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Markus 02, 01-12


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#1
Guest_Peter Wiem_*

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Das Markusevangelium Teil 1 – Jesus, der Messias

b) Jesus, der unbequeme Messias 2,1-3,6

Der Herr rettet von Sünde 2,1-2,17

a) Die Heilung des Gelähmten

Und nach einigen Tagen ging er wieder nach Kapernaum hinein, und es wurde bekannt, daß er im Hause sei. Und es versammelten sich viele, so daß sie keinen Platz mehr hatten, nicht einmal vor der Tür; und er sagte(2957) ihnen das Wort.
Und sie kommen zu ihm und bringen einen Gelähmten(3732), von vieren getragen. Und da sie wegen der Volksmenge nicht zu ihm bringen(4174) konnten, deckten sie das Dach ab, wo er war; und als sie es aufgebrochen hatten, lassen sie das Bett hinab, auf dem der Gelähmte lag. Und als Jesus ihren Glauben sah, spricht er zu dem Gelähmten: Kind, deine Sünden(264) sind vergeben.
Es saßen dort aber einige von den Schriftgelehrten und überlegten in ihren Herzen: Was redet dieser so? Er lästert(979). Wer kann Sünden vergeben außer einem, Gott?
Und sogleich erkannte Jesus in seinem Geist, daß sie so bei sich überlegten, und spricht zu ihnen: Was überlegt ihr dies in euren Herzen? Was ist leichter? Zu dem Gelähmten zu sagen: Deine Sünden sind vergeben, oder zu sagen: Steh auf und nimm dein Bett auf und geh umher? Damit ihr aber wißt(3460), daß der Sohn des Menschen Vollmacht(1831) hat, auf der Erde Sünden zu vergeben – spricht er zu dem Gelähmten: Ich sage dir, steh auf, nimm dein Bett auf und geh in dein Haus! Und er stand auf, nahm sogleich das Bett auf und ging vor allen hinaus, so daß alle außer sich gerieten(1821) und Gott verherrlichten und sagten: Niemals haben wir so etwas gesehen! Mk 2,1-12


Lex 2957 laleo reden, Worte aussprechen, reden können, wobei die Betonung nicht auf dem Inhalt der Worte liegt, sondern auf dem Vorgang des Redens, v. a. in Mt 9,33; 15,31; Mk 7,37; Lk 11,14 u. ö., wo Stumme nach einer Heilung zum Reden fähig sind (Mt 9,18; 10,19f; 12,22.34.36.46f; 13,3.10.13.33f; u.ö.
Lex 3732 paralytikos aufgelöst, gelähmt; von paralyo, auflösen, vgl. dort. Im NT wird es durchgehend als Subst. ho paralytikos gebraucht mit der Bedeutung: Gelähmter (Mt 4,24; 8,6; 9,2.6; Mk 2,3-5.9f).
Lex 4174 prosengizo sich nähern zu jmd., hinkommen zu jmd.; von pros , zu, und engizo , sich nähern, nahen; nur in Mk 2,4.
Lex 264 hamartia Verfehlung, Sünde. Hamartia bedeutet zunächst allgemein das Verfehlen eines Zieles (vgl. hamartano ). Im NT wird das Wort hamartia immer für die letztlich gegen Gott gerichtete Verfehlung des Menschen gebraucht. Ohne die Beziehung zu Gott wäre die Verfehlung nicht Sünde. Die hamartia besteht nach dem NT im Verstoß gegen Gottes Recht und Gesetz (Röm 3,20; 7,7; 1Jo 3,4 5,17)
Lex 979 blasphemeo schmähen, fluchen; entweder von blapto, schaden, und pheme, Ruf, Gerücht, oder von ballo, werfen, und pheme. Es bedeutet den Ruf schädigen, mit Worten oder Berichten verletzen, Böses reden von, lästern (Röm 3,8; 10,30; Tit 3,2 u. ö.); mit gottloser Respektlosigkeit von Gott selbst reden oder von etw., das in besonderer Beziehung zu ihm steht, eine Blasphemie äußern, was aus dem Griech. als Fremdwort übernommen wurde (Mt 9,3; 26,65; 27,39; Mk 3,29; 15,29; Lk 22,65; 23,39; Apg 13,45; Tit 2,5; 2Petr 2,10).
Lex 3460 oida wissen, kennen; verselbständigte Perfektform von eido, sehen. Es bedeutet wissen mit innerer Überzeugung (Mt 22,16; Joh 9,25; Röm 8,28 u. ö.) oder wissen um die volle Bedeutung von etw. (Mt 20,22; Joh 11,49; Apg 2,22; 2Kor 11,11 u. ö.), dann auch verstehen, erkennen (Mt 26,70; Mk 4,13; Eph 1,18 u. ö.) und sogar können, vermögen (Mt 7,11; Lk 11,13; 12,56; Phil 4,12 u. ö.).
Lex 1831 exousia Erlaubnis, Autorität, Recht, Freiheit, Macht, Vollmacht etw. zu tun (Apg 26,12); von exestin , es ist möglich, erlaubt. Wie exestin verneint es das Vorhandensein irgendeines Hindernisses und kann entweder für die Fähigkeit oder das Recht, etw. zu tun, gebraucht werden.
Lex 1821 existemi wegbewegen von seinem Platz oder aus seinem Zustand. Im NT ist es nur auf den Verstand bezogen und bedeutet von Sinnen sein, außer sich sein (Mk 3,21; 2Kor 5,13); in pass. Sinn: außer sich sein vor Bestürzung, verwundert, erstaunt, entsetzt sein (Mt 12,23; Mk 2,12; 5,42; u. ö).

Und er stieg in ein Boot, setzte über und kam in seine eigene Stadt.
Und siehe, sie brachten einen Gelähmten zu ihm, der auf einem Bett lag; und als Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gelähmten: Sei guten Mutes, Kind, deine Sünden sind vergeben.
Und siehe, einige von den Schriftgelehrten sprachen bei sich selbst: Dieser lästert.
Und als Jesus ihre Gedanken sah, sprach er: Warum denkt ihr Arges in euren Herzen? Denn was ist leichter zu sagen: Deine Sünden sind vergeben, oder zu sagen: Steh auf und geh umher? Damit ihr aber wißt, daß der Sohn des Menschen Vollmacht hat, auf der Erde Sünden zu vergeben ... Dann sagt er zu dem Gelähmten: Steh auf, nimm dein Bett auf, und geh in dein Haus!
Und er stand auf und ging in sein Haus. Als aber die Volksmengen es sahen, fürchteten sie sich und verherrlichten Gott, der solche Vollmacht den Menschen gegeben hat. Mt 9,1-8

Und es geschah an einem der Tage, daß er lehrte, und es saßen da Pharisäer und Gesetzeslehrer, die aus jedem Dorf von Galiläa und Judäa und aus Jerusalem gekommen waren; und des Herrn Kraft war da, damit er heilte.
Und siehe, Männer bringen auf einem Bett einen Menschen, der gelähmt war; und sie suchten ihn hineinzubringen und vor ihn zu legen. Und da sie nicht fanden, auf welchem sie ihn hineinbringen sollten, wegen der Volksmenge, stiegen sie auf das Dach und ließen ihn durch die Ziegel hinab mit dem Bett in die Mitte vor Jesus. Und als er ihren Glauben sah, sprach er: Mensch, deine Sünden sind dir vergeben.
Und die Schriftgelehrten und die Pharisäer fingen an zu überlegen und sagten: Wer ist dieser, der Lästerungen redet? Wer kann Sünden vergeben außer Gott allein?
Als aber Jesus ihre Überlegungen erkannte, antwortete und sprach er zu ihnen: Was überlegt ihr in euren Herzen? Was ist leichter zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben, oder zu sagen: Steh auf und geh umher? Damit ihr aber wißt, daß der Sohn des Menschen Vollmacht hat, auf der Erde Sünden zu vergeben – sprach er zu dem Gelähmten: Ich sage dir, steh auf und nimm dein Bett auf und geh nach Hause!
Und sogleich stand er vor ihnen auf, nahm auf, worauf er gelegen hatte, und ging hin in sein Haus und verherrlichte Gott. Und Staunen ergriff alle, und sie verherrlichten Gott und wurden mit Furcht erfüllt und sprachen: Wir haben heute außerordentliche Dinge gesehen. Lk 5,17-26

1.) Der Rahmen der Geschichte

Im Markus- und Lukasevangelium steht diese Geschichte jeweils unmittelbar hinter der Heilung des Aussätzigen.
Im Johannesevangelium werden diese Geschichten nicht erwähnt und im Matthäusevangelium liegen zwei Seenüberquerungen und einige Zeichen und Wunder zwischen diesen beiden Geschehnissen.

Jesu Wundertätigkeit und Lehre ist noch so gut wie ausnamslos lediglich an Juden gerichtet.
Es beginnen sich aber die ersten Widerstände zu formieren.
Grob gesagt stimmte Jesu Reden und Handeln nicht mit dem Bild überein, dass sich besonders die frommen Juden von ihrem Messias gerne gemacht hätte.

Ausserdem spricht Jesus die erste Sündenvergebung im Markusevangelium aus.
Der Glaube, der bei der Heilung des Aussätzigen lediglich zur Gesundung des Körpers, aber nicht zur Gesundung der Seele ausgereicht hatte, ermöglicht hier eine im Sinne Jesu vollständige Heilung.

Zwei Dinge sind an dieser vollständigen Heilung bemerkenswert:
Die Zeitform (vollendete Gegenwart) die Jesus im Zusammenhang mit der Sündenvergebung über den Gelähmten ausspricht, ist eigentlich unübersetzbar: Es ist eine Tatsache, die zwar (im juristischen Sinne) feststeht, die sich aber so, wie sie formuliert wird, im Grunde noch gar nicht ereignet hat.
Und zum Zweiten addiert Jesus den Glauben derjenigen, die den Gelähmten vor Ihn gebracht haben, dazu.
Beide Dinge erregen den Anstoss Derjenigen, die sich nicht vorstellen können, dass Gott in derartigen Kategorien denkt und handelt, wie Jesus das beispielsweise in dieser Heilungsgeschichte tut.

2.) Die an dieser Geschichte beteiligten Personen

a.) Jesus Christus

Sein Auftreten muss zu jener Zeit eine kleine Sensation gewesen sein: Geradlinig, voller Kraft und Vollmacht, unabhängig von jeglicher religiösen Strömung, sei sie römerfreundlich oder römerfeindlich gesinnt, und von keiner dieser Parteien für ihre Ziele einzuspannen.
Wo man ihn traf, da lehrte er meistens über das Wort Gottes, und Zeichen und Wunder waren in seiner Gegenwart ”normal”.
Deshalb wurde Er von der religiösen Elite immer genauer beäugt, während das Volk immer grössere Hoffnungen auf Ihn setzte.

b) Der Gelähmte

Der Mann hatte Freunde, auf die er sich verlassen konnte. Da, wo er quasi zur Untätigkeit ”verdammt” war, da unternehmen seine Freunde alles Menschenmögliche, um den Gelähmten mit Jesus und der Kraft des Herrrn zusammen zu bekommen. Dabei beweisen sie Phantasie und Durchhaltevermögen in ihrem Glauben Jesu gegenüber.
Sie riskieren einen Hausfriedensbruch, um zu ihrem Ziel kommen zu können.

c) Das Volk

Es reagiert erst richtig, als alles vorbei war: Es verherrlicht Gott über dem, was es gesehen, gehört und erlebt hat.
Es zieht aber nicht die richtigen Schlussfolgerungen, weil es sich über das Geschehen weitaus mehr Gedanken macht wie über Den, der dieses Geschehen bewekstelligt hat. So entsteht der Eindruck einer gewissen Sensationsgier, die dadurch verstärkt wird, dass die wirklich Hilfebedürftigen von dieser Gier fast daran gehindert wurden, Jesus und seine Kraft aus der Nähe kenenlernen zu können.

d) Die religiöse Elite

Sie verstanden sich als legitime Vertreter der Interessen Gottes und bemerkten dabei nicht, wie dieses Verständnis sie stolz und selbstgerecht gemacht hatte. Deshalb waren sie zu keinerlei Selbstkritik fähig, als Jesus die Motive ihrer Gedankengänge hinterfragte.
Sie bemerkten aber sehr wohl, dass dieser Jesus das Format hatte, ihre von Ihnen eingenommene Vorzugsstellung im Volk in Frage zu stellen, und das wollten sie unter allen Umständen verhindern. Deshalb suchten sie nach angreifbaren Komponenten in seinem Reden und Handeln, und als sie diese nicht fanden, wollten sie Ihn schnellstmöglichst beseitigen.

3.) Der Inhalt der Geschichte

Die Geschichte wird weniger von der Handlung der einzelnen Personen geprägt, als vielmehr von deren Gedanken und Absichten.

Ganz am Anfang steht die Zusage im Lukasevangelium, dass die Kraft des Herrn da war, um zu heilen.
Dann fällt der Eifer der Freunde des Gelähmten auf, die eine Versammlung unterbrechen und ein Haus beschädigen, nur um ihren Vorsatz in die Tat ausführen zu können.

Wiederum schätzt Jesus diese Äusserlichkeiten richtig ein – Er sieht den Glauben an Ihn und seine Kraft, und macht den ”zweiten” (aber ungleich wichtigeren Schritt) vor dem ersten Schritt, und spricht dem gelähmten Sündenvergebung zu.
Gleichzeitig macht er allen Zuhörern damit klar, dass dies sein eigentlicher Auftrag ist, nämlich die Menschen aus der Verlorenheit zu retten, indem Er für sie das Sündenproblem löst.

Gerade aber dieser Gedankengang stösst bei der religiösen Elite auf Ablehnung, da sie einerseits sehr wohl erkennt, dass das Sündenproblem nur von Gott selbst gelöst werden kann, aber andererseits Jesus aus Neid und Selbstgerechtigkeit heraus jegliche Beauftragung und Befähigung durch Gott abspricht.
Deshalb verknüpft Jesus in dieser Geschichte seine Vollmacht zu Heilen und seine Vollmacht Sünden zu vergeben, um mit dem Ersten das Letztere zu beweisen.

4.) Das Wesen und die Auswirkungen der Selbstgerechtigkeit

a) das falsche Selbstverständnis

Die Selbstgerechtigkeit ist zuerst eine Gedankensünde und deshalb als solche nicht einfach zu erkennen.
Sie gleicht einem Baum, der zwar äusserlich gesund aussehen mag und scheinbar gute Früchte bringt, der aber innerlich nicht gesund ist.

Er sprach aber auch zu einigen, die auf sich selbst vertrauten, daß sie gerecht seien, und die übrigen verachteten, dieses Gleichnis: Zwei Menschen gingen hinauf in den Tempel, um zu beten, der eine ein Pharisäer und der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stand und betete bei sich selbst so:
Gott, ich danke dir, daß ich nicht bin wie die übrigen der Menschen: Räuber, Ungerechte, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner. Ich faste zweimal in der Woche, ich verzehnte alles, was ich erwerbe.
Der Zöllner aber stand weitab und wollte sogar die Augen nicht aufheben zum Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: Gott, sei mir, dem Sünder, gnädig!
Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus im Gegensatz zu jenem; denn jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden; wer aber sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden. Lk 18,9-14

Nicht immer, aber sehr oft führt die Überbewertung der eigenen Gerechtigkeit zur gnadenlosen Verachtung anderer.
Aber immer liegt der Selbstgerechtigkeit ein falsches Gottesverständnis zugrunde.
Der Selbstgerechte meint, Gott in Gedanken, Worten und Taten davon überzeugen zu müssen und auch zu können, dass er gut genug sei, um vor Ihm bestehen zu können.
Wo Selbstgerechtigkeit in Aktion ist, da ist deshalb auch immer Religion und Tradition in Aktion.
Religion und Tradition ist der ideale Nährboden und gleichzeitig die logische Frucht der Selbstgerechtigkeit.

b) das falsche Gottesverständnis

Durch sein fehlgeleitetes Verständnis von Gott und seinen Masstäben hat ein Selbstgerechter keine "Antenne" für die Qualitäten Gottes. Deshalb kann und will er im Grunde nicht verstehen, dass Gott den Menschen liebevoll mit seiner Gnade und Wahrheit personifiziert in Jesus Christus entgegenkommt:

Sein älterer Sohn aber war auf dem Feld; und als er kam und sich dem Haus näherte, hörte er Musik und Reigen. Und er rief einen der Diener herbei und erkundigte sich, was das sei. Der aber sprach zu ihm: Dein Bruder ist gekommen, und dein Vater hat das gemästete Kalb geschlachtet, weil er ihn gesund wiedererhalten hat. Er aber wurde zornig und wollte nicht hineingehen.
Sein Vater aber ging hinaus und redete ihm zu. Er aber antwortete und sprach zu dem Vater: Siehe, so viele Jahre diene ich dir, und niemals habe ich ein Gebot von dir übertreten; und mir hast du niemals ein Böckchen gegeben, daß ich mit meinen Freunden fröhlich gewesen wäre; da aber dieser dein Sohn gekommen ist, der deine Habe mit Huren durchgebracht hat, hast du ihm das gemästete Kalb geschlachtet.
Er aber sprach zu ihm: Kind, du bist allezeit bei mir, und alles, was mein ist, ist dein. Lk 15,25-31

Das Musterbeispiel dafür ist der Ältere der "verlorenen Söhne". Mit der Gnade und Liebe des Vaters kommt dieser Sohn da nicht zurande, wo die Grenzen seiner selbstgezimmerten Gerechtigkeit erreicht und überschritten werden.
Da wird aus Unverständnis dann Unwillen, als dieser "Hiob des neuen Testamentes" sich benachteiligt fühlt, weil der Vater in seiner praktischen Barmherzigkeit sich liebevoller verhält, als der Sohn es den Umständen entsprechend wahrhaben will.
Dieser Unwillen verhindert ein auch nur einigermassen objektives Beurteilungsvermögen gründlich.

Selbstgerechtigkeit schränkt die Gnade Gottes auf ein für den "Gerechten" akzeptables Mass ein.

Ein Selbstgerechter schätzt Gott charakterlich ähnlich wie sich selbst ein, nur mit grösseren Möglichkeiten aufgrund grösserer Fähigkeiten. Der Umgang mit Gott wird nicht von Glaube, Liebe oder Hoffnung geprägt, sondern durch ein Geben und Nehmen auf der Grundlage von Religion und Tradition.
Gott ist quasi der ”Handelspartner meiner Seele”, den ich durch meine selbstgezogene Grenzen auf Sicherheitsabstand halten will, damit er in mein Lebenskonzept und Gerechtigkeitsverständnis Ihm und anderen Menschen gegenüber nicht über Gebühr hineinredet.

c) Die praktischen Auswirkungen der Selbstgerechtigkeit – Furcht und Leistungsorientierung

Genau hinter diesen selbstgezogenen Grenzen beginnt die Angst, mit diesem selbsterwählten Gerechtigkeitsanspruch und dieser selbsterwählten Gnadenarmut sich selbst und Anderen doch nicht genügen zu können.
Diese Angst wird durch Leistung kompensiert, so gut es geht.
Deshalb ist ein Selbstgerechter zwar in religiöser Hinsicht überaus aktiv, aber in seinem Herzen unerlöst und unsicher.
Die Taten können moralisch herausragend sein, aber sein Herz ist voller Befürchtungen:

Denn ich fürchtete einen Schrecken, und er traf mich, und wovor mir bangte, das kam über mich. Ich hatte keine Ruhe und hatte keinen Frieden, und ich konnte nicht ausruhen - da kam ein Toben. Hiob 3,25-26

Alle Selbstgerechten haben einen, wie sie meinen, hohen moralischen Standart, den sie durch eigenes Dazutun untermauern. Angetrieben durch ihre Herzensbefürchtungen entwickeln solche Leute deshalb ihre eigenen Gesetze, innerhalb derer sie sich durch deren gewissenhafte Befolgung ihre vermeintliche Üerlegenheit sichern. Dabei werden an und für sich gute Dinge so auf die Spitze getrieben, das diese durch den praktizierten Extremismus schon wieder schädlich für sie selbst und vor allem für andere sind. Ich denke an die Gesetzeshandhabung der Pharisäer, aber auch an die Arbeitswut des älteren Sohnes oder an den Opferkult Hiobs.

Nun pflegten seine Söhne hinzugehen und Gastmahl zu halten - der Reihe nach im Haus eines jeden. sandten sie hin und luden ihre drei Schwestern ein, mit ihnen zu essen und zu trinken. Und es geschah, wenn die Tage des Gastmahls reihumgegangen waren, da sandte Hiob hin und heiligte sie: Früh am Morgen stand er auf und opferte Brandopfer nach ihrer aller Zahl. Denn Hiob sagte : Vielleicht haben meine Söhne gesündigt und in ihrem Herzen Gott geflucht. So machte es Hiob all die Tage . Hiob 1,4-5

d) Das Urteil Gottes über Selbstgerechtigkeit: mangelnde Gotteserkenntnis

Und das Wort des HERRN geschah zu mir so: Menschensohn, wenn ein Land gegen mich sündigt, indem es Untreue begeht, und ich meine Hand gegen es ausstrecke und ihm den Stab des Brotes zerbreche und Hunger hinein sende und aus ihm Menschen und Vieh ausrotte - und diese drei Männer wären in seiner Mitte: Noah, Daniel und Hiob -, es würde um ihrer Gerechtigkeit willen ihre eigene Seele gerettet werden, spricht der Herr, HERR. Hes 14,12-14

Im Buch Hiob, dem umfangreichsten und genauesten Zeugnis über Selbstgerechtigkeit und seine Folgen, muss man zwischen Hiobs Taten und seinen Gedanken unterscheiden und dabei in manchen Fällen sehr genau in den Text hineinsehen.
Hiobs Taten waren moralisch so gut wie nicht zu übertreffen, seine selbstgerechte Gedankenwelt kannte Gott aber nur vom Hörensagen:

Vom Hörensagen hatte ich von dir gehört, jetzt aber hat mein Auge dich gesehen. Darum verwerfe ich und bereue in Staub und Asche. Hiob 42,5-6
Willst du wirklich mein Recht zunichte machen, mich schuldig sprechen, damit du als gerecht dastehst? Hiob 40,8

Das ist der Schlüsselvers zum Buch Hiob, und vielleicht das eindeutigste Urteil der Bibel über die Selbstgerechtigkeit.
Die Selbstgerechtigkeit stellt sich über die dementsprechenden Masstäbe Gottes und verwirft sie dadurch für sich.
Gleichzeitig wird Gott deswegen schuldig gesprochen, weil seine Gerechtigkeit scheinbar nicht genügt.

e) Der Unterschied zwischen Selbstgerechtigkeit und Stolz

Stolz ist die Ursünde und deshalb zugleich Wurzel aller anderen Zielverfehlungen; also auch der Selbstgerechtigkeit.
Die Selbstgerechtigkeit entspringt zwar aus dem Stolz, gründet sich jedoch hauptsächlich auf mangelnde Gotteserkenntnis.
In Römer 10,1-4 wird dieser Erkenntnismangel präzisiert:

Brüder! Das Wohlgefallen meines Herzens und mein Flehen für sie zu Gott ist, daß sie errettet werden.
Denn ich gebe ihnen Zeugnis, daß sie Eifer für Gott haben, aber nicht mit Erkenntnis.
Denn da sie Gottes Gerechtigkeit nicht erkannten und ihre eigene aufzurichten trachteten, haben sie sich der Gerechtigkeit Gottes nicht unterworfen.
Denn Christus ist des Gesetzes Ende, jedem Glaubenden zur Gerechtigkeit. Röm 10,1-4

Ein Selbstgerechter kennt im Grunde nicht die Masstäbe der Gerechtigkeit Gottes. Deshalb kann er sich dieser Gerechtigkeit normalerweise nicht im Glauben unterordnen. (Hiob konnte dies noch, war aber durch seine Herzensverfassung in Gefahr, dies irgendwann nicht mehr zu können!)
Resultat: (10,1) Nicht gerettet! Er mag zwar Jesus "kennen", lehnt aber unbewusst sein Erlösungswerk für sich selbst ab!

Im Unterschied zur Selbstgerechtigkeit lehnt der Stolz nicht nur die Erlösung Jesu ab, sondern auch den Anspruch Gottes, einziger Herr, Retter und Heiland zu sein.
Der Stolz geht gegen Gott, wie er ist; die Selbstgerechtigkeit geht gegen das, was Gott getan hat.

Wie bist du vom Himmel gefallen, du Glanzstern, Sohn der Morgenröte! zu Boden geschmettert, Überwältiger der Nationen! Und du, du sagtest in deinem Herzen: »Zum Himmel will ich hinaufsteigen, hoch über den Sternen Gottes meinen Thron aufrichten und mich niedersetzen auf den Versammlungsberg im äußersten Norden.
Ich will hinaufsteigen auf Wolkenhöhen, dem Höchsten mich gleichmachen.« - Jes 14,12-14

Insofern nimmt der Stolze mit seiner Persönlichkeit ein Stück weit den Platz Gottes ein.
Der Selbstgerechte kopiert ein Stück weit die Taten Gottes.
So wurden die Pharisäer zu Gesetzesübererfüllern und damit zu Heuchlern, Hiob zum furchterfüllten moralischen Genie und der ältere Sohn zum "Workoholic". Alle taten das, was sie ihrer Meinung nach von Gott erwarteten, das sie tun müssten, um ihm zu gefallen. Welch ein Missverständnis!

Der hauptsächliche Unterschied zwischen Selbstgerechtigkeit und Stolz besteht demzufolge darin, dass der Selbstgerechte bewusst oder unbewusst das Erlösungswerk, der Stolze zusätzlich die Person Jesu Christi als Herrn geringschätzt.

5.) Das Ziel dieser Geschichte

Hier kommen zwei Dinge zusammen, die eigentlich nicht zusammengehören können:
1.) Die Kraft des Herrn, bzw. Menschen, die gezielt Grenzen überschreiten, um sie zu erleben, und
2.) die Gedankenwelt der religiösen Elite, die sich zwar interessiert zeigt an dem, was Jesus lehrt, aber nicht bereit ist, irgendwelche selbstgezogenen Grenzen überschreiten zu wollen.

Die entscheidende Frage dieser Geschichte lautet: ”Was denkt ihr in euren Herzen?”

Hier spricht Jesus diese Grenzen direkt an, die verhindern, Jesus Christus als den zu erkennen, der er ist.
Gleich danach stellt Jesus die nächste Frage, welche die Untauglichkeit dieser gedanklichen Grenzen aufzeigen soll:
”Was ist leichter zu sagen: Sei seelisch oder sei körperlich gesund?”

Als nächstes vermittelt Jesus erfahrbares Wissen: Er heilt den Gelähmten und verknüpft diese Heilung mit seinem Auftrag.
Jetzt hat die religiöse Elite keine Ausrede mehr, wenn es um den Anspruch Jesu geht, Sünden zu vergeben, da Jesus seine Vollmacht mit dieser Heilung unter Beweis stellt.

Jesus heilt zwar einen Gelähmten, aber in erster Linie geht er gegen das selbstgerechte Gedankengut der Pharisäer und Schriftgelehrten vor, das keinen Gott anerkennen will, der ”gerechter” (d.h. grösser und vollmächtiger) ist als sie selbst.
In dieser Geschichte erreicht Jesus sein Ziel: alle staunen über Gottes Grösse und alle verherrlichen Gott über diese Heilung.
Wenn man allerdings in den Evangelien weiterliest, dann erkennt man diese Geschichte als Anfangspunkt einer Feindschaft.

Ein Selbstgerechter duldet auf Dauer niemanden über sich, weder Gott, noch irgendeinen Menschen.
Deshalb sind solche Menschen normalerweise empfindlich gegenüber Zeichen und Wunder, weil ihre Gedankenwelt damit Grenzen beiseitesetzen muss, die nicht gerne beiseitegesetzt werden wollen.
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