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Nehmt euch der Kirche an: Glaubensfestigkeit ist gefragt


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Rolf

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Kirche und Welt






Nehmt euch der Kirche an: Glaubensfestigkeit ist gefragt





Der Ruf nach einer konsequenten Entflechtung von Kirche und Staat wird immer lauter. Er erschallt nicht nur vonseiten säkularer Kritiker, sondern auch in der Kirche selbst. Doch dazu braucht es Glaubensfestigkeit


Gott wäre nicht Mensch geworden, wenn er die Verweltlichung abgelehnt hätte. Schon dass Jesu Geburt zuerst den Hirten und nicht den Priestern mitgeteilt wird, verrät, dass Gott die religiöse Sphäre nicht von der weltlichen abtrennen wollte. "Allem Volk" ist große Freude widerfahren, sagt der Engel. Die Hirten dann "breiteten das Wort aus", trugen es in die Welt. Wobei diese Ausbreitung später auch deshalb gelang, weil die Christen sich mit Rom und dann den mittelalterlichen Königen einließen - um den hohen Preis der Inkonsequenz und der Abhängigkeit von Macht.

Schon Paulus konnte seinen Zwiespalt von apostolischer Sendung und römischem Bürgerrecht nie ganz auflösen. Derzeit werden diese Widersprüche wieder neu angesprochen, ja, aus Sicht der Kirchen war das große Thema dieses Jahres der Streit über das Verhältnis zwischen ihnen und dem Staat. Ein Paukenschlag kam vom Papst, der das Verhältnis lockern will: "Die von materiellen und politischen Lasten und Privilegien befreite Kirche kann sich besser und auf wahrhaft christliche Weise der ganzen Welt zuwenden", sagte Benedikt XVI. im September in Freiburg. Verheißungsvoll klang dies allerdings auch in den Ohren jener, die sich von einer Beschneidung kirchlicher Rechte in Deutschland eine Schwächung geistlicher Dominanz erhoffen. Ob Gewerkschaften, Mitte-links-Politiker oder Atheisten - immer größer wird der Chor derer, die meinen, das Weltliche gegen Kirchenrechte verteidigen zu müssen.

Recht zu geben ist diesen säkularen Kritikern darin, dass es in Deutschland tatsächlich seltsame kirchliche Rechte gibt. Zu denen zählt, dass bayerische Bistümer über die Besetzung einiger weltlicher Lehrstühle etwa für Soziologie an staatlichen Universitäten mitentscheiden dürfen. Nicht mehr einzusehen sind auch die Staatsleistungen, insgesamt 460 Millionen Euro, die den beiden Kirchen jährlich von 14 Bundesländern überwiesen werden, im Wesentlichen als Ausgleich für Enteignungen im frühen 19. Jahrhundert. Zwar haben die Kirchen hierfür gesicherte Rechtstitel, aber die Verfassung fordert deren Ablösung. Diese bald vertrauensvoll vorzunehmen würde Staat wie Kirchen aus einer allzu engen Verbindung befreien. Dennoch ist eine Entflechtung nicht der Königsweg. Unmöglich ist sie bei der christlichen Sozialarbeit von Caritas und Diakonie. Würden diese sich entweltlichen, würden sie ihre Leistungen nicht mehr nach Maßgabe der Sozialgesetzbücher organisieren und aus öffentlichen Kassen finanzieren, so müssten sie dichtmachen.

Zugleich bräche das staatliche Sozialsystem zusammen, weil zwei der größten Leistungsträger fehlten und die Sozialkassen Bedürftigen nicht mehr das Grundrecht garantieren könnten, eine ihrem Glauben gemäße Betreuung zu erhalten. Insofern liegt im Sozialen die enge Verbindung von Kirchen und Welt auch im Interesse des Staates. Dieser sollte daher dort auf kirchliche Ansprüche Rücksicht nehmen. Bezweifeln freilich lässt sich, dass diese Rücksicht ausgerechnet darin bestehen muss, dass man Caritas und Diakonie eine Abweichung vom allgemeinen Arbeitsrecht zugesteht, den Dritten Weg der "Dienstgemeinschaft" mit dem Verbot von Streik und Aussperrung sowie (auf katholischer Seite) mit arbeitsrechtlichen Folgen etwa bei Homosexualität. Dieser Dritte Weg muss zwar in tariflicher Hinsicht bei konsequenter Umsetzung - an der es hapert - nicht von Nachteil für die Beschäftigten sein. Doch kaum zu verstehen ist, was am sonstigen Arbeitsrecht der sozialen Marktwirtschaft so schäbig sein soll, dass die Kirchen da fernbleiben müssen. Müsste sich die Christlichkeit von Caritas und Diakonie nicht eher in Fürsorglichkeit und gutem Betriebsklima ausdrücken statt in einem Arbeitsrecht, bei dem unterstellt wird, dass einige Tage Streik zu Klassenkämpfen und Altensterben führen?

Gut austariert ist das Verhältnis von Religion und Staat bei der Theologenausbildung sowie beim Religionsunterricht außerhalb von Berlin. Dass der ganze Bereich vom Staat garantiert, finanziert und indirekt beeinflusst wird, nutzt beiden Seiten. Dem Staat, weil er durch den Islam- und den christlichen Religionsunterricht einen Schatz religiöser Kultur erhält und das Religiöse durch fördernde Einbindung freiheitlich mitprägen kann. Die Kirchen und die Islamverbände wiederum profitieren nicht nur vom Geld, sondern auch davon, dass staatliche Mitwirkung ihnen die Augen für die Welt öffnen und theologische Exzellenz bescheren kann.

Obwohl sich mithin zeigt, dass eine strikte Trennung von Kirche und Staat schädlich wäre und viele der "materiellen und politischen Lasten und Privilegien" die Kirchen auch für die Welt ertüchtigen, so ist doch klar, wohin die Reise geht: Die beiden Bereiche streben auseinander. Schon weil immer weniger Deutsche einer Kirche angehören, sich das religiöse Feld ausdifferenziert und die Zahl der Nichtgläubigen zunimmt. Am besten darauf vorbereitet sind der Papst, die anderen konservativen Katholiken sowie die evangelikalen Protestanten. Sie alle, glaubensfest und in Autonomisierung geübt, werden ein Schwinden staatlicher Unterstützung und gesellschaftlichen Rückhalts verschmerzen können und sogar als Ansporn christlichen Engagements auffassen.


Schlecht vorbereitet sind all die Christen, die auf liberale Weltzugewandtheit setzen oder aus Gewohnheit anhänglich sind, die trotz Zweifeln dabeibleiben oder an den Kirchen die große Kultur lieben. Sie werden ihre Kirchen ohne Staatshilfe nicht als gesellschaftliche Großkörper am Leben erhalten können. Und sofern sie nicht lernen, die christlichen Dinge selbst in die Hand zu nehmen, werden die stark schrumpfende Kirchen allmählich zu Angelegenheiten einer Minderheit, bei der sich bezweifeln lässt, ob sie sich, wie vom Papst erhofft, "der ganzen Welt zuwenden" kann.

Nehmt euch endlich eurer Kirchen an! Man muss das so dramatisch formulieren. Und kann doch gelassen darauf verweisen, was laut Weihnachtsgeschichte als Anfang dafür reicht. Erstens die Bereitschaft zum Erstaunen: "Und alle, vor die es kam, wunderten sich über das, was ihnen die Hirten gesagt hatten." Zweitens Nachdenklichkeit: "Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen."
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