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Wunderheiler: Das Geschäft mit der Krankheit


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2 Antworten in diesem Thema

#1
Rolf

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Wunderheiler: Das Geschäft mit der Krankheit





von Christian Baars, Oda Lambrecht, Brid Roesner


Pjotr Elkunoviz hebt seinen Arm, den Zeigefinger ausgestreckt. Vor ihm liegt eine ältere Frau auf dem Rücken. Ihre Beine sind angeblich unterschiedlich lang. "Jetzt geschieht etwas Wunderbares, das alle erfahren sollten", sagt er und lässt langsam seinen Arm wieder sinken. "Die Aufrichtung geschieht jetzt in diesem Augenblick und die Beine sind gleich lang." Pjotr hält die Füße seiner Patientin, drückt sie leicht nach oben. Seine Assistentin schießt noch schnell ein Foto. Die Behandlung ist abgeschlossen. Pjotr Elkunoviz bezeichnet sich selbst als "Wunderwirkender".

Esoterik-Messe in Hamburg.

Die Lebensfreude Messe in Hamburg ist nach eigenen Angaben die größte
Esoterikmesse Deutschlands. Hier versprechen viele Anbieter Heilung.
Prospekt von Pjotr Elkunoviz auf Tischplatte.

Einer der Aussteller auf der Lebensfreude Messe ist Pjotr Elkunoviz. Er
wirbt in Prospekten für seine Behandlung und behauptet, den Geist der
Menschen in eine "Göttliche Odnung" zu bringen. So könnten alle
Krankheiten geheilt werden.
Ein Mann und eine Frau lassen sich auf einer Esoterikmesse von Pjotr
Elkunoviz behandeln.

Viele Besucher lassen sich gleich vor Ort auf der Messe behandeln. Pjotr
Elkunoviz gilt als einer der Stars der Szene. Eine Behandlung bei ihm
dauert nur wenige Minuten und kostet 130 Euro.
Mehrere Menschen lassen sich auf einer Esoterikmesse behandeln.
Auch die sogenannte Prana-Heilung ist bei den Besuchern sehr beliebt. Nach
Angaben der Anbieter handelt es sich um eine Form des "berührungslosen
Energie-Heilens".
Eine Heilerin hält auf einer Esoterikmesse ihre Hände über eine Frau.
Prana ist nur eine Form des sogenannten geistigen Heilens. Auf der Messe
tummeln sich Schamanen, Reiki-Meister, Gebetsheiler, Engelstherapeuten und
viele andere.

Ein Schild auf einer Esoterikmesse verspricht Gesundheit für jeden.
Viele Besucher hoffen auf Heilung für ihre Krankheit. Geistheiler auf der
Messe bieten verschiedenste Methoden. Das Gemeinsame: sie versprechen eine
Alternative zur Schulmedizin. Wissenschaftliche Nachweise für ihre
"Therapien" gibt es jedoch nicht.
Ein Mann leuchtet mit einem Gerät rotes Licht auf den Arm einer Frau.
Eine Therapie mit Licht soll angeblich gegen die von Zecken übertragene
Krankheit Borreliose helfen.
Bettwäsche auf einer Esoterikmesse.

An einem anderen Stand wird Bettwäsche verkauft. Die Symbole darauf sollen
von Engeln übermittet worden sein und eine positive Wirkung entfalten,
sogar gegen ansonsten unheilbare Krankheiten helfen.
Ein Mann hält seine Hände über eine Pyramide aus Acrylglas.
Diese Pyramide aus Acryl kann nach Angaben des Erfinders den Energiefluss
verbessern. Dafür kostet sie mehrere Hundert Euro.
Zwei Hände auf einer Decke.
Auch Handauflegen gehört zu den geistigen Heilmethoden, die auf der
Lebensfreude Messe angewendet werden.
Udo Sperlich wirbt auf einer Messe für sein Produkt.
Udo Sperlich verkauft an seinem Stand eine Art Verjüngungskur in einer
kleinen Plastikflasche. Die Gebrauchsanweisung: Fläschchen öffnen, zwei
Tropfen eigenes Blut hinzufügen, schütteln, fertig. Der Preis: 1.500 Euro.
Bildschirm, auf dem für Geistiges Heilen geworben wird.
Einige Anbieter versprechen sogar Heilung von schweren oder unheilbaren
Krankheiten.

Flyer auf einer Esoterikmesse werben für ein Seminar zum geistigen Heilen.
Wer möchte kann auch an vielen Ständen Seminare buchen und sich selbst in
wenigen Tagen zum Heiler ausbilden lassen. Die Seminare kosten oft mehrere
Hundert Euro.
Pjotr Elkunoviz hält einen Vortrag auf der Lebensfreude Messe in Hamburg.
Ergänzend zu der Werbung an ihren Ständen halten viele der Aussteller auch
Vorträge wie hier Pjotr Elkunoviz. Er sieht sich selbst als
"Wunderwirkender" und verspricht die "Herstellung der Göttlichen Ordnung".

Nur er könne das bewirken.
Anne Hübner zeigt bei einem Vortrag auf Bilder, die zeigen sollen, wie
Amalgam in Gold umgewandelt wurde.
Seine Geschäftspartnerin, Anne Hübner, erzählt, wie bei ihnen durch
"geistige Dentisten" Amalgamfüllungen in Gold umgewandelt würden.
Eine Vorführung von Pjotr Elkunoviz auf der Lebensfreude Messe in Hamburg.
Während seiner Vorführung präsentiert Pjotr Elkunoviz auch eine angebliche
Wunderheilung live. Die Wirbelsäule des jungen Manns sei jetzt gerade.
Pjotr Elkunoviz und Anne Hübner meditieren mit ihrem Publikum.
Zum Abschluss der Vorführung meditieren Pjotr Elkunoviz und Anne Hübner
mit ihrem Publikum. Einige Zuschauer wollen sich direkt im Anschluss für
eine Behandlung anmelden.

Esoterik-Messe in Hamburg.

Die Lebensfreude Messe in Hamburg ist nach eigenen Angaben die größte
Esoterikmesse Deutschlands. Hier versprechen viele Anbieter Heilung.
Esoterik-Messe in Hamburg.

Auf der Lebensfreude Messe in Hamburg ist Elkunoviz einer der Stars. Wer
will, kann sich gleich vor Ort von ihm behandeln lassen. "Sein Wirken ist
allumfassend heilend! Es gibt keine Krankheit, die nicht geheilt werden
könnte!", heißt es in einem seiner Prospekte. Die Behandlung dauert nur
wenige Minuten und kostet 130 Euro. Elkunoviz bietet aber auch eine
"Fernbehandlung am Telefon" für drei Euro pro Minute. Der Heiler macht mit
seinem umfangreichen Angebot Millionenumsätze.
"Fühle mich abgezockt"
Angela

Ich war bei dem Herrn Pjotr Elkunoviz und habe mich dort für 130 Euro
behandeln lassen. Leider hat es nichts gebracht und ich fühle mich auch
abgezockt. Ich war dort wegen einer Schmerzstörung, weil mir
schulmedizinisch keiner helfen konnte. Er hat das gleiche gemacht, wie in
ihrem Bericht und danach gesagt: Jetzt müssten die Schmerzen weg sein.
Waren sie aber nicht, dafür war mein Geld weg. mehr

"Esoterisierung der Gesellschaft"

"Pjotr Elkunoviz ist kein Einzelfall", sagt Ursula Caberta, Expertin für
Psychogruppen der Hamburger Innenbehörde. "Die Heilerszene boomt." Allein
mehr als 10.000 sogenannte Geistheiler betreiben in Deutschland ihr
Geschäft, schätzen Experten. Und der Markt wächst weiter. Die Heilerszene
verdient Milliarden Euro. Uta Bange vom Sekten-Info NRW spricht inzwischen
sogar von einer "Esoterisierung der Gesellschaft". Mehr als die Hälfte der
Deutschen glaube, dass sogenannte ganzheitliche Heilverfahren eine
Alternative zur Schulmedizin darstellten. Auf dem Markt tummeln sich
Geistheiler, Schamanen, Reiki-Meister, Engelstherapeuten und viele andere.
Eines haben sie gemeinsam: Für ihre Heilmethoden gibt es keinen
wissenschaftlichen Beleg.

Engel-Bettwäsche gegen Schmerzen

Auf Messen wie in Hamburg präsentieren sich Dutzende Heiler und bieten
ihre Produkte zum Kauf an: eine Lichttherapie gegen Borreliose,
Energiepyramiden oder Bettwäsche, die gegen eine ansonsten unheilbare
Schmerzerkrankung helfen soll. An einem der Stände auf der Messe steht ein
älterer Mann, der eine Art Verjüngungskur in einer kleinen
10-Milliliter-Flasche verkauft. Die Gebrauchsanweisung: Fläschchen öffnen,
zwei Tropfen eigenes Blut hinzufügen, schütteln, fertig. Der Preis: 1.500
Euro. Einige Anbieter versprechen sogar Heilung von Krankheiten wie Krebs
und AIDS.

Screenshot der Internetseite des Dachverbands Geistiges Heilen.
Detailansicht des Bildes Der Dachverband Geistiges Heilen stellt auf
seiner Seite verschiedene "Heilweisen" vor. Auch das Internet spielt für
die Vermarktung eine große Rolle. Hier bieten Tausende Heiler ihre Dienste
an. Und in Esoterikforen diskutieren Nutzer über Behandlungsformen und
loben angebliche Wunderheiler. Eine perfekte Werbung: Viele verlassen sich
auf die anonymen Erfahrungsberichte.

Experten beobachten den Boom der Wunderheiler mit Skepsis. Denn mit der
Zahl der Anbieter wächst auch die Zahl der Geschädigten. Beim Sekten-Info
NRW haben die Beratungsfälle im vergangenen Jahr deutlich zugenommen. Oft
geht es um viel Geld. So hat beispielsweise eine Geistheilerin mehr als
15.000 Euro für die Behandlung eines unheilbar krebskranken Jungen
genommen, der wenig später gestorben ist.

"Kranke Menschen werden ausgenutzt"

Auch Prof. Frank Gieseler berichtet von ähnlichen Fällen. Er ist Onkologe
am Uniklinikum Schleswig-Holstein und Vorsitzender der
Schleswig-Holsteinischen Krebsgesellschaft. Er kenne Leute, die Kredite
für Wunderheiler aufgenommen hätten. Oft koste die Behandlung dort 15.000
bis 20.000 Euro. "Da werden die Leute in ihrer Not ausgenutzt und bis auf
letzte Hemd ausgezogen", so Gieseler.

"Göttlicher Heilstrom" statt notwendiger Medikamente

Besonders gefährlich wird es, wenn Patienten sich ausschließlich auf ihren
Geistheiler verlassen. Uta Bange vom Sekten-Info NRW berichtet von einer
Asthmatikerin, die ihre Medikamente abgesetzt und auf einen "göttlichen
Heilstrom" vertraut habe. Bei einem Asthmaanfall habe sie keinen Notarzt
gerufen, sondern Mitglieder ihrer Psychogruppe. Sie sei qualvoll erstickt.

Der Dachverband Geistiges Heilen weist zwar darauf hin, dass
"geistig-spirituelle Heilbehandlungen" nicht in Konkurrenz zur
Schulmedizin stünden und "ausdrücklich kein Ersatz für ärztliche,
heilkundliche Diagnostik und Therapie" seien. Doch auch Ursula Caberta aus
Hamburg sagt, sie habe häufig Fälle, bei denen Kranke ihre vielleicht
lebensrettende schulmedizinische Behandlung abbrechen würden.

Experten fordern schärfere Gesetze

Ein großes Problem nach Ansicht vieler Experten ist, dass Geistheiler in
Deutschland weder eine Zulassung brauchen noch ausreichend kontrolliert
werden. Ursula Caberta fordert deshalb eine Gesetzesänderung: Alle, die
fälschlicherweise den Eindruck erwecken würden, sie könnten heilen,
müssten sich strafbar machen.

Eine solche Regelung sowie eine Reihe weiterer Maßnahmen hatte schon vor
mehr als zehn Jahren eine Enquete-Kommission des Bundestags empfohlen.
Ziel war es, die Verbraucher besser zu schützen. Doch bis heute sind diese
Vorschläge nicht umgesetzt worden.

Die Heilerszene wächst in der Zwischenzeit weiter. Auf der Lebensfreude
Messe in Hamburg bieten viele Aussteller eine Art Lehre an: in wenigen
Tagen zum Heiler für einige Hundert bis hin zu mehreren Tausend Euro. Das
funktioniere wie ein Strukturvertrieb, sagt Ursula Caberta. Einige Gurus
würden eine Methode entwickeln und neue Heiler ausbilden. "Die arbeiten
dann für ihn weiter", so Caberta. "Der Guru kann sich vielleicht
irgendwann gemütlich zurücklehnen. Das Geld fließt weiter."
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#2
keine Hoffung mehr

keine Hoffung mehr

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Ursula Caberta: Warum Menschen zu Geistheilern gehen


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#3
Rolf

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15.000 Euro für Gebet und Fernbehandlung





von Christian Baars, Oda Lambrecht, Brid Roesner


Helfmeier hat die Mails von Pia Thomas abgeheftet. Sie will rechtlich
gegen die Geistheilerin vorgehen. Der Fressnapf ist bis zum Rand gefüllt.
Dagmar Helfmeier balanciert ihn hinaus in den Garten. Hier warten drei
junge Welpen. Dagmar Helfmeier züchtet Hunde. Früher hat ihr Enkelsohn
Lukas immer mit ihren Welpen gespielt. Doch im November 2010 ist er an
einem Hirntumor gestorben. Im Herbst 2009 - da war er gerade sieben Jahre
alt - hatten Ärzte die unheilbare Krankheit festgestellt.

Dagmar Helfmeier erinnerte sich damals an einen Fernsehbericht über eine
Heilerin, über Pia Thomas. Angeblich sollte sie Wunder vollbringen können.
Auf ihrer Internetseite schreibt sie: "Ich heile mit Gott. Gott heilt
durch mich. Er lässt durch mich Wunder geschehen". Auch unheilbare, oder
austherapierte Fälle hätte sie "mit Erfolg" behandelt.
Hoffnung durch die Heilerin

Dagmar Helfmeier rief Pia Thomas an. "Ich hätte es mir nicht verziehen,
wenn ich nicht alles probiert hätte", sagt Helfmeier. Pia Thomas machte
ihr auch sofort Hoffnung. Gemeinsam mit ihrer Schwiegertochter fuhren sie
nach Köln zu einem ihrer Heilungsseminare. "Die Patienten saßen dann
Rücken an Rücken und Frau Thomas ging durch die Reihen, betete dabei. Man
verstand aber nicht, was sie sagte. Sie legte dann immer jedem die Hand
auf den Kopf. Und das war's dann."

Ein Foto von Lukas Helfmeier in einem Goldrahmen. Fotograf: Brid Rösner
Detailansicht des Bildes Lukas ist im November 2009 gestorben. 5.000 Euro
musste die Familie für die Behandlung zunächst bezahlen, später wurde es
noch mehr: insgesamt mehr als 15.000 Euro für einige Gebete sowie
"Fernbehandlungen", die Pia Thomas von ihrem Wohnsitz auf Mallorca aus
anbietet. Anfangs schien es Lukas auch besser zu gehen. Die Heilerin
verkündete sogar in einer Mail im Februar 2010: Der Junge sei im Moment
krebsfrei.

Wenige Monate später wuchs der Tumor jedoch wieder. Pia Thomas versprach,
noch etwas für Lukas tun zu wollen. Für seinen verschlechterten Zustand
habe sie die Chemotherapie verantwortlich gemacht, sagt Dagmar Helfmeier.
Schon im Februar 2010 hatte sie eine Mail geschickt: "Gerade heute Morgen
habe ich Lukas behandelt und ein Gespräch mit Jesus gehabt, dass ich die
Chemo eigentlich gar nicht gut finde und doch befürchte, dass sie ihm mehr
schadet als hilft. Jesus ist wohl auch der Meinung..."
Großmutter fühlt sich von der Heilerin betrogen

Lukas ging es immer schlechter. Und Dagmar Helfmeier fühlte sich von Pia
Thomas betrogen. Sie verlangte das Geld zurück. "Schließlich hat ja sie
das, was sie mir versprochen hat, nicht eingehalten", so Helfmeier. Doch
Thomas weigerte sich. Auch juristisch konnte Dagmar Helfmeier bislang
nichts erreichen. Die Staatsanwaltschaft Münster hat Ermittlungen
eingestellt – mit der Begründung, es müsse jedem klar sein, dass eine
solche Behandlung nicht funktionieren könne. Dagmar Helfmeier hat gegen
die Entscheidung Beschwerde eingelegt. Ein Gesetzesverstoß scheint aber
kaum nachzuweisen.

Pia Thomas selbst will sich zu dem Fall offenbar nicht mehr äußern. Ein
Interview dazu mit dem NDR lehnte sie ab. In einem Telefonat bestätigte
sie jedoch, dass sie den Jungen behandelt und dafür 15.000 Euro genommen
habe.
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