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Die Ehe hält


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Rolf

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Die Ehe hält






Nie zuvor war es in Deutschland so leicht, den Bund fürs Leben zu verlassen. Aber die meisten bleiben.

Selten waren wir Deutschen gleichzeitig so beliebt, erfolgreich und zufrieden. Es ist fast egal, ob man mit Glücksforschern, Konjunkturexperten oder einfach mit Touristen am Brandenburger Tor oder am Kölner Dom spricht, die Tonlage ist gleich. Neuerdings gelten wir als sympathisches, entspanntes Volk, als cool Alemannia, das von der Kurzarbeit bis zum Fußball eine Menge richtig macht. Auch wenn die Südeuropäer die deutsche Sparpolitik nicht mögen – in internationalen Beliebtheitsumfragen stehen die Deutschen seit ein paar Jahren auf dem ersten Platz.

In der Liste der Erfolge gibt es allerdings einen großen blinden Fleck, einen Lebensbereich, der gemeinhin als schwierig gilt oder zumindest als weniger harmonisch und beglückend als in früheren Zeiten: das Ehe- und Familienleben. Über steigende Scheidungsraten wird geklagt, über 40 Prozent Single-Haushalte und darüber, dass jede dritte Beziehung scheitert.

Auf diese Weise entsteht ein falsches Bild. Es gibt nämlich keinen Abschied von der Ehe. Die Fakten stimmen zwar, aber die damit verbundene Botschaft stimmt nicht.

Die Single-Haushalte erklären sich unter anderem dadurch, dass in Deutschland vergleichsweise wenig junge Erwachsene im »Hotel Mama« wohnen. Außerdem leben in Deutschland mehr alte Frauen allein, weil in der Kriegsgeneration die Männer fehlen. Die Zahl der Scheidungen steigt sehr langsam. Richtiger wäre es, zu sagen: Die Trennungszahlen sind seit Langem fast konstant – und das auf niedrigem Niveau. 1985 wurden 179.000 Ehen geschieden, im Jahr 2010 waren es 187.000. Die durchschnittliche Dauer einer Ehe vor der Scheidung stieg während der vergangenen zehn Jahre sogar, von elf auf vierzehn Jahre.

Drei Viertel aller Kinder wachsen mit beiden Eltern auf

Es gibt also keinen Bindungsüberdruss; keine Statistik belegt, dass immer mehr Menschen ihre Partner oder ganze Familien leichtfertig verlassen. Zwei von drei Ehen in Deutschland enden durch den Tod eines Partners, drei Viertel aller Kinder wachsen mit beiden Eltern auf. Die Wahrscheinlichkeit zu heiraten ist für Geschiedene sogar größer als für Singles – wer die Ehe erlebt hat, will offensichtlich nicht ohne sie sein. Dabei ist eine Bindung bis zum Tod in einer alternden Gesellschaft ein ehrgeizigeres Vorhaben als früher, nicht selten ein Projekt für vierzig oder fünfzig Jahre.

All das lässt sich als phänomenaler Erfolg der Institution Ehe verstehen. Schließlich gab es noch nie einen so geringen ökonomischen und gesellschaftlichen Druck, eine Beziehung weiterzuführen wie heute. Mehr und mehr Frauen verdienen ihr eigenes Geld und brauchen keinen Ernährer an ihrer Seite. Das Unterhaltsrecht wurde reformiert und macht für Männer den Abschied aus der Ehe einfacher. Scheidungskinder brauchen in der Regel kein Mobbing in der Schule mehr zu befürchten, Eltern und Freunde machen seltener Druck, auch im Beruf schadet eine Trennung weniger als früher.

Nie war es so leicht, zu gehen – doch die allermeisten bleiben.


Wir gefallen nicht nur den Nachbarn, sondern auch einander besser
Im Grunde ist es ja nicht überraschend, dass vieles, was Partnerschaften erschwert, Männer und Frauen gleichzeitig auch zusammenschweißt. Unsichere Jobs, ständige Umzüge in neue Städte, vielleicht dazu noch eine Kindheit in einer wackligen Familiensituation – alle Unsicherheiten, die Paaren zusetzen, stärken oft gleichzeitig den Wunsch nach privater Stabilität. Die Gründe für die Sehnsucht und die für das Scheitern sind die gleichen.

Und es spricht einiges dafür, dass der Zusammenhalt von Paaren in Zukunft sogar stärker wird. Wer nicht zusammenfinde, gehe schneller auseinander als früher – übrig blieben mehr Zufriedene, hieß es gerade in einer Untersuchung des Instituts für Demoskopie in Allensbach.

Es sieht also gut aus für die Ehe. Was ließe sich daraus lernen? Die Deutschen können zum Beispiel entspannt darüber hinwegsehen, dass der künftige Bundespräsident Joachim Gauck mit seiner Lebensgefährtin nicht verheiratet und von der Mutter seiner Kinder nicht geschieden ist. Man muss Gaucks Modell nicht mögen, es genügt, es zu akzeptieren. Alles spricht dafür, dass die Deutschen den Präsidenten nicht als Vorbild für ein glückliches Privatleben brauchen.

Zu lernen wäre zweitens, dass Ehe und Familiengründung offenbar weniger miteinander zu tun haben, als oft unterstellt wird. Die Deutschen haben stabilere Ehen als die Amerikaner und heiraten häufiger als die Franzosen. Trotzdem haben sie weniger Kinder. Unsere Bindungsfreude hat bisher an den absehbaren Problemen durch Alterung und Schrumpfung der Bevölkerung nichts geändert. Die Geburtenrate in Deutschland gehört zu den niedrigsten der Welt. Wer sie erhöhen will, sollte die finanzielle Förderung auf Kinder statt auf Ehepaare konzentrieren.

Drittens könnten die Wahrheiten über die deutschen Ehen bewirken, dass auch wir selbst unser Land mehr mögen als bisher. Wir gefallen nicht nur den Nachbarn, sondern auch einander besser und dauerhafter als gedacht! Wie wunderbar! Wie befreiend! In den vergangenen Jahren haben Berichte über Kinderarmut, Alleinerziehende und Scheidungsdramen oft wie Verhütungsmittel gewirkt. Die Ehestatistik ist ein Grund, weniger Angst vor der Zukunft zu haben. Spricht sich der Befund erst einmal herum, klappt es wahrscheinlich auch mit dem Kinderkriegen besser als bisher.



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