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Die Jungfrau weint Männerblut


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Rolf

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Skeptiker und Wunder Gottes






Die Jungfrau weint Männerblut






Das Grabtuch von Turin, ein weinende Marienstatue in Rom und andere Gotteszeichen: Moderne Skeptiker glauben nur das, was sich mit wissenschaftlichen Mitteln beweisen lässt.


Der Mann, der die Mutter Maria entzauberte, lächelt schelmisch. Seine Augen blitzen hinter dem schwarzen Brillengestell. Vielleicht, weil er schon so manchem Wundergläubigen den Spaß verdorben hat. Luigi Garlaschelli, klein, schlank, königsblaues Jackett, wird von seiner Gemeinde dafür gefeiert, dass er paranormale Phänomene in die Welt der Vernunft überführt. Auf der sechsten Welt-Skeptiker-Konferenz in Berlin bekam er am Wochenende den europäischen Skeptiker-Award. Denn dafür vernetzen sich Skeptiker in der ganzen Welt: Sie wollen erklären, was scheinbar unerklärlich ist. Sie glauben nur das, was sich wissenschaftlich beweisen lässt.


Garlaschelli ist eigentlich Professor für Chemie und beschäftigt sich an der italienischen Universität Padua mit einer speziellen Form von Molekülen. Nebenbei aber entlarvt er die Zeichen Gottes als irdische Tricks.


So zum Beispiel das Wunder von Neapel. Jedes Jahr strömen die Menschen dorthin, um zu sehen, wie sich das getrocknete Blut des heiligen Januarius verflüssigt. Seit Jahrhunderten bewahrt es die Kirche in einer reich verzierten Ampulle auf. Am Tag des Blutwunders wird sie über dem Altar gedreht. In seinem Labor mischte Garlaschelli aus Eisenchlorid, Kalziumcarbonat, Salz und Wasser ein Kunstblut. Eine Mixtur, die schon im Mittelalter möglich war. Mit der Zeit verdickt die Substanz. Dreht und schüttelt man sie aber, wird sie wieder flüssig.


Mysteriöse Gotteszeichen


Auch weinende Marienstatuen kann der Chemiker schlecht dulden. Eine davon stand im Garten des Elektrikers Fabio Gregori im kleinen Ort Civitavecchia bei Rom. An einem Feiertag liefen der Madonna auf einmal Blutstropfen aus den Augen. Der Bischof sprach bereits von einem Wunder. Doch eine DNA-Analyse zeigte: Die Jungfrau Maria vergoss männliche Tränen. Vermutlich war es das Blut des Elektrikers, doch der weigerte sich einen DNA-Test zu machen.

Weinende Madonna von Civitavecchia

Die Marienstatue im italienischen Ort Pontano, der neben Civitavecchia rund 60 Kilometer von Rom entfernt liegt, soll vor zehn Jahren das erste Mal blutige Tränen geweint haben. Laut einer Theologenkommission handelte es sich dabei um echtes Blut.

Blutwunder

Das angebliche Blut des Heiligen Januarius wird im Dom von Neapel aufbewahrt. Werden die Ampullen in die Nähe des Hauptes gebracht und dort gedreht und gewendet, dann erscheint das getrocknete Blut flüssig.

Turiner Grabtuch

Das Leinentuch soll den Ganzkörper-Abdruck des toten Jesus zeigen. Gläubige gehen davon aus, dass Jesus in diesem Tuch nach der Kreuzigung begraben wurde und sich sein Antlitz deshalb im Stoff widerspiegelt. Zahlreiche Untersuchungen konnten bisher nicht belegen, ob der Abdruck echt ist oder woher er kommt. Die Verehrung des Tuches wurde im späten 19. Jahrhundert dadurch verstärkt...

Die Skeptiker der Antike bezweifelten die Möglichkeit jeder objektiven Erkenntnis des Menschen. Im Gegensatz dazu glauben die modernen Skeptiker, dass die Welt nur mit Hilfe der Wissenschaft erklärbar ist.

1976 gründete der Philosophie-Professor Paul Kurtz das Committee for Skeptical Inquiry. Mittlerweile gibt es solche Organisationen auf allen Kontinenten.

In Deutschland sind die Skeptiker durch die „Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften“ (GWUP) vertreten. Sie wurde 1987 gegründet und hat rund 1100 Mitglieder. Viermal im Jahr gibt sie die Zeitschrift „Skeptiker“ heraus.

Große Aufmerksamkeit erregte Garlaschelli mit seiner Kopie des Turiner Grabtuchs, das angeblich den Körperabdruck des toten Jesus zeigen soll. Der Italiener ließ einen Leinenstoff durch Waschen und Kochen künstlich alter und behandelte einen Studenten mit einer Pigmentpaste. Der Jesus-Vertreter drückte seinen Körper auf das Tuch. Schließlich versah er den Stoff mit Brandlöchern und Blutflecken. Die Kopie sieht dem Original erstaunlich ähnlich „Damit haben wir gezeigt“, sagt Garlaschelli, „dass ein kompletter Körper durch einfache Frottagetechnik auf ein Tuch übertragen werden kann.“


Doch religiöse Wunder sind nicht das einzige, über das sich die Skeptiker bei ihrem Treffen in Berlin unterhalten. Sie haben sich gegen so ziemlich alles verschworen, was sich nicht wissenschaftlich belegen lässt. Und das ist rund 250 Jahren nach der Aufklärung erstaunlich viel: Kreationismus, Astrologie, Geisterbeschwörer, Gedankenlesen, Weltuntergänge, UFOs, Homöopathie, Esoterik-Gurus.

In den USA haben Skeptikerorganisationen namhafte Wissenschaftler in ihren Reihen, etwa den Physiker und Nobelpreisträger Steven Weinberg. In Berlin waren keine großen deutschen Forscher unter den Rednern. Vielleicht, weil das Feld der Skeptiker einfach zu weit ist, vielleicht, weil ein Mann zwischen den Vorträgen auf der Bühne steht und einen Anti-Homöopathie-Song singt, bei dem alle eifrig mitklatschen. Vielleicht aber auch, weil der Star des Kongresses kein Wissenschaftler ist, sondern Zauberer. Mit seinem weißen Rauschebart hätte der US-Amerikaner problemlos den weisen Gandalf im Film „Herr der Ringe“ spielen können. Auf einen Stock gestützt, bewegt sich der 84-Jährige zum Podium. Sein Kopf ragt gerade so über das Rednerpult. „Die Menschen machen so ihre Annahmen“, sagt er, als der donnernder Applaus verebbt ist. „Jeder von ihnen geht davon aus, dass ein alter Mann wie ich eine Brille mit echten Gläsern trägt.“ Randi nimmt die Brille ab und setzt sich eine andere auf. „Das war Fensterglas“ , setzt er nach. „Seien sie skeptisch. Glauben Sie nicht alles“, mahnt er.

Eine Million für paranormale Fähigkeiten

1996 lobte Randi einen Wettbewerb aus: Derjenige, der ihm beweisen könne, dass er paranormale Fähigkeiten habe, bekommt eine Million Dollar, die auf dem Konto einer Stiftung liegen. Seitdem melden sich immer wieder Menschen, die sich Randis wissenschaftlich kontrollierten Testbedingungen stellen – und immer wieder durchfallen. Das Geld ist nach wie vor unangetastet. „Einige wenige sind danach sogar bekehrt“, sagt Randi.

In den 80er-Jahren zeigte er mit einem Experiment, dass Parapsychologen bei ihren Versuchen leicht zu täuschen sind. Randi brachte zwei Jungen einige Zaubertricks bei. Er schulte sie darin, mit mentalen Kräften Metall zu verbiegen, fotografische Filme zu belichten und Objekte zu bewegen. Danach schleuste er sie am McDonnell Laboratory for Psychical Research an der Washington University in St. Louis ein, wo Forscher versuchten, durch Tests paranormale Fähigkeiten nachzuweisen. Randis Zauberschüler bestanden die Prüfungen. Die Wissenschaftler glaubten, einen Beweis für übernatürliche Fähigkeiten gefunden zu haben. Nachdem Randi den Schwindel auffliegen ließ, wurde das Labor geschlossen.

Magnet gegen Hitzewallungen

Wer denkt, dass bei soviel reiner Vernunft kein Platz für Humor ist, der irrt. Die Welt der Esoterik hält einiges an Komik bereit. Auf der Leinwand erscheint eine Packung mit einem blauen Stein namens „Menopause Magnet“. Eine große englische Drogeriekette verkauft ihn an Frauen in den Wechseljahren. Die Anleitung zeigt: Die Frauen sollen den Magnet einfach in den Slip legen. Dort wirke er gegen Hitzewallungen Stimmungsschwankungen und Schlafstörungen. Für die Skeptiker nur eines von vielen Produkten, mit denen unter Vortäuschung angeblich wissenschaftlicher Erkenntnisse Menschen das Geld aus der Tasche gezogen werde. Die Skeptiker sehen sich auch als Verbraucherschützer.

Auch der Forschungszweig der Evolutionären Psychologie erntet Gelächter. So beschäftigte sich die Manchester Metropolitan University mit dem Einkaufsverhalten von Frauen und verlautete: Frauen ziehe es deshalb mehr ins Shopping-Center als Männer, weil sie sich schon in der Steinzeit in Höhlen aufhielten. „Wir wissen viel zu wenig über den Menschen in der Steinzeit“, sagt die Feministin Rebecca Watson, die eine skeptische Radiosendung moderiert. Bekannt sei aber, dass es auch Jäger- und Sammler-Kulturen gegeben habe, bei denen die Frauen jagen gingen. Studien wie die der britischen Forscher jedoch seien nichts anderes als Pseudowissenschaften, die Stereotype der Geschlechter verstärkten.

Zum Abschluss der Berliner Konferenz lässt sich Stargast James Randi noch mit einem dicken Seil einschnüren und zeigt einige Tricks der Entfesselungskunst. Wie das funktioniert, verrät er nicht. Dafür ist er wohl zu sehr Zauberer. Ein Mann im Publikum steht auf, um sich bei James Randi zu bedanken. „Sie haben mich inspiriert. Sie haben mir hier soviel Energie gegeben“, sagt er. Das klingt ja fast nach Guru.

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