelen der Menschen vor 75 Millionen Jahren in DC-8-baugleichen Flugmaschinen zur Erde. Damals hieß unser Planet noch "Teegeeack". Laut gerichtlich beeideten Aussagen von Aussteigern ist das Teil der Scientology-Lehre. Was drängt Menschen dazu, aberwitzige Science-Fiction-Inhalte als Wahrheit zu verteidigen?

Handl: Ich war damals noch nicht auf der relevanten Stufe OT III, um diese Geschichte zu erfahren. Meine Frau schon, sie durfte mir aber nicht davon erzählen. Wenn man so lange dabei ist, will man diese Dinge einfach glauben. Dann ist man im Wortsinn willenlos. Hätte ich diese Geschichte schon am Anfang gekannt, dann wäre ich nie Mitglied geworden.

derStandard.at: Wie kam es zu Ihrem Ausstieg?

Handl: 1999 war ich auf der Stufe "Clear" und hätte nicht einmal mehr einen Schnupfen kriegen dürfen. Trotz der Diagnose Hodenkrebs bin ich nach der Behandlung zur Tagesordnung übergegangen. 2001 habe ich Blut gespuckt und nach und nach wurden Metastasen in der Nebenniere, Leber, Lymphknoten, beiden Lungenflügeln und im Kopf gefunden. Ich war so abgemagert, dass ich am blanken Knochen gesessen bin. Mir war klar, ich musste etwas ändern, und weil Scientology das Einzige in meinem Leben war, änderte ich das. Ich bin ausgestiegen und war schließlich drei Jahre mit dem Krebs beschäftigt, aber die Chemotherapie hat angeschlagen.

derStandard.at: Ein Ausstieg gleicht dem Bruch mit den scientologischen Familienmitgliedern.

Handl: Ich wusste, wenn ich diesen Schritt setze, werde ich zur "unterdrückerischen Person" erklärt, und meine Frau darf keinen Kontakt mehr zu mir haben. Ich habe ihr die Entscheidung mitgeteilt, und ihre Reaktion war: "Die erste männliche Tat von dir seit Jahren." Da hab' ich geschaut. Wir ließen uns scheiden, sie lernte einen reichen Amerikaner kennen und hat unsere zwei jüngeren Söhne mit in die USA genommen. Später ist auch der Ältere hinüber, und in den letzten Jahren ist der Kontakt zu den Jungs, die aber keine Mitglieder sind, komplett abgebrochen.

derStandard.at: Beobachten Sie heute an sich noch Spätfolgen aus der Zeit bei Scientology?

Handl: Kaum mehr. Es hat zwei bis drei Jahre gedauert, um mir die Sprache weitgehend abzugewöhnen, auch wenn manchmal noch scientologische Worte aufblitzen. Wer bei den Anonymen Alkoholikern war, sagt selbst nach Jahrzehnten ohne Rückfall: "Mein Name ist Soundso und ich bin Alkoholiker." So werde auch ich bis an mein Lebensende sagen müssen: "Mein Name ist Wilfried Handl und ich bin Scientologe."

derStandard.at: Wie hoch schätzen Sie Ihr Insiderwissen zehn Jahre nach dem Ausstieg noch ein?

Handl: Sehr hoch. Ich wusste während meiner aktiven Mitgliedschaft vielleicht zehn bis 15 Prozent von dem, was ich heute weiß. Dank des Internets und vor allem dank Wikileaks habe ich einen relativ klaren Überblick.

derStandard.at: Halten Sie das Hacken interner Mails für ein redliches Mittel?

Handl: Auf der einen Seite wäre es mir wie jedem anderen auch nicht recht, wenn mein Mailverkehr veröffentlicht würde. Auf der anderen Seite ist Scientology aber nicht jeder. Ein niederländisches Gericht hat der Kritikerin Karin Spaink in den 1990er Jahren erlaubt, über die sogenannten OT-Stufen zu schreiben. Wegen der dort behaupteten Ungeheuerlichkeiten wurde das öffentliche Interesse höher bewertet als die Schutzbedürftigkeit der Informationen.

derStandard.at: Nachdem Sie einige der geleakten Mails auf Ihrem Blog veröffentlicht haben, hat Scientology Sie auf Unterlassung geklagt. Haben Sie sich damit vielleicht zu weit aus dem Fenster gelehnt?

Handl: Es war mir klar, dass ich mich auf dünnem Eis bewege. In Österreich ist dieser Fall nicht wirklich ausjudiziert. Eine einstweilige Verfügung, die Scientology gegen mich zusätzlich erwirken wollte, hat ihnen die Richterin aber gleich abgedreht. Was immer der Hauptprozess bringen wird, vor den persönlichen Konsequenzen habe ich keine Angst. Ich setze mich von mir aus auch ins Gefängnis.

derStandard.at: Scientology unterhält mit dem Office of Special Affairs (OSA) den laut Insidern größten privaten Geheimdienst der Welt. Warum braucht, was sich als Religion bezeichnet, einen Geheimdienst?

Handl: Bald nach der Gründung haben die Regierungen begonnen, Scientology zu untersuchen. Schon da hat Hubbard festgestellt, dass er zur Abwehr, Vertuschung und Gegenspionage einen Geheimdienst braucht. Heute steuert OSA als wichtige Schaltzentrale neben investigativen Bereichen auch die Öffentlichkeitsarbeit und Tarnorganisationen wie "Narconon" oder "Jugend für Menschenrechte".

derStandard.at: Interne Verfehlungen von Mitgliedern sollen in Straflagern vergolten werden - teils mit Folter.

Handl: Es gibt weltweit Stützpunkte der paramilitärischen Teilorganisation "Sea Org", die Hubbard kurz nach OSA gegründet hat. Deren Straflager sind Gulag-ähnlich, und wer dort einsitzt, soll gebrochen werden. Gebrochen und neu aufgebaut. Ein Bootcamp der GIs ist dagegen ein liberaler Debattierklub.

derStandard.at: Es gibt Gerüchte über mysteriöse Todesfälle von "Unterdrückern", also Kritikern und Aussteigern. Oder auch über die Inszenierung von Straftaten, wie im Fall Paulette Cooper. Haben Sie, der als "mainattacker" bezeichnet wird, gar keine Angst vor Scientology?

Handl: Vom Potenzial her haben die alles drauf. Aber in Österreich können sie das nicht machen, weil hier die Rahmenbedingungen anders sind als in den USA. Sicher würden sie sich freuen, meinen Kopf auf einem Stangel zu sehen. Aber nach meiner Krebserkrankung habe ich mir Angst abgewöhnt. Außer die vor Spritzen. Und ich habe beobachtet: Öffentlichkeit schützt. Deshalb werde ich auch vom Prozess bloggen.

derStandard.at: Ich muss also keine Angst haben, dieses Interview namentlich zu kennzeichnen?

Handl: Schauen Sie, als Journalist gehören Sie ohnehin schon zu den 20 Prozent böser Menschen, die es laut Scientology gibt, und sind zum Abschuss freigegeben. Egal ob Sie Ihren Namen dazuschreiben oder nicht. (Michael Matzenberger, derStandard.at, 6.7.2012)


Wissen


Der Science- und Pulp-Fiction-Autor Lafayette Ronald Hubbard gründete 1954 die "Church of Scientology". Weltweit gibt es heute geschätzte 60.000 bis 100.000 aktive Scientologen. In Österreich steht die Mitgliederzahl laut Handl bei rund 500, laut Pressesprecherin Angelika Thonauer bei 5.000 bis 7.000 Menschen
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