1.) Ein Schrift-Beispiel für eine "richtige Lehre"
Zur Zeit Jesu gehörten die politischen Führer, die Mehrzahl des Priesteradels und ein großer Teil des Hohen Rates zu den hellenistisch gesinnten Sadduzäern; die geistlichen Führer des Volkes waren jedoch die Pharisäer. Obwohl meist keine Priester, waren sie die eigentlich Frommen und Rechtgläubigen des Volkes, die das Gesetz als den Willen Gottes mit ganzem Ernst zu erfüllen suchten; sie erkannten die Existenz guter und böser Geister an, das Leben nach dem Tode und die Aufersteheung des Leibes. Jesus hatte an ihrer Lehre nichts auszusetzen!
2.) "Richtige Lehre" schützt nicht vor falscher Gesinnung.
Trotzdem mußte Jesus ernst vor ihnen warnen. Denn all ihr Tun war dadurch vergiftet, daß es aus eigener Kraft geschah und nicht aus dem von Gott geschenkten neuen Herzen kam. So verstrickten sie sich in einer immer äußerlicher werdenden Gesetzeserfüllung, die sie durch ständig erweiterte Ausführungsbestimmungen (Satzungen der Ältesten) zu sichern meinten, entfernten sich dabei aber immer mehr von dem wahren Willen Gottes.
3.) "Richtige Lehre" und falsche Gesinnung führt über die Theologie zur Tradition + Religion
Eine unbewußte und darum gefährliche Heuchelei (z.B. Mt.5,7-9; 23,13-29) und Selbstverehrung ( wörtl. auch: zu sich selbst!) war die Folge. Zum Teil zielten die Ausführungsbestimmungen ganz offen darauf ab, das Gesetz zu umgehen (z.B. legte man für eine Reise am Sabbat einen Wassersack auf den Sattel des Reitesels - denn auf dem Wasser galt der Sabbatweg nicht). Das Hauptgebot der Liebe aber hatte man vernachlässigt oder auf die Mitpharisäer eingeschränkt (daher die Frage in Lk 10,29 : Wer ist denn mein Nächster?).
Am verhängnisvollsten war dabei aber die Überzeugung der Pharisäer, Söhne Abrahams und Gottes zu sein, echte Jünger des Mose und geistlich sehend (Joh 9,40f). Das konnte sie bis zur Lästerung treiben, wenn sie dem offenbaren Wirken des Heiligen Geistes gegenübergestellt wurden, machte sie überheblich und herrschsüchtig; sie wachten eifersüchtig über ihren Einfluß und suchten ihn ständig zu vergrößern.
Mit dieser Haltung versperrten sie aber auch allen denen, die Gott wirklich suchten, den Weg, und ihr Missionseifer führte jeden Heiden, der Judengenosse (Proselyt) wurde, nur umso sicherer in den geistlichen Tod. Daher nennt sie Jesus mit Recht Söhne des Teufels.
4.) Das Urteil Jesu
Ein komplettes Kapitel der Schrift ist der Beurteilung Jesu den Pharisäern gegenüber gewidmet.
Diese Beurteilung steht im Matthäusevangelium Kapitel 23 und ist in ihrer Gesamtaussage die kompletteste und detaillierteste Abrechnung über Inhalt und Auswirkung von Religion und Tradition bzw. deren Ausübern der gesamten Weltliteratur!
Ein Glaubensleben auf dem Fundament der rechten Lehre und gleichzeitig falscher Gesinnung zeichnet sich stets durch drei Kennzeichen aus:
1.) Lieblosigkeit (Unbarmherzigkeit)
Sie binden aber schwere und schwer zu tragende Lasten zusammen und legen sie auf die Schultern der Menschen, sie selbst aber wollen sie nicht mit ihrem Finger bewegen. Mt 23,4
2.) Gesetzlichkeit (Buchstabengläubigkeit)
Denn das Reich Gottes
der uns auch tüchtig gemacht hat zu Dienern des neuen Bundes, nicht des Buchstabens, sondern des Geistes. Denn der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig. 2.Kor 3,6
3.) Überheblichkeit (Ausschliesslichkeit)
Wehe aber euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, Heuchler! Denn ihr verschließt das Reich der Himmel vor den Menschen; denn ihr geht nicht hinein, und die, die hineingehen wollen, laßt ihr
Alles, was mit Gnade zusammenhing, war den Pharisäern aufgrund ihrer Überzeugungen geradezu wesensfremd. Sie hatten das Gesetz, deshalb meinten sie, von Gott keine weitere Hilfe zum Leben nötig zu haben. Logischerweise hatte deshalb auch die Barmherzigkeit im Gedankengut der Pharisäer keinen Platz, weil sie nicht daran interessiert waren, wie Gott in den jeweiligen Situationen wirklich dachte und empfand. Alle Dinge und Handlungen sahen sie durch das Wort Gottes für alle denkbaren Fälle als geregelt an, und zwar normalerweise im Sinne Ihres Verständnisses des Wortes Gottes.
Da das Verhalten Jesu ihren Vorstellungen widersprach, beschwerten sie sich darüber.
Daraufhin machte ihnen Jesu klar, dass es in ihren Satzungen und ihrem Gedankengut an Barmherzigkeit mangelte, und sie deshalb ein schiefes Gottes- und Menschenbild hatten.
Gottes Barmherzigkeit und vor allem Gottes Gnade will in dem Schwachen mächtig sein, unter Anderem auch deshalb, weil diese Menschen Beides richtig würdigen können. So konnte ein Levi alles verlassen und dem Ruf Jesu Folge leisten.
Überdies konnte er das, was er hatte, für das Reich Gottes gewinnbringend einsetzen: Er öffnete sein Haus und seinen Geldbeutel, um Jesus, seinen Jüngern und seinen Nachfolgern dienen zu können.