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Eugen Drewermann


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54 Antworten in diesem Thema

#41
Sven-Thore

Sven-Thore

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Hallo zusammen.

Bin nicht ganz sicher, hoffe aber, dass diese Antwort im Thema Eugen Drewermann auftaucht.

Mich in einem Forum zu Wort zu melden, ohne mich zunächst vorgestellt zu haben, ist eigentlich nicht meine Art. Ich hole das später gern nach; aber mir brennt etwas auf der Seele, was ich sofort loswerden muss und das sicher inhaltlich schon ein wenig als Vorstellungsbeitrag durchgehen kann.

Ich habe hier auch nichts Konkretes zum eigentlichen Thema beizusteuern, weil ich Drewermann nur dem Namen nach kenne; hauptsächlich in Verbindung mit kritischen Anmerkungen zu seiner Person.

Was mich aber bewegt hat weiterzulesen, war der offene Umgang mit den Diskussionspartnern und den gegensätzlichen Denkansätzen. Es wirkte darum in diesem Ablauf auf mich wie eine kalte Dusche, als in diesen offen(herzig)en Gedankenaustausch ein klar formuliertes Glaubensbekenntnis hineingeworfen wurde, das als nicht zu hinterfragende Antwort gedacht zu sein schien.

Auch wenn ich die meisten Gedanken des Bekenntnisses unterstütze: mein (sicher subjektiver) Eindruck war: diese ganze Diskussion ist töricht. „Wir“ legen dir jetzt vor, was „wir“ denken. „Wir“, das ist die Gesamtmenge aller aufrechten Christen, und hier kannst du lesen, was wir denken. Jeder, der nicht so denkt, darf sich nicht als Christ bezeichnen.

Vielleicht ist mein Empfinden etwas überzogen, aber ich reagiere auf klischeehafte Wahrheitsvorstellungen so empfindlich, weil ich in einer lange zurückliegenden Zeit für 12 Jahre ein nicht nur mitlaufender Zeuge Jehovas war, glücklicherweise den Ausstieg geschafft habe und nach zwanzig Jahren mit atheistischer Lebenseinstellung von Gott (davon bin ich überzeugt, weiß aber, dass das auch mit Skepsis bedacht werden kann) in eine sehr persönliche Beziehung zu Jesus Christus geholt wurde.

Da ich Glaube auf diesem Weg als etwas Lebendiges erlebe, das durch Erfahrung wächst und sich verändert, erfüllt es mich mit Grauen, wenn ich mit einem dogmatischen Wir-Gefühl konfrontiert werde. Ich bleibe auf meinem Weg immer ein Suchender, auch wenn ich den gefunden habe, der sich als „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ gekennzeichnet hat.

Ich habe nichts dagegen, wenn jemand sich auf einem vorformulierten Glaubensmodell sicherer fühlt, aber mein Eindruck ist oft (und ich wünsche mir in dieser Hinsicht nichts mehr, als hier eines Irrtums überführt zu werden), dass man jedem, der diesem Modell nicht folgt, das Christ-Sein abspricht.

Dieses diffuse Gefühl beruht nicht allein auf dem Beitrag in diesem Thread, auf den ich mich beziehe, sondern auf meinen Erfahrungen mit Gesprächen nicht nur mit Zeugen Jehovas; auch mit Verfechtern verschiedenster „Ismen“, die sich alle ausnahmslos auf die Bibel berufen, um ihren eigenen, von dem Anderer abweichenden Standpunkt, zu „beweisen“. Und auch im Netz findet man eine prall gefüllte (Gold- und/oder Schlangen)grube. Gefüllt nämlich mit feinsinnigsten Argumenten, die den jeweils Anderen das Christsein absprechen, weil sie (oft nur in einem einzigen Punkt) an der Wahrheit vorbeileben.

Die Bibel ist ein Buch, das bei mir, auch wenn ich (vermutlich, hoffentlich) Christ bin(ich schränke das deswegen ein, weil dieser Begriff vielfach zu einem billigen Etikett mutiert ist, wie ich finde), Fragen - und zwar nicht wenige – aufwirft, die geklärt werden müssen. Diese Fragen findet aber auf einer Ebene statt, die meinen Glauben an Gottes Macht, Vorsätze und Liebe nicht in Frage stellt; wohl aber das, was Menschen daraus leider oft machen.

Ich möchte diese Fragen hier auch gern mal so weit es meine Zeit erlaubt gelegentlich zur Debatte stellen, warte aber erst mal die Reaktionen auf dieses Statement ab.

So viel erst mal als (vielleicht) Einstieg mit der Bitte um Entschuldigung für den kurzen Seitenschritt am Thema vorbei

Sven-Thore
  • 0

#42
1Joh1V9

1Joh1V9

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Ja, das einzig nützliche an dem Beitrag war der Verweis auf den Vortrag von Lothar Gassmann. Das kommentarlose Rezitieren von Glaubensbekenntnissen finde ich ebenfalls keinen guten Stil.
Ich habe es so interpretiert, dass der betreffende User Drewermann für jemanden hält, der von dem seiner Meinung nach richtigen Glauben abgefallen ist.
  • 0

#43
Rolf

Rolf

    Administrator

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Lieber Sven - Tore,

zunächst einmal herzlich Willkommen bei uns im Forum. Für Deine Stellungnahme brauchst Du Dich nicht zu entschuldigen. Sie findet meine volle Zustimmung.

Allerdings würde ich unterscheiden zwischen dem User Armin und Lothar Gassmann. Es entspricht nicht dem Stil von Lothar, sich in der Weise zu gebärden, dass er Oberlehrerhaft ein "so und nicht Anders" formuliert.

Der User Armin hat völlig zu Recht geschrieben:

Hinweis: Dieses Glaubensbekenntnis wurde von Dr. Lothar Gassmann ( www.l-gassmann.de ) als sein persönliches Glaubensbekenntnis zusammengestellt, unter Verwendung und Überarbeitung des Bekenntnisses von DWG-Radio ( Das Wort Gottes Radio www.dwg-radio.net ) und anderer Bekenntnisse bibeltreuer Gemeinden und Werke


Das ist nicht mehr wie eine Einladung dass man, wenn man sich mit diesem Glaubensbekenntnis, welches er ausdrücklich als das deklariert, was er glaubt, zu übernehmen. Sozusagen ist das eine Genehmigung zur freien Verwendung nicht mehr und nicht weniger. Losgelöst von der Debatte um Drewermann halte ich das Glaubensbekenntnis im Sinne der Bibel für schriftgemäß.

Da sich um die Meinung von Lothar Gassmann handelt, ist diesem Gesprächsverlauf damit eigentlich nur ein dritter Strang hinzugefügt worden, der des Nachsenkens wert ist. Dadurch das Armin dies so hier eingestellt hat, ist Lothar Gassmann sozusagen für eine Diskussion instrumentalisiert worden, ohne dies wahrscheinlich zu wollen.

Ich selber hätte mich nicht in die Diskussion eingemischt, wenn nicht plötzlich diese unseligen Unterstellungen gegen Lothar Gassmann aufgetaucht wären. Wir sind hier erfolgrerich fünfeinhalb Jahre ohne derartige Herabsetzungen ausgekommen, und ich werde in diesem Punkt auch künftig für Ordnung sorgen. Jemand der hier nicht angemeldet ist und vermutlich von diesem Thread nichts weiß, kann hier auch nicht antworten. Insofern gibt es nur die Alternative, Beanstandungen an diesem privaten Glaubensbekenntnis direkt zu klären.

Der fairnis halber werde ich Lothar Gassmann jetzt auf diesen Thread aufmerksam machen. Vielleicht möchte er sich dazu selbst klärend äußern.

Ich würde mich freuen, wenn hier jetzt in der Sache so weitergeschrieben wird, wie der Thread begonnen hat.


Herzliche Grüße


Rolf
  • 0

#44
friedi1

friedi1

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Lieber Rolf,

zuletzt war ich ins Sie gerutscht, weil das im Zuge unserer Auseinandersetzung meinem Gefühl entsprach, hoffe aber, dass der Ärger inzwischen etwas verraucht ist, und empfinde augenblicklich das Bedürfnis, wieder zum Du zurückzukehren. Ich wage es also:
Lieber Rolf, um der Sache, nämlich um unseres Austauschs unter Christen willen, bitte ich Dich von ganzem Herzen, die Geduld zu bewahren. Ich hoffe auch, Dir im folgenden gute Gründe für solche Geduld nennen und liefern zu können.
Ich kann Deine Reaktion, Deine Drohung, den Thread zu schließen bzw. möglicherweise auch mich überhaupt aus dem Forum auszuschließen, gut verstehen, wenn ich mich in Deine Lage versetze:

Ich denke, dass Dir Lothar Gassmann und seine theologischen Beiträge ungefähr genauso wichtig und wertvoll sind, wie mir etwa die theologischen Beiträge von Eugen Drewermann. Du reagierst daher gereizt, wenn jemand Lehren, die Br. Gassmann in den Raum gestellt hat, massiv kritisiert, angreift und deren Gültigkeit ernsthaft in Frage stellt, so wie ich es getan habe. Deine Reaktion ist für mich also nachvollziehbar und einfühlbar und ich respektiere sie. Was einem lieb und teuer ist, das möchte man auch schützen und dafür eintreten.

Es ist auch ein sehr ehrbarer Zug an Dir, dass Du Dich als ein so engagierter und verantwortungsvoller Admin erweist, der dafür sorgen will, dass der Austausch in diesem Forum ein Niveau wart, der dem Namen Christi angemessen ist und ihm zur Ehre gereicht. Das ist sehr wichtig und wertvoll, man weiß ja, was sich in Internet-Foren sehr schnell alles abspielt, wenn niemand sie sorgsam pflegt.

Und ich möchte Dich nun herzlich bitten, folgenden Gedanken mitzuvollziehen:

ich persönlich verdanke der Theologie von Eugen Drewermann für mein Leben sehr, sehr viel. Und nun stieß ich in diesem Forum auf einen Beitrag von Dir, lieber Rolf, in dem Du Eugen Drewermann kurz und bündig als „Ketzer“ bezeichnet hast und seine Theologie als „Irrlehre“ ("Ketzer schreibt an Ketzer" Di. 04. Okt, 2011). Und ich appelliere nun an Deine Bereitschaft, Dich auch in mich einzufühlen und Dich einmal probeweise in meine Lage hinein zu versetzen:
Vielleicht ist es Dir möglich, nachzuvollziehen und nachzufühlen, dass es mich persönlich trifft, wenn jemand einen für mich wichtigen und von mir hochgeschätzten Menschen mit dem buchstäblich gnadenlosen und für mein Empfinden auch schon deshalb sehr hässlichen und entwertenden Begriff, wie dem des „Ketzers“ belegt, weil dieser Begriff von früheren Jahrhunderten her mit einer ganz und gar grauenvollen und furchtbaren Konnotation versehenen ist; und weil dieser Begriff im Grunde mit das Schlimmste ist, was ein Christ einem anderen Christen – für mich ist und bleibt Eugen Drewermann ein Christ – antun kann. Offen gestanden: wäre ich Administrator eines Internet-Forums, so hätte ich auf Deinen Ketzervorwurf gegen Eugen Drewermann vielleicht sehr ähnlich reagiert, wie Du auf meine vielleicht, nein hoffentlich unnötig harsch und emotionsgeladen formulierte Kritik an Lothar Gassmanns Vortagsinhalten.
Das soll nun beileibe n i c h t heißen, dass ich Deinen Ketzervorwurf gegen Drewermann auch künftig zum Anlass dafür nehmen wollte, mich in diesem Forum in solch zugegeben grenzwertiger und höchst provokanter Weise gegen wen auch immer zu äußern, wie ich es getan habe. Wie ich sehe, habe ich Dich dadurch persönlich verletzt und möchte mich dafür hiermit herzlich entschuldigen.
Ich habe den festen Vorsatz, den von Dir geforderten Kommunikationsstil künftig unter allen Umständen zu wahren, da ich finde, dass Dein Forum hier sehr wertvolle Dienste leistet und ich gerne weiter daran teilhaben möchte.

Deine Idee, Br. Gassmann zur Teilnahme an dieser Diskussion hier einzuladen, finde ich übrigens klasse!

Also auf eine niveauvolle, liebevolle, im wechselseitigen Umgang einfühsame und christuswürdige Fortsetzung unseres wertvollen Gedankenaustauschs!

Es grüßt Dich und alle, die diesen Austausch verfolgen, herzlich und mit besten Segenswünschen
friedi1
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#45
friedi1

friedi1

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@Sven-Thore
@Marc_Joh 8, 32

Zunächst: sehr, sehr, sehr herzlichen Dank, Dir, lieber Sven-Thore! Es ist für mich eine Wohltat, was Du schreibst. Mir gefällt die Klarheit und die persönliche Verbindlichkeit mit der Du Dich ausdrückst, und finde Deinen Beitrag sehr wertvoll für diesen Diskussions-Thread, den ich beinahe schon verloren gegeben hätte. :grin:

Vieles von dem, was Du sagst, empfinde ich ähnlich. Z. B. und vor allem das Auf-der-Suche-Sein trotz oder vielleicht gerade auch wegen des Gefundenhabens in Christus. Auch Deine Begegnung mit dem Atheismus kann ich nachvollziehen.
Auch ich habe in meinem Leben vorübergehend mit dem Atheismus geliebäugelt, obgleich es für mich immer so schien, wie wenn der Atheismus doch irgendwie zu billig ist und zu viele Fragen und Antworten schuldig bleibt oder sogar tabuisiert.

Aus der Zeit, in der ich beinahe im Atheismus gelandet wäre, ist mir allerdings eine bestimmte theologische Einsicht geblieben, die ich auch heute noch als gültig betrachte. Auch der Forumsnutzer „Marc_Joh 8, 32“ hat sich zu diesem Gedanken an anderer Stelle in bemerkenswert klarer und prägnanter Weise geäußert (im dem Thread „menschlicher Intellekt“, 14.März,2012). Zitat:
Schnell würden wir feststellen, dass wenn wir über das Sein Gottes sprechen, es ein anderes Sein ist, als wenn wir über einen Gegenstand in dieser Welt sprechen z.B. ein Auto. D.h. Gott ist in einer anderen Weise als es ein Auto ist. Wir können gar nicht von Gott wie von einem Gegenstand reden, Gott ist nunmal kein Objekt, dass ich beobachten, messen auswerten etc. kann. Da dies so ist, komme ich mittels der gleichen Logik zu dem Satz: Gott ist nicht. Überspitzt aber auf den Punkt gebracht hat dies Bonhoeffer mit der Aussage: "Einen Gott den es gibt, den gibt es gar nicht." Dieser Bonhoefer-Satz klingt beim ersten Hören, das werden die meisten bestätigen, sehr nach Atheismus, während Bonhoefer, wie man weiß, in Wirklichkeit alles andere als ein Atheist gewesen ist. Vielmehr war sein Gottglaube in ihm so stark, dass dieser ihm die Kraft gab, an einem Scheidepunkt seines Lebens sich für ein Sterben für die Liebe, für Gott und seinen Nächsten zu entscheiden – diese erschütternden Tatsachen über von Bonhoefers Tod im KZ sind hinreichend bekannt.

Und diese theologische Einsicht Bonhoefers, die man ihm, wenn man sie oberflächlich auffasst, als atheistische Position vorwerfen könnte, hat mich eine Zeit lang stark beschäftigt. Der Hintergrund bei mir selbst war genau diese Erkenntnis gewesen, die Marc in seinem zitierten Forumsbeitrag in kaum überbietbarer Klarheit ausgedrückt hat: „… Wir können gar nicht von Gott wie von einem Gegenstand reden, Gott ist nunmal kein Objekt, dass ich beobachten, messen, auswerten etc. kann. …“
Und diese Einsicht ist selbstverständlich auch Eugen Drewermann nicht fremd. Auch er vertritt die Ansicht, dass Gott nicht im physikalischen Sinne als Objekt betrachtet und aufgefasst werden kann, sondern immer nur als Subjekt, zwar als ein personales, nicht aber als ein gegenständlich-dingliches Gegenüber. Bei ihm klingt das so:
Gott ist kein Begriff, der als eine Kategorie des Verstandes im Sinne der Erkenntnistheorie Immanuel Kants verwandt werden könnte ... ( Drewermann: "… und es geschah so", S. 138f)Und da nun der Begriff der Existenz, insofern wir ihn in dem Sinne verwenden, indem er in der Wissenschaft verwandt wird, sich immer nur auf Gegenstände, auf „Objekte, … (die) ich beobachten, messen, auswerten ect. kann“ bezieht, müssen wir, auch und gerade als aufrichtige Christen einsehen, dass es, sofern wir mit dem Existenzbegriff exakt und nicht schluderig umgehen wollen, n i c h t möglich ist, vom unendlichen Gott als von einer "Existenz" zu sprechen: Gott ist für ein Existieren ganz einfach viel zu groß, er sprengt den Rahmen des wissenschaftlichen Begriffs der Existenz weitaus durch die Ewigkeit und unendliche Größe seines Seins.
Der Begriff der Existenz kann mit Fug und Recht immer nur auf begrenzte Dinge angewandt werden; Gott aber ist unbegrenzt, unendlich, ewig, weshalb es nüchtern betrachtet schlicht falsch ist, Gott als existent zu bezeichen. Kurzgefasst: das so atheistisch klingende wissenschaftlich-philosophische Statement „Gott existiert nicht“, erweist sich bei nüchterner und eingehender Untersuchung nicht als ein Argument gegen, sondern als ein Argument f ü r Gott. Denn nach allem Gesagten können wir feststellen: wäre Gott existent, so wäre er nicht der unendliche, ewige, allgegenwärtige Gott der Bibel. Aus diesen Gründen stehe ich z. B. auch der Art und Weise, in der Hans Küng in seinem Buch „Existiert Gott?“ dem neuzeitlichen Atheismus zu Leibe zu rücken versucht, sehr kritisch gegenüber. Er macht es sich dort, wie ich finde, allzu leicht, weil er in unreflektierter, in gewissem Sinne „populistischer“ und eben „schludriger“ Weise mit dem Existenzbegriff umgeht, und nur deshalb glaubt, die These von der Existenz Gottes in rationalem Sinne aufrechterhalten zu können – weshalb er mit seinen Erörterungen auf Seiten ernsthafter Wissenschaftler natürlich aus guten Gründen abblitzen musste (vgl. das Buch „Das Elend der Theologie“ von Hans Albert, das im Kern seiner Aussagen durchaus nicht polemisch, sondern ganz und gar sachlich und nüchtern ist und den Nagel auf den Kopf trifft).

Was nun meine Kritik an den Thesen anbelangt, die Lothar Gassmann in seinem Vortrag „Was nun, Herr Drewermann?“ (

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) darüber aufstellt, wie Drewermann die von ihm vertretene Personalität Gottes verstehe und aus welchen Gründen er sie verträte, so hege ich persönlich die – bis jetzt noch unbewiesene - Vermutung, dass diese Thesen sich für Br. Gassmann daraus ableiten, dass er möglichwerweise diese von mir oben, aber auch schon längst von vielen anderen dargelegten Zusamenhänge um die „Nichtexistenz Gottes“ nie so eingehend reflektiert hat, dass ihm vollends klar geworden wäre, was sie eigentlich wirklich besagen.

Meine Beobachtung ist: die Feststellung „Gott existiert nicht“ wird von Seiten sehr vieler Christen rein vordergründig aufgefasst und als eindeutig atheistische Aussage missverstanden und entsprechend reflexartig zurückgewiesen. Ich leugne nicht, dass diese Aussage tatsächlich auch von vielen echten Atheisten benutzt wird, doch auch in solchen Fällen handelt es sich dann nur um eine unreflektierte, vordergründige Benutzung, durch die die Atheisten sich im Grunde, wie oben erklärt, gewissermaßen selbst „ans Bein pinkeln“ - wenn ich das hier mal so salopp ausdrücken darf. Für sich genommen ist diese Aussage von der Nichtexistenz Gottes, wie oben hoffentlich hinreichend klar und unmissverständlich dargelegt, noch k e i n e s w e g s so etwas wie ein atheistisches Credo.
Und vielleicht (!) ist auch bei Br. Gassmann eben dieses so verbreitete Missverständnis der Anlass dafür, dass er Drewermanns Aussagen über das Wesen Gottes in einer Weise wiedergibt, interpretiert und darstellt, die zu den tatsächlichen Aussagen Drewermanns in diametralem Widerspruch steht.
Das gilt es weiter zu beleuchten und zu erörtern.

Ich begrüße die Überlegung von Rolf, Lothar Gassmann selbst zur Teilnahme an dieser Diskussion hier einzuladen, sehr. Denn es liegt mir daran, dass diese Diskussion um seine Thesen über Eugen Drewermanns Theologie öffentlich und nicht nur im Rahmen eines privaten E-Mail-Austauschs geführt wird.
Im Übrigen hat Br. Gassmann seinerseits seine Position zu Drewermann bereits recht ausführlich in besagtem Vortrag und in seinem gleichnamigen Buch veröffentlicht. Daher finde ich es selbst dann, wenn Lothar Gassmann sich auch nicht persönlich ins Forum einklinken sollte, durchaus legitim, seine Thesen hier zu diskutieren. Denn in Gestalt der Argumentation in seinen Büchern und seinem Vortrag kommt er ja ausgiebig selbst zu Wort, so dass man nicht etwa darauf verfallen müsste, über ihn und seine Überzeugungen zu spekulieren: er hat sie ja klar dargelegt und über diese Darlegungen möchte in dem, was ich zu seinen Thesen sage, ich auch nicht hinaus gehen, solange er dies nicht etwa selbst tut.

Herzliche Grüße und die reichsten Segenswünsche,
friedi1
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#46
Rolf

Rolf

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Ich habe das Thema hierher verschoben, weil im Begrüßungsforum eigentlich nur Begrüssungen stehen sollten.


Herzliche Grüße


Rolf
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#47
friedi1

friedi1

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Hallo Rolf,

vermutlich ist es dann jetzt so, dass alle, die sich bis an der Diskussion beteiligt hatten und daher bisher per E-Mail informiert wurden, wenn sich in dem Thread tat, jetzt erstmal nicht mehr informiert werden, weil die Software den Thread nach dem Verschieben nun so behandelt, als wäre er ganz neu - oder?

Gruß,
friedi1
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#48
Rolf

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Nein, so ist es nicht. Es wurde nicht der Thread geändert, sondern nur der Platz, wo er veröffentlicht wird. Es bleibt alles beim Alten. Das ein Begrüßungsforum kein Diskussionsforum ist, hätte man übrigens bemerken können. Ich habe deshalb auch die Verschiebenachricht stehen lassen, dass jeder, der den Verlauf sucht, diesen sofort findet.


Herzliche Grüße

Rolf
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#49
Rolf

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Antwort von Dr. Lothar Gassmann!


Nachfolgende Mail bekam ich heute Morgen von Lothar Gassmann zur Klärung seiner Veröffentlichung bezüglich Eugen Drewermann:




Lieber Rolf,

anbei sende ich Dir meinen Originaltext über Eugen Drewermann, wie ich ihn im von mir herausgegebenen KLEINEN THEOLOGIE-HANDBUCH (Schacht-Audorf, 2009) zu Papier gebracht habe. Diesen Text darfst Du gerne veröffentLieber Rolf,

anbei sende ich Dir meinen Originaltext über Eugen Drewermann, wie ich ihn im von mir herausgegebenen KLEINEN THEOLOGIE-HANDBUCH (Schacht-Audorf, 2009) zu Papier gebracht habe. Diesen Text darfst Du gerne veröffentlichen. Ich denke, dass dies zur Versachlichung der Diskussion beiträgt.
Schalom, Dein Lothar Gassmann

www.L-Gassmann.de

P.S.: Bitte gib die Quelle an, danke.





Quelle: Dr. Lothar Gassmann, KLEINES THEOLOGIE-HANDBUCH (Schacht-Audorf, 2009)





Drewermann, Eugen





1. Wer ist Eugen Drewermann?

Eugen Drewermann (D.) wurde am 20. Juni 1940 in der westfälischen Bergarbeiter-Gemeinde Bergkamen geboren und katholisch getauft. Die Mutter war katholisch, der im Kohlebergbau tätige Vater jedoch evangelisch. In einem Interview im Norddeutschen Rundfunk vom 16. März 1991 bezeichnete D. seinen Vater als "nicht religiös“. Eine Erfahrung, die sich bis in seine spätere Theologie hinein auswirken sollte, machte der Vierjährige beim Bombenangriff der Alliierten auf Bergkamen 1944. Es war die Grunderfahrung der Angst und inneren Verunsicherung. Von dieser inneren Verunsicherung und Angst erfüllt, fand D. später seine geistige Heimat in der Weit >existentialistischer Philosophen. Er berichtet: "Richtig ist, dass ich mit 17 Jahren damals in einer schweren Krise steckte; wenn es den Existentialismus nicht gegeben hätte, man hatte ihn meinetwegen erfinden müssen, oder ich selber hätte ihn erfunden. Das ist bis heute mein geistiges Terrain geblieben, sehr erweitert freilich in vielerlei Richtungen. Aber vom Ensemble der Gefühle her entspricht diese Welt Sartres, Camus?, Kierkegaards`, Heideggers ohne Zweifel mir am meisten. Kierkegaard war derjenige, der die Worte fand für das, was ich erlebte. Sein ganzes Denken ging um Angst, um Verzweiflung, um Krankheit zum Tode. Genau das entspricht mir sehr und war für mich damals der einzige Weg, um zu überleben. Und es war wichtiger als jeder Papst, jeder Religionslehrer. Es war die einzige geistige Autorität, die ich damals hatte" (WEG, 289).

So fühlte sich D. eher zu einem liberalen Protestantismus als zu einem engen Katholizismus hingezogen, wie ihm sich dieser vor allem in seiner vorkonziliaren Gestalt (vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil) zeigte. Dass er dann dennoch von 1959-65 in Paderborn und Münster katholische Theologie und Philosophie studierte und Priester werden wollte, hängt mit dem Rat zusammen, den ihm ein Lateinlehrer auf dem Gymnasium gab: "D., es gibt gute Protestanten auch unter den Katholiken, so wie es gute Katholiken unter den Protestanten gibt. Ich glaube, Sie sollten katholisch bleiben" (WEG, 290).

1966 wurde er zum Priester geweiht und nahm bis 1968 eine Stelle als Kaplan im lippischen Kurort Bad Driburg bei Paderborn wahr. Als er dort mit den seelischen Problemen der Menschen, ihren "Liebesabenteuern" und ihrer "Verzweiflung über die Untreue" konfrontiert wurde, begann er zunehmend, an den katholischen Moralvorstellungen zu zweifeln und sich für die psychoanalytischen Erklärungsversuche zu interessieren: "Es war deutlich, dass die Menschen litten, aber nicht schuldig waren, und dass ich, wenn ich sie verstehen wollte, Bereiche des Daseins kennenlernen müsste, die mir im gesamten Theologiestudium nicht vertraut geworden waren, die Bereiche des Unbewussten. So bin ich damals zur Psychoanalyse gekommen" (WEG, 291).

Ab 1968 ließ er sich in einem psychotherapeutischen Institut bei Göttingen in der Neopsychoanalyse von Schultz-Hencke ausbilden. 1970 erhielt er die Freistellung zum Promotionsstudium an der Theologischen Fakultät der Universität Paderborn. Sein Doktorvater war der Systematiker Prof. Heribert Mühlen. 1977 wurde seine Promotionsschrift "Strukturen des Bösen" aufgrund einer das Maß einer Dissertation weit übersteigenden Leistung zugleich als Habilitationsschrift angenommen, so dass ihm der Weg an die Universität offen stand. Im gleichen Jahr erteilte ihm der Kanzler der theologischen Fakultät, Bischof Johannes Joachim Degenhardt - sein späterer Gegenspieler! - die Zulassung als Privatdozent für das Fach "Katholische Dogmatik".

In den 80er Jahren kam es zu einer wachsenden Entfremdung D.s von der römisch-katholischen Kirche und vom überlieferten christlichen Glauben überhaupt, vor allem auf dem Feld des Bibelverständnisses und der Christologie, aber auch der katholischen Moral- und Amtsauffassung. Vorladungen, Lehrgespräche und ein langdauernder Briefwechsel insbesondere mit Erzbischof Degenhardt führten zu keiner Einigung. So wurde Eugen D. am 7. Oktober 1991 die Lehrbefugnis an der Paderborner Theologischen Fakultät wieder entzogen - und am 9. Januar 1992 darüber hinaus die Predigtbefugnis. Als Gründe für den Entzug der Predigtbefugnis werden in dem von Erzbischof Degenhardt unterzeichneten Dekret genannt: "Abweichungen von der Glaubenslehre der katholischen Kirche über die Einsetzung der Sakramente, vor allem auch der Eucharistie und des Priestertums durch Jesus Christus, über das katholische Verständnis des Kreuzestodes Christi, über die Feier der Eucharistie und des priesterlichen Dienstes, über die Geburt aus der Jungfrau Maria (Jungfrauengeburt), über die Autorität der Kirche und der Bischöfe in Sachen des Glaubens und der Sitten sowie erneut aber die sittliche Beurteilung der Abtreibung durch das kirchliche Lehramt. Unter den ?Anklagen" findet sich der Satz: "Sie leugnen, dass Jesus von Nazareth der 'Christus, der Sohn des lebendigen Gottes' (Mt 16,16) wirklich und in einzigartiger Weise ist" (WEG, S. 455 f.).

Ist D. mit dieser Verurteilung durch die römisch-katholische Kirche Unrecht geschehen? Oder gibt es doch Punkte in seiner Lehre, die auch nach evangelischem Verständnis eine Kritik aus biblisch-theologischer Sicht rechtfertigen? Darum soll es im folgenden gehen.



2. Was lehrt Eugen Drewermann?

a. Die Grundbefindlichkeit der Angst: Als ein Journalist Eugen D. fragte, ob sein entscheidendes Anliegen "die Erlösung aus der Angst" sei, antwortete dieser: "Das ist vollkommen richtig ... Dazwischen steht unser ganzes Leben: zwischen Angst und Vertrauen" (WEG, S.295). Dieser Grundkonflikt zwischen Angst und Vertrauen durchzieht wie ein roter Faden sein frühes dreibändiges Werk "Strukturen des Bösen", in dem er die "jahwistische Urgeschichte" exegetisch, psychoanalytisch und philosophisch deutet. Vereinfacht lässt sich D.s Anliegen so zusammenfassen: Der „Mythos vom Sündenfall" in 1. Mose 2-11 ist ein großartiges Bild für den Menschen, der sich seines Wesens, seines Ausgeliefertseins an das Dasein und seines Ungenügens bewusst wird. Seine Existenz wird bestimmt von der Angst: Angst vor der eigenen Minderwertigkeit und dem Versagen, Angst vor einem strafenden Gott, Angst vor der Vergänglichkeit und dem Nichts. Um gegen diese Angst anzugehen, liefert sich der Mensch der Schlange aus, und das heisst: dem Trieb und der Versuchung, die anderen zu beherrschen und auch Herr über Gott sein zu wollen. Dadurch aber wächst die Angst noch mehr, denn "der Mensch, der aus Angst in die Sünde hineingerät, (hat) nach und in der Sünde noch größere Angst vor Gott" (SdB I, S. 107). Immer tiefer stürzt er in die Verzweiflung und Neurose hinein und wird unentrinnbar in den "Strukturen des Bösen" gefangen. Es gibt nur einen Weg zur Befreiung: das Vertrauen auf Gottes Liebe, der dem Menschen seine Schuld frei vergibt. Gott muss hierfür eine Person sein, die dem Menschen gegenübertritt und ihm einen angstfreien Raum eröffnet, in dem er zu Gott und zu sich selbst finden kann. Gott muss sich auch zur Verfügung stellen, damit der Mensch - wie bei der psychoanalytischen Übertragung - seine neurotischen Hassimpulse auf ihn abladen kann, ohne Angst vor Gott haben zu müssen. Dies ermöglicht nach D. die Gottesvorstellung des christlichen Glaubens. Obwohl D. bei dieser Deutung bereits psychoanalytische und philosophische Kategorien heranzog, blieb sein Grundansatz in seinem Frühwerk durchaus noch traditionell. Es wurde deshalb auch von der Paderborner Fakultät als Promotions- und Habilitationsschrift angenommen. Bei den Werken der 80er und 90er Jahre nahmen jedoch die psychoanalytischen, fremdreligiösen und auch politischen Aussagen immer breiteren Raum ein.



b. Die Entmythologisierung und existentiale Interpretation der Bibel als Voraussetzung: Hier ist stellvertretend sein großes zweibändiges Werk "Tiefenpsychologie und Exegese" zu nennen, das in den Jahren 1984 und 1985 erschien. In diesem Werk strebte er das an, was er in einem Brief an Erzbischof Degenhardt vom 2.5.1991 so beschrieb: "Verstehen Sie, Herr Erzbischof, das ´Bedenkliche' meiner Theologie liegt nicht in einem Widerspruch zu bestimmten Lehrinhalten, die Sache steht weit schlimmer, oder besser: Was ich möchte, ist nicht mehr und nicht weniger als eine grundlegende Veränderung der gesamten Art und Weise, wie heute Theologie betrieben wird; ich möchte dies aber aus Glauben, nicht aus Glaubenslosigkeit? (WEG, S. 301). D.s Deutungen setzen die >Entmythologisierung und >existentiale Interpretation des Neutestamentlers Rudolf >Bultmann voraus (s. dort). Im Anschluss an Bultmann kann D. schreiben: "Aber andererseits ist die Erkenntnis an sich nicht mehr rückgängig zu machen, dass es im Neuen Testament - und ebenso im Alten Testament - in der Tat zahlreiche Erzählungen gibt, die sich bereits durch ihre Form als Mythen, Legenden und Novellen in historischem Sinne 'verdächtig' machen und ein Material enthalten, das zahlreiche Analogien zu anderen Religionen aufweist und jedenfalls viel zu schematisiert ist, als dass es in dieser Weise ein wirkliches historisches Geschehen wiederzugeben vermöchte ... Die historisch-kritische Methode hatte darin vollkommen recht, die Mythen und Legenden in ihrer äußeren Gestalt auch in der Bibel zu zerstören, indem sie ihre mangelnde Historizität nachwies; ein äusseres Festhalten an den Themen der Mythen und Legenden in einem missverstandenen historischen Sinne liefe in der Tat auf eine bornierte Starre, auf eine krampfhafte Verleugnung der besten Einsichten des 19. Jahrhunderts hinaus? (TuE I, S. 94.96). Andererseits übt D. an der historisch-kritischen Methode scharfe Kritik. Er überschreibt ein einleitendes Kapitel zu "Tiefenpsychologie und Exegese" mit den Worten: "Vom religiösen Irrweg der historisch-kritischen Methode" (TuE I, S. 23). Sie ist seines Erachtens ein Irrweg, weil sie nur "die äußerlichste und oberflächlichste aller Fragen" stellt, nämlich die nach dem Maß historischer Wirklichkeit in den einzelnen biblischen Überlieferungen. Bei diesem Fragen in die Vergangenheit geht die Gegenwartsbedeutung der Texte verloren. Bei dem "Erdrutsch des Historismus" droht sich „Religion in historische Religionswissenschaft, Glauben in Glaubenskunde, Theologie in Archäologie" zu verwandeln (TuE I, S. 23.37). D. fragt: "Wie kann man die sogenannte historisch-kritische Methode von ihrem Auslegungsmonopol erlösen? Wie lässt sich eine Methode der Schriftauslegung finden, die nach der zweifellos notwendigen historischen Absicherung die eigentlich theologische Aussage bestimmt?" (TuE I, S. 27).



c. Die tiefenpsychologische Interpretation als Lösungsmodell: Diese Methode findet er in der tiefenpsychologischen Interpretation. Ausgehend von der Psychoanalyse Sigmund >Freuds und vor allem von der Tiefenpsychologie Carl Gustav >Jungs versucht er, eine "Transformation der historisch-kritischen Exegese" herbeizuführen und die Schriftauslegung "vom Kopf wieder auf die Füsse zu stellen" (TuE I, S. 15 f.). Dazu dienen ihm insbesondere Freuds Traumdeutung und Jungs Archetypentehre. "Mit dem Traum, nicht mit dem Wort ist zu beginnen", heisst ein programmatischer Satz D.s (TuE I, S. 92). Und weiter: "... es ist deutlich, dass wir im Grunde eine vollständige Umkehrung der bisherigen Sichtweise der historisch-kritischen Methode anstreben. Vor allem die zentrale Bedeutung des Traumes für die Religion gilt es jetzt als erstes unter Beweis zu stellen, denn sie stellt für Exegeten historisch-kritischer Provenienz zweifellos zunächst eine vollkommen bizarre Hypothese dar" (TuE I, S. 100). Mit dem Argument, dass die Religion früher sei als die Sprache, die träumende Imagination früher als das begriffliche Denken, wendet sich D. gegen die "Logozentrik der Exegese" (Wortzentriertheit der Auslegung) und möchte "den Traum zur Grundlage aller weiteren Betrachtungen" erheben. Denn aus dem Traum "entwickelt und versteht sich der Mythos, aus ihm das Märchen und, an der Grenze zum Historischen, die Sage und Legende" (TuE I, S. 16 f.). Der Traum steht somit am Anfang, nicht das Wort. Der Traum ist der Ursprung des inneren Erlebens, wie es sich in den Urbildern und Symbolen aller Menschen, Völker und Religionen, den "Archetypen", niederschlägt. Im Traum verbindet sich das "kollektive Unbewusste", das allen Menschen gemeinsam ist, mit dem individuellen Unbewussten. Die Traumpsychologie bildet somit für D. den "Universalschlüssel zum Verständnis aller wichtigen religiösen Phänomene" (TuE I, S. 100). Die durch den Traum vermittelten Symbole, Urbilder und Gefühle sind wichtig für den Selbstwerdungsprozess des Menschen, die Individuation. Sie drücken menschliche Grundbefindlichkeiten aus wie Leid und Freude, Leben und Tod, Krankheit und Heilung, das Verhältnis der Generationen und der Geschlechter usw. Nach C. G. Jung ist es z.B. wichtig, den "Schatten" (die abgelehnten negativen Bestandteile der eigenen Persönlichkeit) zu integrieren, das “Selbst" als das Ziel einer ganzheitlichen Personalität auszubilden sowie "Animus" und "Anima" als die andersgeschlechtlichen Möglichkeiten in der Person zu entdecken.

An einem Beispiel soll die Anwendung tiefenpsychologischer Prinzipien auf die Bibelauslegung bei Eugen D. verdeutlicht werden. Wenn in Johannes 21,1-14 berichtet wird, dass den Jüngern am See Genezareth der auferstandene Christus am Ufer stehend erscheint, so handelt es sich nach D.s Auffassung um einen "Visionsbericht“ (TuE II, S 396), also nicht (oder nicht primär) um ein äußeres Geschehen, sondern um einen Heilungsprozess in der Seele der Jünger. D. führt aus: "Religionspsychologisch kann ... die Erscheinung Christi oder des 'Engels Gottes' oder der MutterGottes nicht anders erfolgen, als dass in der menschlichen Seele Kräfte angesprochen werden, die ein entsprechendes Gestaltbild hervorrufen ... Wenn sich ein Mensch seelisch in einer großen Krise befindet, etwa vor dem drohenden Ausbruch einer Psychose, so kann es sein, dass zu seiner Gesundung wie von selbst aus dem Unbewussten Bilder und Vorstellungen aufsteigen, die wortwörtlich 'vom anderen Ufer' her Gegenkräfte zu der bisherigen Bewusstseinseinstellung freisetzen ... Was den Jüngern inmitten des Gefühls der Lebensleere, der Aussichtslosigkeit, der Haltlosigkeit und der Sinnlosigkeit 'erscheint', ist, psychologisch betrachtet, das Gegenbild ihrer selbst - die Wesensgestalt einer nie geahnten, nie gelebten Menschlichkeit, die in ihnen angelegt ist und zumindest infolge des Leids ihrer Verleugnung nur darauf wartet, entdeckt zu werden" (TuE II, S. 402 f.). In dieser Art, biblische Erzählungen symbolisch und psychologisch aufzufassen, geht D. auch an die Bibel insgesamt heran.



d. Wiederentdeckung der Mythen in den verschiedenen Religionen: Da für D. der Traum und die daraus hervortretenden Archetypen als Symbole des kollektiven Unbewussten allen Kulturen und Religionen gemeinsam zueigen sind, stellen sie auch das Bindeglied zwischen den Kulturen und Religionen dar. Die schriftgewordenen Bücher und Lehren sind nun zweitrangig. Ihre trennende Wirkung ist zuende, wo Menschen sich mit ihren Träumen, Gefühlen und Symbolen begegnen. Die unterschiedlichen religiösen Erfahrungen, Mythen, Sagen, Märchen und Legenden haben einen gemeinsamen Kern in der Seelengeschichte der Menschheit. D. fordert eine "typologische Hermeneutik der Geschichte", verbunden mit einer "archetypischen Hermeneutik der menschlichen Psyche" (TuE I, S. 66). Der Absolutheitsanspruch irgendeiner Religion ist für ihn ein Überbleibsel aus seelenlosen Zeiten einer rationalistischen Worthörigkeit, ein Anachronismus im erstrebten Zeitalter des universalen Friedens und der Harmonie.

D. führt aus: "Nur in den Archetypen und in den Gefühlen liegt das Einende und das Verbindende zwischen den Kulturen und Religionen aller Zeiten und Zonen, während die Sprache, die Ratio, die Kategorientafel der moralischen Wertsetzungen sich als sehr zeitgebunden und voneinander trennend erweist. Auch die Religion, in Gedanken gefasst, ist je nach Volk und Kulturkreis verschieden, aber ihre Wahrheit, niedergelegt und dargestellt in ihren ebenso verhüllenden wie enthüllenden Riten und Symbolen, ist überall die gleiche. In allen Menschen lebt ein unbewusstes Wissen um ein Absolutes, das in allen Menschen gegenwärtig ist und aus dem alles Bewusste hervorgeht, und nur auf dieser Ebene des Archetypischen ist eine hermeneutische Verbindung über die zeitliche Distanz von Jahrtausenden hinweg denkbar und möglich? (TuE I, S. 71).

D. geht es also darum, keine Religion gegenüber der anderen abzuwerten oder gar als "heidnisch" zu bezeichnen, sondern die in allen Religionen und Kulturen verborgenen Schätze zu heben, die sich in den Träumen, Archetypen, Symbolen, Mythen, Märchen usw. offenbaren. Er untersucht z.B. abendländische und orientalische Märchen, indische, ägyptische, griechische, römische und germanische Mythen sowie biblische Stoffe auf ihren tieferen, symbolisch verschlüsselten Wahrheitsgehalt. Dabei gelangt er sogar zu einer positiven Wertung von >Okkultismus, >Schamanismus und >Magie, indem er deren Inhalte und Praktiken als innerpsychische Vorgänge deutet. So kommen nach seiner Ansicht spiritistische Beschwörungsriten einer "künstlichen Herabsetzung des Bewusstseins" gleich, und die „´Unterwelt`, der die Ahnengeister entsteigen, ist deutlich genug als das Unbewusste der betreffenden Person zu erkennen" (TuE I, S. 119). "Feen und Hexen, Engel und Dämonen, Götter und Teufel" seien "die abgespaltenen, zum wachen Bewusstsein bisher nicht zugelassenen Teile der Seele in personifizierter Gestalt, gewissermaßen der Jungsche "Schatten“, der im Traum hervortritt. "Nicht selten lassen sich in den Geistern und Dämonen überhöhte Nachfahren der Vater- oder Mutterimago erkennen, in denen die Kleinheit und Ohnmacht des frühkindlichen Ichs auf das krasseste zu der übermächtigen Allgewalt der Elterngestalten kontrastiert", meint D. (TuE I, S. 121 f.). Magie sei "gewissermaßen nur die praktische Darstellung des Traumerlebens, das Streben der Seele nach Übereinstimmung zwischen innerer und äußerer Wirklichkeit“ (TuE I, S. 127 ff.). Schamanen agieren ihre Heilträume aus, um die Kranken darin einzubeziehen (TuE I, S. 130). Nicht nur der christliche Glaube, sondern auch die anderen Religionen werden auf diese Weise in D.s tiefenpsychologische Deutung einbezogen und mittels der Archetypentehre miteinander vermischt.

Was ist nun nach D. das spezifisch Christliche? Es ist das Prinzip der Personalität, die Überwindung der Angst durch Vertrauen, das ermöglicht wird, indem ein personaler Gott dem Menschen frei gegenübertritt: "Was die biblische Theologie vom Mythos unterscheidet, ist die wichtige Entdeckung der Personalität und Individualität des Göttlichen ebenso wie jedes einzelnen Menschen; aber nur, wenn diese Entdeckung die Welt der archetypischen Bilder in den Tiefenschichten der menschlichen Psyche integriert und nicht verdrängt, bewahrt sie ihre Menschlichkeit und Wahrheit" (TuE I, S. 138). Mit der geschichtlichen Gestalt Jesu von Nazareth verbinden sich die Archetypen aus den Mythen der Menschheitsgeschichte, etwa der "schon um 2.600 vor Christus" bekannte Begriff "Gottessohn" (WEG, S. 422). Es erfolgt eine Synthese von Kollektivem und Individuellem. Diese Synthese ist es, die nach D. "das individuelle Bewusstsein davor bewahrte, in psychotischer bzw. mythischer Weise von den Inhalten des Unbewussten überschwemmt zu werden ... Umgekehrt verband es das Individuelle unauflöslich mit den Inhalten des Unbewussten und wirkte daher auf das Intensivste einer unfruchtbaren Isolation des Bewusstseins entgegen" (SdB III, S. 532). Von dieser Erfahrung der Personalität und Individualität her ist nach D.s Ansicht eine Erneuerung der Mythen auf einer höheren Stufe der Entwicklung möglich. Daraus erfolgt ein neuer Zugang zu einer "Theologie und Ethik der Natur“.



e. Eine neue Theologie und Ethik der Natur: Eine neue Theologie und Ethik der Natur darf nach D. zwar vom christlichen Prinzip der Personalität bestimmt sein, aber nicht dem jüdisch-christlichen Anthropozentrismus verfallen, der seiner Meinung nach zur gegenwärtigen Umweltzerstörung geführt hat. Der Mensch darf nicht mehr als die Mitte und das Mass aller Dinge gelten. D. fordert eine "gelebte Mystik der Natur", die darauf verzichtet, "die Natur sündig zu sprechen und die Natürlichkeit des Menschen zu unterdrücken" (Kleriker, S. 740). Statt ein bisschen Umweltschutz erstrebt er „eine weit grundlegendere religiöse Neubesinnung, die mit dem bisherigen jüdisch-christlichen Anthropozentrismus bricht und zu einem Einheitsdenken, zu einem religiösen Welterleben zurückfindet, das in der abendländischen Geistesgeschichte stets als unchristlich, ja als quasi pantheistisch oder gottlos bekämpft wurde" (TF, S. 109). Dieses Einheitsdenken findet er in den Naturreligionen, insbesondere in den indianisch-schamanistischen Stammesriten.



f. Individuelle Autonomie statt vorgegebener Autorität: D.s Mystik der Natur ist unlösbar verbunden mit der >Mystik der menschlichen Seele als Teil der Natur, in der sich ebenfalls das Göttliche findet. Diese Vergöttlichung der menschlichen Seele führt unmittelbar zum Postulat individueller Autonomie und zum Widerspruch gegen alle von außen kommenden "Über-Ich-Strukturen?, etwa in Gestalt einer kirchlichen Hierarchie. In seinem 1989 veröffentlichten Buch "Kleriker" hat D. in beißender Schärfe das Ämter- und Moralsystem der katholischen Kirche, aber auch die traditionelle christliche Ethik allgemein angegriffen. Das Grundübel des Menschen ist nach D. die Angst. Alles, was die Angst verstärkt, muss gemieden, alles, was das Vertrauen stärkt, hingegen gefördert werden. Ein festgefügter Sittenkodex ist nach D.s Ansicht mit der neuen Existenzform des Vertrauens und der Angstfreiheit unvereinbar, da er angstverstärkend wirkt: "Die Kirche sollte lernen, dass es Verständnis geben muss für menschliche Irrungen und Wirrungen und nicht gleich die Wertung: Gut und Böse, Sünde und Tugend" (WEG, S. 234). Sünde ist nach seiner Ansicht nicht als moralische Verfehlung auffassen, sondern als Existenzverfehlung. Sie kann nicht durch Bestrafung, sondern nur durch Vertrauen überwunden werden. Um dies zu erreichen, müsse der Mensch aber von allen moralistischen Forderungen verschont werden, auch in Gestalt biblischer Gebote. Dementsprechend führt er aus: "Es wäre nötig, allen 'anklagenden Gebrauch' (allen 'usus elenchticus') aus dem Gotteswort zu entfernen ... Jedes Wort der Bibel müsste so lange geprüft werden, bis es verrät, was es zum Verständnis, zur Besänftigung und zur Beseitigung der menschlichen Daseinsangst beitragen kann; und ehe dies nicht wirklich verstanden ist, sollte man kein Wort eines Propheten oder Gottesmannes in noch außerhalb der Bibel für von Gott beglaubigt halten" (TuE II, S. 33).



3. Kritik

a. Die Reduktion der Theologie zur Anthropologie: Trotz seiner Kritik am jüdisch-christlichen Anthropozentrismus vertritt D. auf seine Weise ein anthropozentrisches Weltbild. Seine Theorien kommen vom Menschen her und zielen auf den Menschen hin. Sie drehen sich ganz um den Menschen. „Gott“ ist nur ein Postulat, das dazu dient, dass der Mensch seine Angstfreiheit verwirklichen kann. Damit aber wird Theologie zur Anthropologie reduziert. Für D. ist das Objekt des Vertrauens austauschbar. Es muss nicht Gott, sondern es können auch die Götter oder ein Mensch, ja es kann sogar das Vertrauen auf die Kraft des eigenen Vertrauens sein. Entscheidend ist für D. nicht, wem ich vertraue, sondern dass ich vertraue. So schreibt er, dass "das Vertrauen selber eine göttliche Macht" sei und dass "der Glaube an sich Angst als solche zu überwinden vermag" (TuE II, S. 136.208). Nach biblischer Lehre ist es aber nicht entscheidend, dass ich vertraue, sondern wem ich vertraue: dem einen wahren, lebendigen Gott oder den vielen falschen Göttern. Vom lebendigen Gott allein kommt Hilfe. Deshalb heisst es in der Heiligen Schrift: "Unsere Hilfe steht im Namen des HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat" (Ps 124,8). Und: "In der Angst rief ich den HERRN an; und der HERR erhörte mich und tröstete mich. Es ist gut, auf den HERRN zu vertrauen und sich nicht auf Menschen zu verlassen" (Ps 118,5.8). D.s Ansatz ist innerpsychisch und nicht theologisch. Er kommt von der menschlichen Selbsterfahrung und nicht von der Offenbarung eines außerhalb vom Menschen existierenden Gottes her. Daher argumentiert er mit dem Begriffspaar "Angst und Vertrauen", aber nicht mit "Sünde und Gnade" oder "Gesetz und Evangelium" wie die Reformatoren, mit denen er von bestimmten Kreisen immer wieder verglichen wird. Es ist nur folgerichtig, wenn D. von seinem anthropozentrischen und letztlich immanenten Ansatz her Jesus nur als faszinierenden Menschen, aber nicht als Gottes Sohn im metaphysischen Sinn betrachtet: Jesus sei "als Mensch gezeugt und geboren wie jeder andere Mensch auch" (WEG, S. 438). Er sei ein Helfer, ein Heiler, ein Schamane, der durch seine integrative Gestalt und annehmende Haltung den einzelnen zur Übereinstimmung mit sich selbst führe (vgl. TuE II, S. 89). Wir fragen: Wenn Jesus nicht mehr ist, wie kann er dann dem Menschen wirklich helfen? Ist dann Erlösung nicht Illusion? Bleibt dann der Mensch nicht in dem vergeblichen Bemühen um Selbsterlösung in sich gefangen?



b. Die Auflösung der biblischen Fakten in Symbole: Biblische Aussagen von einem metaphysisch geschehenen Schöpfungs- und Erlösungshandeln Gottes werden von D. immanent-psychologisch umgedeutet. Biblische Ereignisse und Fakten werden als Mythen und Symbole aufgefasst. Eine innerpsychisch zu ermittelnde "Wahrheit" wird von der "Wirklichkeit" des Berichteten abgetrennt und die "Wirklichkeit" nach ihrer historisch-kritischen Auflösung als irrelevant beiseite gestellt. Hier fragen wir kritisch zurück: Ist eine solche Wertung der biblischen Begriffe und Berichte als Symbole und Mythen exegetisch richtig? Gibt es eine tiefere Wahrheit losgelöst von der sie vermittelnden Wirklichkeit? Gibt es ein Aktum (Gegenwartsbedeutung) ohne Faktum (historische Verankerung in der Vergangenheit)? Selbst >Bultmann, an den D. anknüpft, muss zugeben, dass die biblischen Autoren auf der Faktizität des von ihnen Berichteten beharren, so etwa Paulus im Auferstehungskapitel 1. Kor 15. Bultmann aus seiner Sicht bezeichnet dies als "fatal" und deutet die Aussagen trotzdem um ("Neues Testament und Mythologie?, KuM I, Hamburg 1948, S. 15 ff.). Für ihn wie für D. sind die biblischen Berichte - insbesondere in bezug auf übernatürliche Dinge – >„Mythen“. W. >Künneth weist jedoch in seiner „Theologie der Auferstehung“ nach, dass das biblische Denken mythenfeindlich ist - eine Tatsache, die Eugen D. interessanterweise an einer anderen Stelle, nämlich in seiner Auseinandersetzung mit dem "jüdisch-christlichen Anthropozentrismus", selber erwähnt (vgl. SdB III, S. 521 ff.; Kleriker, S. 732 ff.). Wenn aber das biblische Denken mythenfeindlich ist, dann ist es inkonsequent, die biblischen Berichte als Mythen zu verdächtigen. Wenn die biblischen Verfasser Worte und Bilder gebrauchen, die an Mythen erinnern, so ist das ein Versuch, die völlige Andersartigkeit der göttlichen Botschaft mit schwachen menschlichen Worten in unsere Sprache zu dolmetschen. "Diese Übersetzungsarbeit aber hat mit einer Entmythologisierung im Sinne Bultmanns nichts zu tun, da die christliche Offenbarung ja alles andere als ein Mythus ist?, betont Künneth (S. 55). Die Mythenfeindlichkeit der jüdisch-christlichen Botschaft wird z.B. an verschiedenen Schriftstellen deutlich ausgesprochen: "Wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln (griech. mythoi) gefolgt, als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus; sondern wir haben seine Herrlichkeit selber gesehen" (2. Petr 1,16; vgl. 1. Tim 1,4; 4,7; 2. Tim 4,4; Tit 1,14).



c. Die Fraglichkeit der Tiefenpsychologie als Universalschlüssel zur Erklärung von Mensch, Welt und Bibel: Als Auslegungsraster gebraucht D. die Erkenntnisse der Freudschen Psychoanalyse und der Jungschen Tiefenpsychologie. Aus biblisch-theologischer Sicht allerdings werfen Person und Lehre von Sigmund >Freud und Carl Gustav >Jung eine Reihe von Bedenken auf. Ihr Welt- und Menschenbild tritt an vielen Punkten mit dem biblischen Welt- und Menschenverständnis in Konflikt. Erinnert sei nur an Freuds weltanschaulich-atheistische Denkvoraussetzungen, seine kausalmechanischen Erklärungsprinzipien, seinen einseitigen Triebdeterminismus (z.B. die Überbetonung des Sexualtriebs), seine Umdeutung des Gewissens zum "Über-Ich" und der Sünde zu bloßen "Schuldgefühlen“, seine Behauptung, Gott sei das Produkt einer "kollektiven Neurose" und ähnliches. Zu C. G. Jung s. den betreffenden Artikel.

Die Heilige Schrift sagt in unmittelbarem Kontrast zu Freud, Jung und D., dass am Anfang das Wort und nicht der Traum war (Joh 1,1). Zwar kann sich Gott auch durch Träume offenbaren, aber wir sollen uns nicht auf Träume verlassen, sondern auf das Wort, das er seinen Boten zu unserem Heil anvertraut hat. So heisst es in Jer 23,25-28: "Ich höre es wohl, was die Propheten reden, die Lüge weissagen in meinem Namen und sprechen: 'Mir hat geträumt, mir hat geträumt.' Wann wollen doch die Propheten aufhören, die Lüge weissagen und ihres Herzens Trug weissagen und wollen, dass mein Volk meinen Namen vergesse über ihren Traumen, die einer dem andern erzählt, wie auch ihre Väter meinen Namen vergaßen über dem Baal? Ein Prophet, der Träume hat, der erzähle Träume; wer aber mein Wort hat, der predige mein Wort recht. Wie reimen sich Stroh und Weizen zusammen? spricht der HERR." - Zum religiösen >Synkretismus, >Pantheismus und >Okkultismus bei D. die betreffenden Artikel.



d. Die individualistische Anarchie:

In seiner Ethik wendet sich D. gegen alle „Über-Ich-Strukturen“, die der Angstfreiheit und individuellen Autonomie des Menschen im Wege stehen: gegen eine institutionalisierte Kirche, wie er sie im römisch-katholischen Hierarchie-System erlebt; gegen eine restriktive Ethik und Sexualmoral; gegen eine anklagende Funktion biblischer Gebote. Sicherlich ist seine Kritik in manchen Punkten berechtigt. Eine Kirche kann - wie jedes System - zu einem übermächtigen Apparat werden, der dem einzelnen - sprich: seinem individuellen Gewissen - kaum Raum zum Atmen lasst. Für völlig verfehlt halte ich D.s Vorschlag, allen "anklagenden Gebrauch“ - und damit die göttlichen Gebote - aus der Bibel zu entfernen. Röm 7,12: "Das Gesetz ist heilig, und das Gebot ist heilig, gerecht und gut.“ Seine anklagende Wirkung entfaltet es erst, indem es auf den sündigen Menschen trifft. Dabei kann Sünde durchaus - in der Begrifflichkeit von Kierkegaard und D. geredet - als "Existenzverfehlung" verstanden werden. Aber es ist eine Existenzverfehlung in dem Sinne, dass der Mensch an der von Gott gewollten Existenz der liebenden Gemeinschaft mit seinem Schöpfer vorbeigeht, sich von Gott lossagt und sein eigener Herr sein will, was auch in Kierkegaards Auffassung, aber kaum noch bei D. impliziert ist. Damit aber verfällt der Mensch - als Folge davon - auch den moralischen Sünden wie Neid, Hass, Eifersucht, Ärger, Unzucht usw., die aus der Existenzverfehlung im Sinne der Gottesfeme erwachsen und daher mit dieser unlösbar verkoppelt sind. Es ist daher Augenwischerei, wenn D. eine immanent-existentialistische Existenzverfehlung an die Stelle von moralischen Verfehlungen setzen und gegen diese ausspielen will. Damit landet er letztendlich beim ethischen >Relativismus und der individualistischen >Anarchie. Das zeigt sich etwa bei seiner Stellungnahme zur Abtreibungsproblematik, in der er fast nur die Situation der betroffenen Frauen, aber kaum der vom Tode bedrohten Kinder im Blick hat (WEG, S. 319). Von einem ähnlichen Relativismus sind D.s Aussagen z.B. zur Sexualmoral, zur Homosexualität und zur Euthanasie geprägt. Nicht Gottes Wort ist hier für ihn der Maßstab, sondern die Lebensumstände und das Denken der heutigen Zeit. Sicherlich ist auf die jeweilige Situation individuell einzugehen. Aber wenn nicht mehr Gottes Wille die Grundlage zur Beurteilung der Lage und zur Hilfestellung in der jeweiligen Situation darstellt - woran kann sich der Mensch dann noch halten? Wenn Gebote wie "Du sollst nicht töten" oder "Du sollst nicht ehebrechen“ nicht mehr als verbindlich aufgefasst werden, dann ist bald der Damm zum Chaos und zur Anarchie gebrochen. Nicht umsonst warnt uns die Bibel vor dem "Menschen der Gesetzlosigkeit" (griech. anomia), der am Ende der Zeiten auftreten und die Menschen verführen wird, sich von Gottes guten und lebensschützenden Ordnungen loszusagen (vgl. Mt 24,12; 2. Thess 2,1 ff.; 2. Tim 3,1 ff.). Unwillkürlich stellt sich die Frage: Ist D. einer von denen, die dieser Gesetzlosigkeit den Weg bereiten?



Lit. von E. Drewermann: "Kleriker" = Kleriker. Psychogramm eines Ideals (1989), 4.Aufl. 1992; "SdB" = Strukturen des Bösen. Band I-III: Die jahwistische Urgeschichte in exegetischer/psychoanalytischer/philosophischer Sicht (1977), 6. Aufl. 1987; "TuE" = Tiefenpsychologie und Exegese. Band I: Die Wahrheit der Formen. Traum, Mythos, Märchen, Sage und Legende; Band II: Die Wahrheit der Werke und Worte. Wunder, Vision, Weissagung, Apokalypse, Geschichte, Gleichnis, 1984/85; "TF" = Der tödliche Fortschritt. Von der Zerstörung der Erde und des Menschen im Erbe des Christentums (1981), 6. Aufl. 1991; "WEG" = Worum es eigentlich geht. Protokoll einer Verurteilung, 3. Aufl. 1992. – Kritisch: L. Gassmann/J. Jange, Was nun, Herr Drewermann? Anfragen an die tiefenpsychologische Bibelauslegung, 1993; L. Gassmann, Was will Eugen Drewermann?, 1998.

Lothar Gassmann


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hier eine Stellungnahme von mir zu folgender Äußerung von Lothar Gassmann:
„Gott“ ist (für Drewermann) nur ein Postulat, das dazu dient, dass der Mensch seine Angstfreiheit verwirklichen kann. Damit aber wird Theologie zur Anthropologie reduziert.Im folgenden kommt E. Drewermann selbst zu Wort. Bitte aufmerksam lesen und dann entscheiden, ob es mit Fug und Recht möglich ist von dem her, was Drewermann hier tatsächlich über Gott sagt, zu behaupten, was Lothar Gassmann behauptet, nämlich dass Gott für Drewermann nichts weiter sei als ein vom Menschen aufgestelltes Postulat und folglich keine Wirklichkeit an sich:

Man versteht die Sünde nicht und tut dem Sünder Unrecht, wenn man sich dem vordergründigen Anschein überlässt, jemand könne ein munterer gesunder Mensch und doch zugleich ein Sünder sein. Er kann es nicht. Das ganze Geheimnis des menschlichen Lebens besteht darin, dass der Mensch de facto niemals nur „natürlich“ leben leben und glücklich sein kann, ohne auf Gott hin zu leben, und dass er selbst zur Unnatur verdirbt, wenn er sich gegenüber Gott verschließt. All seine Bedürfnisse, Leidenschaften, Wünsche, Sehnsüchte, Hoffnungen und Sorgen verzerren sich ins Maßlos-Pathologische, entleeren sich ihres eigentlichen Sinns und wirken fortschreitend zerstörend und zersetzend, wenn das, was nur Gott selbst erfüllen kann, an Gott vorbei im eigenen Ich, in einem anderen Menschen oder in irgendeinem Teil oder Gesamtzustand der Welt des Menschen und der Kreatur gesucht wird. Jeder Sünder ist ein Leidender, ein Daseinsverkrüppelter, ein durch unendliche Selbstüberforderung Zerstörter. Denn die Tragödie der Sünde liegt gerade darin, dass der Mensch alles, was er in Gott verneint, gleichwohl, seiner eigenen Bestimmung gemäß, nach wie vor suchen und ersetzen muss – und künstlich äußerlich, unter nie endenden Qualen, die er sich selbst und anderen zufügt, getrieben von Ohnmacht, Selbsthass, Lebensekel und Verzweiflung, dass er zu seiner eigenen Wirklichkeit, zu dem, was er wesentlich ist, nur finden kann, wenn er die Angst vor dem Abgrund des Nichts, in das ihn sein Bewusstseins und seine Freiheit in seinem Denken wie in seinem Handeln stellen, verlieren kann in dem Vertrauen, dass Gott ihn will und meint und er von Gott im Sein „gehalten“ ist.
Wir haben bei der Exegese der jahwistischen Urgeschichte gesehen, was für ein tödlicher Zwang das ist, „wie Gott“ sein zu wollen, in was für eine Hölle sich das Menschendasein verwandelt, wenn es, getrennt von Gott, sich seiner Nichtigkeit und Armseligkeit schämen muss; wenn es, voller Scham und Angst, bei dem anderen seine Berechtigung und Anerkennung sucht, die es dort nie bekommt; wenn es den anderen fürchten muss als Feind und Gegner; wenn es danach trachtet, sich mit Göttern zu paaren, und gezwungen ist, ins Nicht zurückzusinken; wenn es zum Himmel strebt und dadurch nur umso mehr in völliger Isoliertheit und grenzenloser Einsamkeit innerlich verfällt. Das Dasein selbst in all seinen Strukturen verwandelt sich an jeder Stelle, an der es von Gott gelöst wird, in eine unerschöpfliche Quelle von Schmerz, Sich-Aufbäumen, Zerstörung und Vergeblichkeit.
Alle Attribute, welche die abendländische Metaphysik für Gott gefunden hat, muss der Mensch sich aneignen, wenn er ohne Gott leben will. In diesem Aneignungsversuch besteht die ganze Sünde; nur: der Mensch kann in den Prägorativen Gottes nicht existieren; er ist nur Mensch; wenn er „wie Gott“ sein will, ergeben sich in daseinsanalytischer Betrachtung alles Formen der Neurose (vgl. Bd 3, S. 468-479).
Gott z. B. ist ein „ens a se“, er hat den zureichenden Grund des Daseins in sich selbst – ein Mensch niemals; er ist dazu verurteilt, ohne Gott sein Leben lang sich seine stets zu teure Eintrittskarte ins Dasein verdienen zu müssen und nie seine verhasste Nicht-Notwendigkeit, seine beschämende Zufälligkeit abschütteln zu können: wenn Gott ihn nicht gewollt hat, als er ihn erschuf, wer dann? Wer gibt ihm dann Halt und Berechtigung, Notwendigkeit und Sinn? Gott zwar kann tätig sein, „immer und überall“, er ist omnipräsent, er wirkt in allem, ohne zu ermüden, seine Notwendigkeit steht außer Frage; ein Mensch jedoch, der in Gott keine Ruhe findet, wird immer hektischer sich seine Notwendigkeit, seine Gottgleichheit, die Versicherung, dass es „ohne ihn nicht geht“, beweisen müssen: mit immer mehr Verpflichtungen, Aufgaben Leistungen, Errungenschaften, Techniken, Schuldgefühlen und Selbstvorwürfen, und doch all dies bloß für das unsinnige Ziel, den Ekel, nur ein Mensch zu sein, ein wenig zu vertuschen. Ohne Gott ist es notwendig, depressiv zu werden.
Liebe Grüße und Segenswünsche,
friedi1
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#51
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Hallo miteinander,

eine grundlegende Frage zu den Grundprinzipien von Lothar Gassmann:

Er sagt:
"Die Heilige Schrift im Urtext ist in allen Teilen wörtlich von Gott inspiriert und absolut wahr …"Nun aber ein Beispiel, das Fragen aufwirft - und es ließen sich weitere anführen:
über den Tod des Judas Iskariot erfahren wir in Matthäus 27, 5, dass er sich suizidierte durch Erhängen. Die Apostelgeschichte 1, 18 hingegen berichtet vom Tod durch einen Unfall: Judas sei "abgestürzt und mitten entzweigeborsten, und all sein Eingeweide ausgeschüttet.“
Wie passt das zusammen? Kann mir einer helfen?

Liebe Grüße,
friedi1
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#52
friedi1

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@alle

… und so wartet man denn vergeblich auf eine Antwort.
Tröstlich dabei ist, dass man gewiss sein darf: wer schweigt, stimmt zu. :grin:

Die allerherzlichsten Segenswünsche an alle Nutzer dieses Forums,
friedi1
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#53
Rolf

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Warum klingen Deine Beiträge in meiner Wahrnehmung immer wieder nach Rechthaberei, und nicht nach Unvoreingenommenheit? Was willst Du eigentlich? Fehler in den Ausführungen von Lothar Gassmann nachweisen, damit Deine Zustimmung zu den Ausführungen von Drewermann als die einzig Richtige gilt?

Ich denke viele Leute haben nicht die Lust und die Zeit, einer gewissen rechthaberei zu huldigen. so erkläre ich mir jedenfalls das Schweigen.


Herzliche Grüße


Rolf
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#54
Rolf

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Wie starb Judas?


(Matth 27,5; Apg.1,18)






Die Unterschiede: Liest man beide Berichte nur für sich, könnte man folgenden Eindruck gewinnen: Nach Matthäus verzweifelt Judas über seine Blutschuld, wirft sein Verrätergeld in den Tempel und erhängt sich. Die obersten Priester kaufen dann von dem "Blutgeld" den Töpfersacker und machen ihn zum Friedhof für Pilger. In der Apostelgeschichte kommt Judas auf seinem eigenen Acker durch einen Unfall ums Leben.


Die Gemeinsamkeiten: In beiden Berichten kommt Judas kurz nach seinem Verrat ums Leben und es wird von seinem Geld ein Grundstück bei Jerusalem gekauft, das allgemein unter dem Namen "Blutacker" bekannt wird und unbewohnt bleibt.


Die Gemeinsamkeiten ermutigen zu einer versuchten Rekonstruktion des Geschehenen: Die Tatsache, dass beide Berichte in obigen Details übereinstimmen, erfordert m.E., dass beide Verfasser direkten oder indirekten Zugang zur lokalen christlichen Tradition der Jerusalemer Gemeinde hatten. Judas spielt in allen Evangelien als Verräter aus dem Zwölferkreis eine tragische und wichtige Rolle. Sein Ende wird als mahnendes Beispiel unauslöslich im Gedächtnis der Gemeinde haften geblieben sein.


Die Unterschiede erklären sich aus der unterschiedlichen Aussageabsicht beider Berichte: Matthäus berichtet das Sich-Erhängen des Judas, weil er darin eine Parallele zu Ahitophels Selbstmord sieht, der wie Judas als ehemaliger Freund zum Verräter an dem alttestamentlichen Messias David wurde. Zusätzlich hat in den beiden Leidensgeschichten (Davids und Jesu) Jerusalem, der Ölberg und das Gebet dort eine wichtige Rolle (2.Sam.15,30ff.; 17,23). Für Matthäus zieht Jerusalem sich mit der Verwerfung des Messias ein katastrophales Gericht zu (23,37ff.), so dass "unschuldiges Blut" im Munde des Judas und des Pilatus zum Schlüsselwort wird. Das Blut, das über Jerusalem und seine Kinder und auch seinen Tempel kommt (27,4.24-25; vgl. Jer.19,4.1.11; 18,2ff.). Die dreißig Silberstücke des Judas auf dem Boden des Tempels entlarven diesen als Raubmörderhöhle (21,13; 27,5-8; Jer.7,11), wofür die Drahtzieher selber mit den Worten "Blutgeld" Zeugnis ablegen und mit dem Grundstückskauf ("Blutacker") unfreiwillig ein ständiges Erinnerungszeichen aufrichten. Petrus geht es in Apg. 1,18 weniger um das Gericht über Jerusalem als vielmehr über den Mitapostel Judas, der für schäbiges Geld nicht nur Jesus, sondern auch sein Apostelamt verschacherte. Petrus will mit seiner Rede veranlassen, dass die Zwölferzahl des Kollegiums wieder aufgestockt wird. Dazu zitiert er die Schrift und streicht die Elemente des Geschehens hervor, die dazu passen: "Seine Wohnung werde öde, und es sei niemand, der darin wohne" und: "Sein Aufseheramt empfange ein anderer" (Ps.69,26; 109,8). Das von Judas Geld gekaufte Grundstück wird als verrufener "Blutacker" (=unreines Grundstück) unbewohnt bleiben, seine Aufgabe soll ein anderer erfüllen. Dass Judas Leib so aufgeschlitzt wurde, dass seine Eingeweide herausquollen, ist letzter Ausdruck des Gerichtes Gottes, eine Art Omen, da Judas mit diesen Eingeweiden nach biblischen Sprachgebrauch seinen Verrat ausgeheckt hatte.


Versuch einer Rekonstruktion: Judas hatte wie die anderen Jünger Jesu in Jerusalem kein eigenes Haus. Um sich zu erhängen, wird er einen menschenleeren Ort aufgesucht haben, damit ich niemand stört. Wenn er sich an einem Baum in der Nähe Jerusalems erhängt hat, hätte spätestens das starke Erdbeben vom Auferstehungsmorgen, das sogar Felsen zerriss (27,51f.; 28,2), den mit ihm beschwerten Ast zum Abbrechen gebracht. Der folgende Sturz konnte den Leichnam aufreißen lassen. Petrus formuliert, Judas hätte "vom Lohn der Ungerechtigkeit einen Acker erworben", weil der Acker von den obersten Priestern mit dem Blutgeld des Judas gekauft wurde. Es ist eine ironische Formulierung, die verdeutlicht, dass er nichts von seinem Verrat hatte als nur den Tod.
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#55
Guest_Yentl_*

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Wie starb Judas, und wer kaufte den Blutacker?

a) Hat Judas sich erhängt (Mt 27,5), oder ist er gestürzt (Eingeweide herausquellen; Apg 1,18)?
b) Wer hat das Stück Land für die 30 Silberstücke gekauft - er selbst (Apg 1,18) oder die Hohenpriester (Mt 27,7)?
c) Hat er vor seinem Tod den Verrat an Jesus Christus bereut (Mt 27,4) oder nicht (in Apg 1, 18 wird darüber nichts gesagt)?

Bibelstelle(n): Matthäus 27,3-10; Apostelgeschichte 1,18-19

Als Judas bemerkte, dass die Hohenpriester Jesus umbringen wollten, bereute er seinen Verrat und wollte ihn wieder aus der Hand der Hohenpriester befreien, indem er das für die Überlieferung erhaltene Geld – 30 Silberstücke – den Hohenpriestern zurückbrachte. Diese jedoch lehnten ab, das Geld anzunehmen, und noch viel mehr natürlich, den Herrn wieder freizugeben. Sie hatten es endlich erreicht, ihn gefangen zu nehmen und waren in ihrem Hass fest davon eingenommen, ihn umzubringen.

Judas wirft daraufhin das Geld in den Tempel und bringt sich voller Verzweiflung über seine Tat selbst um, indem er sich erhängt. Die Hohenpriester überlegten derweil, was sie mit dem Geld anfangen könnten, weil sie es ja nicht in den Tempelschatz geben konnten, sonst hätten es diesen verunreinigt. Sie zeigen eine ungeheuerliche Selbstgerechtigkeit: Sie waren es, die Judas das Geld für die Überlieferung gegeben hatten, aber sie meinten, die Schuld läge in diesen Geldstücken. Dass sie selbst sich eine ungeheure Schuld vor Gott aufgeladen hatten, indem sie den unschuldigen Sohn Gottes gefangen nehmen ließen, kam ihnen dabei gar nicht in den Sinn.

Sie verwenden das Geld also, um einen Stück Land, den so genannten „Acker des Töpfers“, zu kaufen, das von da an als Grabstätte für Fremde verwendet wurde.

Wie passt nun die Stelle in Apostelgeschichte 1 in diesen Zusammenhang? Dort heißt es, dass Judas sich den Acker erworben hat und kopfüber darauf gestürzt ist, so dass sein Körper durch den Aufschlag zerrissen wurde und die Eingeweide herausgequollen sind. Mit der Aussage, dass er sich den Acker erworben hat ist genau das gemeint, was im Matthäus-Evangelium berichtet wird. Es war das Geld des Judas, mit dem die Hohenpriester den Acker kauften, demnach war es in gewissen Sinn sogar sein Acker. In Apostelgeschichte 1 wird dies implizit ausgedrückt. Beachte auch, dass es heißt, dass er sich den Acker „erworben“ hat, und nicht, dass er ihn „gekauft“ hat.

Nun zu dem Stürzen und Zerbersten: die Bibel sagt nicht klar, wie sich dies abgespielt hat. Es heißt aber in Apostelgeschichte 1 nicht, dass Judas noch am Leben gewesen sei. Die Hohenpriester hatten den Acker wahrscheinlich auch erst nach seinem Tod gekauft, denn während Judas sich selbst umbrachte, waren sie ja noch mit der Kreuzigung des Herrn beschäftigt. Die Vermutung liegt nahe, dass Judas, nachdem er tot an dem Baum hängend aufgefunden wurde, wegen seines unehrenhaften Todes auf diesen Blutacker geworfen wurde. Wenn man den Überlieferungen Glauben schenkt, dann lag dieser Blutacker südlich von Jerusalem an einem Abhang. Nun braucht man nicht viel Phantasie um sich vorzustellen, wie es wohl verlaufen ist, wenn Judas von diesem Abhang herunter auf den Acker geworfen wurde, und wie er dabei aufgerissen wurde und seine Eingeweide herausgequollen sind.

Zusammenfassend:

zu a): Er starb an seinem Selbstmord durch Erhängen.

zu b): Es waren die Hohenpriester, die den Acker mit Judas' Geld kauften.

zu c): Er hat wohl seine Tat bereut. Das Nichterwähnen in Apostelgeschichte 1 sagt diesbezüglich nichts aus, höchstens, dass er bereits tot war, bevor er auf den Acker geworfen wurde.

Johannes Runkel

Entnommen aus: Sammlung bibelkommentare.de



Ich gebe hier Rolf Recht. Die Motivation, sich auf Fragen dieser Art zu äußern, wird beträchtlich geringer, je mehr erkennbar ist, dass sie provokant gemeint sind.
Wenn deutlich ist, dass jemand eine echte Antwort auf eine ungeklärte Frage sucht, macht man sich schon mal eher die Mühe, darauf zu schreiben. Wie viele hier setze ich meine Zeit gern ein, wenn jemand damit geholfen werden kann. Aber mit jemand, der anscheinend die Bibel eben nicht als Gottes inspiriertes und unfehlbares Wort sieht, herumzudiskutieren, macht keinen Sinn. Gott kann sich schon gut selbst verteidigen und hat auch seine Mittel dazu.

Das unterscheidet eben den echten Glauben vom reinen Kopfglauben.

Heb 11,6 Ohne Glauben aber ist es unmöglich, ihm wohlzugefallen; denn wer Gott naht, muß glauben, daß er ist, und denen, die ihn suchen, ein Belohner ist.
Also: echte Fragen werden sicher gern beantwortet!


Liebe Grüße

Yentl

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