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Uriella strahlte, flirtete - und irrte


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Rolf

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Uriella strahlte, flirtete - und irrte



Bei ihrem Auftritt in Winterthur diagnostizierte Uriella einem Zuschauer Aids.
Ein Fehlurteil: Der junge Mann ist Diabetiker.



Von Hugo Stamm

Uriella gab am Dienstagabend beim «Stadtalk» im «Albani» eine Kostprobe ihrer angeblichen Hellsichtigkeit. Das Blutbild sei schlecht, er habe Aids, sagte sie einem Gast aus dem Publikum. Dieser schüttelte den Kopf. Nein, Aids habe er nicht, er sei Diabetiker. Uriella war für einen Moment betreten - das «Sprachrohr Gottes» fing sich aber rasch: «Du weisst es vielleicht noch nicht.» Das schaurige Ritual - Uriella versuchte den Mann mit göttlicher Energie zu heilen - war der Höhepunkt des denkwürdigen Talks. Und ein Tiefpunkt der Karriere des selbst ernannten Volltrance-Mediums. Doch schön der Reihe nach.

Das sei ein seriöser Anlass, keine Verarschung, mahnte Moderator Alexander Klemke das Publikum, bevor die 74-jährige Sektendiva elegant, ja beschwingt die Bühne betrat. Sie machte mit der linken Hand das Siegeszeichen. Ihr Mund reichte fast bis zu den Ohren, die Augen strahlten göttlich. Ohne Zweifel: Uriella, die in letzter Zeit die Öffentlichkeit gemieden hatte, war in Winterthur in Hochform. Das erwartungsvolle junge Publikum im gerammelt vollen Musikklub bot ihr den Rahmen, in dem sie aufzublühen pflegt.

Die unberührbare weisse Braut

Das Outfit signalisierte sofort: Ich bin die weisse Braut Jesu, unberührt und unberührbar. Die unzähligen weissen Perlen baumelten nicht nur an sechs Ketten, sie zierten auch die blütenreine Robe. Und überall glitzerten Diamanten. Uriella gab vom ersten Moment an alles. Sie flirtete mit dem Talkmaster, bezirzte das Publikum, sie lachte, wie nur Uriella lachen kann, sie strahlte, legte den Kopf devot auf die Seite, flehte die Besucher an. Sie säuselte, bettelte um Aufmerksamkeit, grinste, manchmal auch über sich selbst, wenn sich das Publikum kugelte vor Lachen. Würde man sie nicht kennen, wüsste man nicht, ob sie meint, was sie sagt. Und ob sie selbst glaubt, was sie erzählt. Sie war die perfekte Parodie ihrer selbst. Eben so, wie das Publikum sie liebt.

Doch manchmal entglitt ihr das Spiel mit den Besuchern - wenn diese respektlos losprusteten. In solchen Momenten mahnte sie eindringlich, man möge ihr und Jesus Glauben schenken. Und so plauderte sie über die angestrebte ungeschlechtliche Vermehrung, über die Ionosphäre und die Bipolarität im Leben. Sie sprach von Silberstreifen, die vom Bauchnabel ins Universum führten und der Seele nach dem Tod als Aufstiegskanal dienten. («Ihr dürft Tote auf keinen Fall kremieren!») Sie erklärte, dass die USA bald den Iran angreifen werden, die Endzeitszenarien also eine Fortsetzung fänden. In bester Uriella-Manier machte sie geistige Ausflüge in die Astrologie, Numerologie, Ufologie, in den Spiritismus und, und, und. Sie erwähnte ihre Röntgenaugen, mit denen sie Krankheiten todsicher sehe, ihre heilenden Hände, die schon Tausenden geholfen hätten. («Ich höre, wie die Zellen singen.»)

Doch dann, ganz am Schluss, blieb dem Publikum das Lachen im Hals stecken. Fiat-Lux-Chefin Uriella traktierte in Halbtrance den Zuschauer, der um eine Diagnose gebeten hatte. Sie betete zu Jesus, betastete den Gast mit ruckartigen Handbewegungen und leistete sich in ihrer Selbstüberschätzung den Fauxpas, ihm in aller Öffentlichkeit Aids anzudichten. Der Auftritt erinnerte fatal an andere Fälle mit teils tödlichem Ausgang. Als Uriella-Anhänger starben, weil das «Sprachrohr Gottes» mit Fehldiagnosen verhindert hatte, dass die lebensrettende Behandlung rechtzeitig angewendet werden konnte. Das Diagnosespiel mit dem Besucher war dann auch dem Moderator zu viel. Er unterbrach Uriella beim Schlussgebet und beendete den Talk rasch.

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