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Kontemplative Ideen von Larry Crabb


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#1
Rolf

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Immer wieder was Neues im Markt der Möglichkeiten. Kontemplatives gedankengut dringt in unsere Gemeinden,vor allem durch Dr. Larry Grabb ein. So kann man den Zen Buddhismus gesellschaftsfähig machen.




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Kontemplatives Gebet, das Herz des Mystizismus





Herz und Seele des Mystizismus, jeder Art von Mystizismus, christlich oder nichtchristlich, ist die Kunst der Meditation oder Kontemplation. Georgia Harkness erläutert, dass „unter den Kirchenvätern ‚Kontemplation‘ der übliche Begriff war, um das zu bezeichnen, was man später die mystische Erfahrung nannte.“1 Kontemplatives Gebet, auch bekannt als Centering Gebet und Atemgebet, gewinnt zunehmend an Popularität und Akzeptanz in evangelikalen Kreisen; aus diesem Grunde ist es wichtig, genau zu verstehen, um was es sich handelt und warum wir darüber besorgt sind.

Was ist kontemplatives Gebet?

Zuerst müssen wir den Unterschied kennen zwischen dem normalen Gebet, das man in der Schrift findet und wozu die gesamte Schrift aufruft, und dem kontemplativen Gebet, das man in der Schrift nicht findet. Gebet ist unsere Kommunikation mit Gott. Während der Herr durch sein Wort zu uns spricht, sprechen wir zu Ihm durch unser Gebet. Solche Gebete sind rational, intelligent und kommen aus unserem Verstand. Paulus sagte, er würde mit seinem Geist beten und er würde auch mit dem Verstand beten (1Kor 14,15), nicht entweder oder. Wir sollen ohne Unterlass beten (1Thess 5,17), und in unseren Gebeten sollen wir unsere Bitten zum Ausdruck bringen (Phil 4,6). Im Gebet bekennen wir unsere Sünden (1Jo 1,9). Im Gebet preisen wir Gott für sein Wesen. Gebete, die ein Lallen oder ohne Verstand sind, finden wir im Gegensatz zu den Behauptungen der Charismatiker nicht in der Schrift. Ebenso wenig finden wir das kontemplative Gebet in der Schrift, dessen Ursprung nicht in der Bibel sondern bei den christlichen Mystikern oder in der östlichen Spiritualität liegt. Es sollte erwähnt werden, dass das kontemplative Gebet (oft einfach nur als Meditation bezeichnet) im Grunde dem Hinduismus und Buddhismus entspricht und eigentlich im Christentum in identischer Weise praktiziert wird.

Um was genau handelt es sich? Es beginnt mit Loslösung. Richard Foster schrieb in seiner ersten Ausgabe von Celebration of Discipline (dt. Ausgabe: Nachfolge feiern) im Jahre 1978: „Christliche Meditation ist ein Versuch, den Verstand leer zu machen, um ihn zu füllen“ (S.15). Füllen mit was? In den östlichen Religionen macht eine Person ihren Verstand leer, um mit dem Universum (Kosmischen Bewusstsein) eins zu werden. Im christlichen Mystizismus macht man den Verstand leer, um mit Gott eins zu werden, der in uns selbst zu finden ist (es ist wichtig, sich an Meister Eckharts göttlichen Funken in der Seele eines jeden Menschen zu erinnern). Foster zitiert eine Reihe von Mystikern und beschreibt ihre Erfahrungen. Er führt beispielsweise den russischen Mystiker Theophan der Klausner auf, der sagte: „Zu beten bedeutet, sich mit dem Geist ins Herz zu versenken, um dort vor dem Angesicht des allgegenwärtigen und allwissenden Herrn in dir zu stehen.“2

Das wiederkehrende Thema des Mystikers ist die Einheit mit Gott, die durch das kontemplative Gebet ermöglicht wird, und die Einheit mit Gott, die in uns selbst gefunden werden kann. Theresa von Avila erläutert: „Da ich mit meinem Verstand keine Erkenntnis erlangte, strebte ich danach, mir Christus in mir vorzustellen.“3 Sie hat ferner gesagt: „Begib dich in die Abgeschiedenheit, und du wirst in deinem Selbst auf IHN treffen.“4 Solche Aussagen machen deutlich, warum die Mystiker unter den Verdacht gerieten, Pantheisten zu sein. Die Stille ist ein wichtiger Bestandteil der Kontemplation. Catherine de Haeck Doherty schreibt: „Alles in mir ist Stille und… ich bin in die Stille Gottes eingetaucht.“5 Francis de Dales merkt an: „Mittels der Imagination setzen wir unserem Verstand Grenzen innerhalb des Mysteriums, über das wir meditieren.“6 Imagination ist äußerst wichtig für die Mystiker. Wie Theresa uns mitteilt, handelt es sich dabei nicht um eine Methode, die von unserem Verstand kommt. Die Mystiker bewegen sich auf dünnem Eis, sozusagen, und müssen durch Imagination mit Gott in Kontakt treten und nicht durch den rationalen Weg des Verstandes. Die Macht solcher Erfahrungen wird offenkundig, wenn Foster uns sagt: „Wir müssen in einer ständigen, innerlichen, hörenden Stille leben, so dass Gott zur Quelle unserer Worte und Handlungen wird.“7

Folglich, durch das kontemplative Gebet soll eine Person ihren Verstand leeren (loslösen), ihn dann durch Imagination mit einer Erfahrung des Christus erfüllen (an Christus binden), den wir in der Stille unserer Seele finden, was letztlich dazu führt, dass Gott zur Quelle unserer Worte und Taten wird. Das klingt für viele attraktiv, obgleich eine solche Lehre nicht in der Schrift zu finden ist. Aber wie genau wird dies praktiziert?

Die Methode

Wie geht man also beim kontemplativen Gebet vor? Die Methoden ähneln jenen der östlichen Religionen und sind den meisten von uns in Form von Yoga oder Transzendentale Meditation ™ bekannt. Gary Thomas gibt die typischen Anweisungen: „Suche dir ein Wort aus (Jesus oder Vater beispielsweise) und mache es zum Mittelpunkt deines kontemplativen Gebets. Wiederhole das Wort leise in deinem Verstand für eine bestimmte Zeit (sagen wir 20 Minuten), bis dein Herz das Wort von selbst zu wiederholen scheint und dies so natürlich und unbewusst wie das Atmen wird. Aber das Stille-Gebet (Centering Gebet) ist eine kontemplative Handlung, bei der du gar nichts tust. Du verharrst einfach in der Gegenwart Gottes.“8 Also ist die Wiederholung von Worten oder kurzer Sätze, ein Mantra, der Schlüssel für diese Erfahrung. Richard Foster empfiehlt eine Reihe von Methoden und sagt: “Ich finde es am besten, in einem Stuhl mit gerader Lehne zu sitzen, mein Rücken in gerader Position und beide Füße flach auf dem Boden… Legen Sie Ihre Hände auf die Knie, die Handflächen nach oben als Zeichen des Empfangens. Manchmal ist es gut, die Augen zu schließen, um Ablenkungen zu vermeiden und die Aufmerksamkeit auf Christus zu lenken. Manchmal ist es zum gleichen Zweck hilfreich, wenn wir uns ein Bild von Gott vorstellen oder uns einige schöne Bäume oder Pflanzen betrachten.“9 Brennan Manning empfiehlt in seinem Buch The Signature of Jesus Folgendes: „Der erste Schritt im Glauben ist, im Gebet das Denken über Gott auszuschalten… Kontemplative Spiritualität betont gewöhnlich den Wandel des Bewusstseins… wir müssen die Realität anders wahrnehmen… Suchen sie sich ein einzelnes, heiliges Wort aus… wiederholen Sie das Wort in Ihrem Innern, langsam und oft… Treten Sie in die große Stille Gottes ein. Alleine in dieser Stille wird die innere Unruhe weichen und die Stimme der Liebe hörbar werden.“10 Offensichtlich ist es die Wiederholung des Mantras, das den leeren Verstand hervorruft. Mit einem leeren Verstand und einem offenen Herzen, das für alle möglichen Stimmen und Visionen empfänglich ist, wird eine Person in einen mystischen Zustand versetzt. Dies ist der Zustand, der für den Mystizismus so entscheidend ist, und diesen Zustand erreicht man durch das kontemplative Gebet. Bezüglich dieser Dinge ermutigt Foster dazu: „Obwohl es in modernen Ohren seltsam klingen mag, sollten wir uns alle als Lehrlinge in der Schule des kontemplativen Gebets einschreiben.“11 Im Gegensatz zu Foster suchen wir in der Schrift vergeblich nach solchen Anweisungen. Wir treffen aber bei den östlichen Religionen ständig auf diese Art von Kontemplation. Daher finde ich es sowohl gewagt als auch bezeichnend, dass Foster bei seiner Empfehlung für Catherine de Haeck Dohertys Dienst tatsächlich einräumt, dass ihr Buchtitel Poustinia: Christian Spirituality of the East for Western Man (Poustinia: Christliche Spiritualität des Ostens für den westlichen Menschen) lautet.12 Dies lässt keinen Zweifel offen, aus welchen Quellen diese Art von Gebet kommt.

Ist dies aber biblisch?

Keine Erfahrung oder Methode, die Spiritualität fördert, sollte von vorneherein abgelehnt oder ungeprüft akzeptiert werden. Die Schrift ist der letztgültige Maßstab, und wie wir gesehen haben, finden wir den Mystizismus, den wir näher betrachtet haben, keineswegs in der Schrift. Ich finde es höchst interessant, was Winfried Corduan in seinem Buch Mysticism, an Evangelical Option? (Mystizismus, eine evangelikale Option?) einräumen musste. Corduan würde sich nicht so stark an die Schrift binden, wie wir es tun, und er würde einen milden Mystizismus im Leben eines Christen durchaus positiv bewerten. Aber am Ende seines Buches stellt er eine Reihe wichtiger Fragen.

„Im Kontext des Neuen Testaments wird dieser Aspekt der mystischen Erfahrung problematisch. Denn dies würde bedeuten, dass mystische Erfahrungen zu einer Quelle von Offenbarungen werden, ein persönlicher Weg, um Einsichten über Gott und sein Handeln zu empfangen. Wenn dem so wäre, wie Arthur L. Johnson betont, würde die evangelikale Lehre unterlaufen, die die Schrift als einzige Quelle von Offenbarung anerkennt. „Die Schrift lehrt an keiner Stelle, dass Gott uns irgendwelche Erkenntnisse durch ‚spirituelle Erfahrungen‘ gibt. Erkenntnis in geistlichen Dingen wird stets mit Gottes Offenbarung in Form von Aussagen, in Form des geschriebenen Wortes, verbunden.“13

Corduan spricht einen wichtigen Punkt an. Der Mystizismus, sowohl die alte als auch die moderne Form, ist voller angeblicher Offenbarungen von Gott. Tatsächlich ist dies der Anziehungspunkt – Gott wird dir persönlich im Zentrum deiner Seele begegnen und dir Dinge mitteilen, die weit über die Schrift hinausgehen. „Christliche Meditation ist einfach gesagt die Fähigkeit, Gottes Stimme zu hören und seinem Wort zu gehorchen,“ so Foster.14 Dies ist kein Ausrutscher. Foster ist kein Befürworter, auf die Stimme Gottes im geschriebenen Wort Gottes zu hören. Er stellt noch nicht einmal „sein Wort“ mit der Bibel gleich. Er spricht davon, dass man Gottes Stimme außerhalb der Schrift hören und dieser Offenbarung folgen soll. Dies ist eine der größten Gefahren des Mystizismus. Corduan fährt fort:

„Wir haben die Behauptung aufgestellt, dass Mystizismus ein sehr wichtiger Aspekt der neutestamentlichen Theologie ist [er definiert Mystizismus etwas anders als der vorliegende Artikel]. Und doch sollen wir keine mystischen Erfahrungen suchen. Durch einen neutestamentlichen Mystizismus kann man die Wahrheit nicht erkennen. Es gibt keinen Weg der Askese oder Meditation, um diese mystische Realität zu erfahren. Vielmehr gibt es zwei wichtige Gebote. Das erste ist: „Glaubt an den Herrn Jesus Christus!“ (Apg 16,31). Das zweite ist: „Lebt… im Geist! (Röm 8,5). Es geht darum, ein Leben im Licht der Tatsache zu führen, dass diese Realitäten durch Gottes Gnade geschenkt werden. Christen müssen die gegenwärtigen Realitäten nicht suchen, sondern sie genießen. Wenn sie sich dem Werk Gottes hingeben, bringt der Heilige Geiste ein neues, übernatürliches Leben in ihnen hervor.“15

Dies ist neutestamentliche Spiritualität: die Wiedergeburt und die Innewohnung des Geistes und die Befähigung durch die Kraft des Heiligen Geistes, was auf der Grundlage der geoffenbarten Wahrheit der Schrift geschieht. Wenn Gott es gewollt hätte, dass wir Ihm durch mystische Methoden oder das kontemplative Gebet begegnen, warum hat er uns dies nicht mitgeteilt? Warum finden wir keine Beispiele oder Anweisungen hierfür? Wie konnte der Heilige Geist die Niederschrift der Bibel inspirieren, aber vergessen ein oder zwei Kapitel über Mystizismus, geistlichen Übungen oder Meditation nach östlichem Vorbild einzuschließen? Sollen wir etwa glauben, dass der Geist dies alles übersehen und derart wichtige Unterweisungen über unbedingt notwendige Erfahrungen, die für die christliche Spiritualität absolut notwendig sind, übersehen hat? Wenn dem so wäre, sollen wir glauben, Gott habe katholischen Mönchen Jahrhunderte später das fehlende Glied des christlichen Lebens offenbart, das von den Reformern verworfen wurde, nur um von Richard Foster im 20. Jahrhundert erneut eingeführt zu werden? Dies ist fast nicht vorstellbar, aber offensichtlich wird es von vielen heute akzeptiert.

Moderne Protagonisten der mystischen Methode

Wenn die mystischen Methoden, die wir beschrieben haben, lediglich in einer kleinen Ecke der christlichen Subkultur zu finden wären, dann hätten wir zu viel Zeit darauf verschwendet. Aber unglücklicherweise ist das, was einmal eine Ausnahme war, heute zum Hauptstrom geworden. Mehr und mehr Organisationen, Colleges, Seminare und Autoren propagieren die Überlegenheit des mystischen Christentums. Und dabei konzentriert man sich besonders auf die Jugend. Im Jahre 1990 führte beispielsweise das San Francisco Theological Seminary zusammen mit der sehr einflussreichen Jugendorganisation Youth Specialities eine dreijährige Untersuchung durch, bei der es um kontemplative Methoden ging. Das Projekt wurde von der Stiftung Lilly Endowment Fund finanziert. Mike Yaconelli, Mitgründer von Youth Specialities, begann sich für kontemplatives Gebet zu interessieren, als er eine geistlich trockene Zeit in seinem Leben erfuhr und ein Buch von Henri Nouwen zu diesem Thema gelesen hatte. Yaconelli und Youth Specialities bieten seither kontemplatives Gebet und Mystizismus bei ihren jährlich stattfindenden Pastorenkonferenzen und Jugendkonferenzen an, bei denen sie jährlich über 100.000 Jugendleiter erreichen.16 Jede Konferenz bietet Kurse an, wie man einen kontemplativen Dienst unter Jugendlichen aufbauen, die Lectio Divina beten (ein altes kontemplatives Gebet in vier Stufen) und Gebetslabyrinthe begehen kann. Der Tochterverlag von Christianity Today, Christian Parenting, veröffentlichte kürzlich einen Artikel (Herbst 2004), der für die Lectio Divina für Jugendliche warb. Christliche Sänger wie John Michael Talbot empfehlen das kontemplative Gebet ebenso wie die östlichen Methoden des Tai Chi und Yoga. Ohne Frage ist der ehemalige katholische Priester Brennan Manning tief in Mystizismus verstrickt, und doch verschenkt Michael W. Smith seine Bücher, und Michael Card holt sich bei ihm Rat ein und benannte seinen Sohn nach ihm. Larry Crabb frägt ihn um Rat, Eugene Peterson liebt seine Bücher, Max Lucado empfiehlt seine Bücher, Philip Yancey betrachtet ihn als einen guten Freund,17 und Multnomah sowie NavPress, evangelikale Verlage, veröffentlichen seine Bücher. Mystizismus und kontemplatives Gebet sickert durch viele Quellen in den Evangelikalismus ein, und eine Flutwelle könnte sich durchaus bald ereignen. Wir müssen darauf vorbereitet sein, den Glauben gegen diese äußerst gefährliche Perversion des biblischen Glaubens zu verteidigen.


Anmerkungen

[1] Georgia Harkness, Mysticism, (Nashville, Tennessee: Abingdon Press, 1973), p. 25.
[2] Richard Foster, Celebration of Discipline, (New York: HarperCollins, 1998), p. 19.
[3] Ibid., p. 25.
[4] Ibid., p. 96.
[5] Ibid., p. 102.
[6] Ibid., p. 25.
[7] Ibid., p. 166.
[8] Cited in James Sundquist, Who’s Driving the Purpose Driven Church?, (Bethany, OK: Rock Salt Publishing, 2004), p. 93.
[9] Richard Foster, p. 28.
[10] Cited in Ray Yunger, A Time of Departing, (Silverton, Oregon: Lighthouse Trails, 2002), p. 84.
[11] Richard Foster, p. 15.
[12] Ibid., p. 107.
[13] Winfried Corduan, Mysticism, an Evangelical Option?, (Grand Rapids, Michigan: Zondervan, 1991), p. 120.
[14] Richard Foster, p. 17.
[15] Winfried Corduan, p. 138.
[16] Yungen, pp. 133-134.
[17] Agnieszka Tennant, “The Patched Up Life and Message of Brennan Manning,” Christianity Today, June 2004, p. 42.


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#2
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Merton, Thomas: Christliche Kontemplation



Ein radikaler Weg der Gottessuche


(Claudius Verlag, München 2010, 404 S., 24,80 €).

Wer sich für Spiritualität, Mystik und auch (christlichen) Zen interessiert, kommt an den amerikanischen Ordensleuten Thomas Merton und Thomas Keating kaum vorbei. Beide Autoren gehören zu den Hauptvertretern christlicher Mystik im 20. Jahrhundert. Zwei ihrer Texte wurden neu übersetzt und herausgegeben.

Thomas Merton, 1915 geboren, trat mit 23 Jahren zur katholischen Kirche über und war bis zum tödlichen Unglück 1968 fast dreißig Jahre Trappistenmönch. Unter seinen rund sechzig Büchern und hunderten von Aufsätzen zu Kontemplation und Spiritualität hat er das vorliegende Werk (Original: „New Seeds of Contemplation", deutsch: „Verheißungen der Stille") selbst als eines der gelungensten betrachtet - mit Recht. Bereits 1949 wurde es ein Bestseller. Bis heute ist es im englischsprachigen Raum gefragt. Der Autor überarbeitete es nach zwölf Jahren grundlegend und dokumentierte so seinen Prozess inneren Wachstums im geistlichen Leben sowie bei dessen Vermittlung.

Merton erweist sich als brillanter Kenner der christlichen Mystiktradition, etwa von Bernhard von Clairvaux oder von Johannes vom Kreuz. Er verlebendigt diese Gedanken und weist revolutionär in die Zukunft. Mertons christliche Entschiedenheit machte ihn besonders dialogfähig - zum Beispiel im Gespräch mit der Philosophie des frühen Existenzialismus und Personalismus, später mit dem (Zen-)Buddhismus. Je mehr der Autor im Geheimnis des christlichen Glaubens verwurzelt ist, desto offener wird die Perspektive. Je geübter im Alltag und bewährter in den Herausforderungen der Gegenwart, desto dialogfähiger und weltoffener.

Man kann die 39 Abschnitte des kontemplativen Gebetsteppichs auch einzeln abschreiten, meditieren und vermitteln. In jedem Falle ist ein Klassiker christlicher Spiritualität auf Deutsch wieder zugänglich und das in einer guten Übersetzung des Merton-Schülers und -Gefährten Bernardin Schellenberger.

Der langjährige Zisterzienserabt Thomas Keating, acht Jahre jünger als Merton und in gewisser Weise dessen Schüler, steht in der gleichen kontemplativen Tradition. Nicht zufällig ist sein „Centering Prayer" (Gebet der Mitte) in den USA zu einem weit verbreiteten spirituellen Weg geworden. Dieses „Gebet der Sammlung", wie man es bei uns nennt, wird von diesem Meister des geistlichen Lebens mit Erfahrung, pädagogischem Geschick und innerer wie schriftstellerischer Klarheit einladend dargestellt. Auch bei diesem Standardwerk wird deutlich, wie sehr authentische Kontemplation den Alltag verändert und das ganze Leben bestimmt.

Gotthard Fuchs
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#3
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In der katholischen Kirche wird auch die buddhistische Kontemplation befürwortet. Im nachfolgenden Beitrag wird deutlich, was da noch alles integriert wird.

Aktuell wurde das Thema wieder durch das sogenannte Jahr der Stille.




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Kontemplation - Der vergessene mystische Weg der Christen





Normalerweise stellen sich mir schon die nackenhaare auf, wenn ich die worte 'kirche' und im besonderen 'katholische kirche' höre, aber hier habe ich einen vortrag von pater Willigis Jäger, der mich doch erstaunt hat. der vortrag stammt von der seite der akademie der diözese rottenburg-stuttgart. es handelt sich dabei um eine selbständig arbeitende einrichtung der katholischen kirche in württemberg die sich mit allerlei interessanten themen beschäftigt.



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Mit diesem Vortrag möchte ich eine vergessene Form christlichen Betens ins Bewusstsein zurückholen: die Kontemplation. Kontemplation ist der gegenstandsfreie spirituelle Weg der Christen, der parallel zu Zen, Yoga, Vipassana und den Sufi-Formen verläuft. Die Christen müssen heute nach Osten schauen, weil ihre eigene spirituelle Tradition in Vergessenheit geraten ist.

1. Exoterische und esoterische Spiritualität.

Unser rationales Bewusstsein ist nur eine Erkenntnismöglichkeit des Bewußtseins. Es betrachtet das Universum in der ihm eigenen Möglichkeit, die, wie wir heute wissen, sehr begrenzt ist. Draußen gibt es Schwingungen: Farbe - Töne - Wärme - Licht. Wir können mit unserer rationalen Bewusstseinsebene bei weitem nicht alle Dimensionen des Universums erfassen. Durch eine dünne Haut von ihr getrennt, liegen andere Formen des Erkennens. Wir spielen auf einer Oktave, obwohl unser Bewusstsein viele Oktaven hat. Wir haben unseren Verstand 10, 20 und mehr Jahre trainiert. Niemand hat uns gesagt, dass in uns Potenzen liegen, die Wirklichkeit viel umfassender erfahren können. Wir haben von Pythagoras den Lehrsatz gelernt: Das Viereck über der Hypothenuse ... Niemand hat uns gesagt, dass er ein Eingeweihter war. Wir haben Plato übersetzt, aber niemand hat uns auf den mystischen Hintergrund seiner Schriften aufmerksam gemacht.

Auch in der Theologie haben wir nichts von Mystik erfahren, denn sie steht auf der Seite der eingrenzenden rationalen Erfahrung. Was wir Offenbarung nennen, kleidet sich in das Sprachgewand dieser Erkenntnisform. Die Offenbarung selber geschieht jedoch im strukturlosen Erkenntnisraum und ist ohne Bild und Form. Erst wenn sie in unser Ichbewusstsein tritt, erhält sie je nach Kultur, Bildung und Religion ein bestimmtes Sprachgewand.

Jesus lebte sicher lange in der Einsamkeit. Vielleicht war er in einer der Prophetenschulen, die es in der Wüste Vorderasiens immer gab. Vielleicht war er wirklich in Ägypten und ist dort der östlichen Weisheit begegnet. Seine Parabeln sind nichts Originelles. Sie sind in allen asiatischen religiösen Strömungen zu finden. Er war ein Wanderprediger und Mystiker und hat aus der Einheitserfahrung mit dem, was er Vater nannte, gelebt und gepredigt.

Wir haben als Christen erst wieder zu erkennen, dass Religion auf der Urerfahrung der sogenannten Stifter beruht, die ihre Erfahrung in Worte übersetzt haben. Erst kam Erfahrung, dann das Wort, gefiltert durch die Persönlichkeit des Weisen. Menschen in diese Urerfahrung zu führen, war das eigentliche Ziel aller Religionen, das Wort sollte lediglich eine Hilfe sein.

Es ist beschämend, dass die Naturwissenschaft und die transpersonale Psychologie unserer Zeit mehr vom Raum hinter der Ratio sprechen als die Theologie. Der Naturwissenschaftler Bohm schreibt: "Was wirklich lebendig ist in den lebenden Wesen, ist die Energie des Geistes, und die ist nicht geboren und wird nicht sterben". (1)

Andreas Tamara von der NLP spricht vom Core-Transformationsprozeß oder von der inneren Quelle. (2) Robert Dilts und Robert McDonald, die ebenfalls von der NLP kommen, sprechen in ihren Büchern von spiritueller Erneuerung und bieten Übungen an, die in den transpersonalen Bewußtseinsraum führen. (3) Sie verwenden das Wort Gott nicht in ihren Ausführungen. Sie führen aber in den Erlebnisraum der Mystik.

Zukav, Nobelpreisträger, ein amerikanischer Naturwissenschaftler, der vor allem im subatomaren Bereich geforscht hat, meint daher: ''Seien sie nicht überrascht, wenn die Vorlesungsverzeichnisse über Physik im 21. Jahrhundert Vorlesungen über Meditation enthalten". (4) In der Theologie wird es wohl nicht so sein. Das Wort Mystik wird im Katechismus nicht erwähnt. Während die Naturwissenschaft in den östlichen esoterischen Wegen eine Verwandtschaft zu ihren Grenzerfahrungen entdeckt, ist der christliche esoterische Weg in Vergessenheit geraten.

Ein Unterschied zeigt sich für mich nicht so sehr zwischen den einzelnen Religionen - also nicht zwischen Buddhismus, Christentum, Islam und Hinduismus, um nur die großen Religionen zu nennen -, sondern zwischen esoterischer und exoterischer oder apophatischer und kataphatischer Spiritualität.

Ich will hier kurz erklären, was ich unter Esoterik und Exoterik verstehe: Esoterik kommt vom griechischen Wort esoteros = drinnen, innerhalb, eingeweiht. Exoterik kommt von exoteros = populär, für Laien verständlich. Ich gebrauche die Bezeichnung Esoterik hier aber nicht im Sinne von Eingeweihten oder Menschen, die sich zu einer esoterischen Gruppe zählen. Und Exoterik gebrauche ich nicht im Sinne von Nichteingeweihten oder Außenstehenden.

Mit Exoterik bezeichne ich eine Spiritualität, die ausschließlich auf Schriften, Dogmen, Riten oder Symbolen beruht. Mit Esoterik benenne ich eine Spiritualität, die auf Erfahrung zielt, und in diesem Ziel auch den Sinn der Religion sieht. Ein Esoteriker ist also nicht ein Mensch mit elitärem Bewusstsein, sondern ein Mensch, der sich auf den Weg gemacht hat, das Göttliche in sich und in allem zu erfahren.



Kataphatische und apophatische Spiritualit.

Das Gleiche besagen die Begriffe kataphatische und apophatische Spiritualität. Jede Religion zeigt einen zweifachen Weg zu Gott, und die Religionswissenschaftler haben dafür einen eigenen Begriff geprägt: apophatisch und kataphatisch. (apo = weg, kata = hinab, phatis = Rede, Wort). - Der eine Weg ist also ohne Rede und Wort, der andere mit Rede und Wort.
Die kataphatische Spiritualität arbeitet mit Bewußtseinsinhalten, d.h. mit Bildern, Symbolen, Vorstellungen und Begriffen. Sie ist inhaltsorientiert und geht von der Überzeugung aus, dass der Mensch Bilder und Begriffe braucht, um zu Gott zu kommen, und dass diese für die Entfaltung des religiösen Lebens von größter Bedeutung sind.
Die apophatische Spiritualität dagegen ist auf das reine, leere Bewusstsein hin orientiert. Inhalte werden als Hindernis angesehen. Solange das Bewusstsein an Bildern oder Konzepten festhält, ist es noch nicht dort, wo die eigentliche Erfahrung Gottes möglich ist. Bilder und Vorstellungen verdunkeln das Göttliche mehr, als dass sie es erhellen. Sie sind Glasfenster, die vom Licht, das dahinter leuchtet, erhellt werden. Wer das Licht sehen will, muß hinter die Glasfenster schauen.
Alle Religionen haben auch Wege gesucht und gelehrt, die in die wortlose Erfahrung dessen führen wollen, was die Heiligen Schriften verkünden.
Der fundamentale Unterschied, um das zu wiederholen, verläuft also nicht zwischen den Lehren und Riten der einzelnen Religionen, sondern zwischen der esoterischen und exoterischen Spiritualität dieser Religionen.

2. Der kontemplative Weg

Der Weg der Kontemplation wurde im Mittelalter als Ziel christlichen Betens allgemein gelehrt. Die Gebetslehre unterschied drei Formen:
1. Mündliches Gebet
2. Betrachtendes Gebet - Meditation
3. Kontemplatives Gebet oder Kontemplation (Osuna)
Meditation ist bei den Mystikern keine Kontemplation, sondern eine Gebetsübung, bei der Verstand, Sinne und Wille aktiviert werden. Man verwendet für diesen Gebetsweg zutreffender das Wort Betrachtung, insofern Meditation ein Befassen mit Bewusstseinsinhalten, mit Bildern, Worten, Metaphern oder mit der Natur beinhaltet. Die Kräfte der Seele werden dabei angeregt.
Kontemplation dagegen ist nur möglich, wenn die Seelenkräfte Verstand, Gedächtnis und Wille zur Ruhe gekommen sind. Alle seelischen Kräfte verhalten sich in der Kontemplation passiv. Es geschieht etwas mit dem Betenden. Es werden keinerlei Inhalte angenommen. Selbst religiöse Bilder, Visionen, innere Ansprachen und fromme Gedanken werden zurückgelassen. Kontemplation ist ein reines Schauen (Contemplatio). Dem Beter widerfährt etwas. Es ist ein Erwachen zu unserem wahren Wesen, das göttlich ist.
Kontemplation übersteigt die Konfession, denn Konfession wird gebraucht im Sinne von Bekenntnis zu einem bestimmten, festgeschriebenen Glauben, etwa katholisch, buddhistisch, hinduistisch usw. Die Religion ist meist verbunden mit dem Anspruch auf Rechtgläubigkeit, vor allem in den theistischen Religionen. Sie erheben den Anspruch auf Gewissheit und Einzigartigkeit.
Die Religionen der Zukunft werden daher nicht so sehr durch ihre Konfessionen getrennt sein, die sie bekennen, sondern durch ihre esoterische oder exoterische Spiritualität. Der Schnitt verläuft horizontal, nicht vertikal. Die meisten Menschen gehen in ihren Religionen eher einen kataphatischen (exoterischen) Weg, d.h. den Weg der Bilder, der Vorstellungen und Konzepte von Gott. Die kataphatische Spiritualität spielt daher in allen Religionen die größere Rolle. Je stärker aber die Religion ins Mystische hineingeht, um so mehr wird sie apophatisch (esoterisch), d.h. sie verlässt die Bilder, die Vorstellungen und Konzepte, weil diese von einem bestimmten Punkt an Gott mehr verdunkeln als erhellen.

Aber Glaube kann nicht mitgeteilt werden ohne Bilder und Worte. Religion braucht daher Bilder und Worte, um bestehen zu können, wohl wissend, dass diese Bilder und Worte nur eine tiefere Wirklichkeit symbolisieren. Die Gefahr, diese zu verdinglichen und letztlich sogar anzubeten, ist in jeder Religion sehr groß. Bilder und Symbole können echte Wege, die in die letzte Wirklichkeit hineinführen, sein. Sie können aber auch zum Hindernis werden.

Christliche Mystiker litten immer darunter, dass sie ihre Erfahrung mit den dogmatischen Aussagen der Institution in Einklang bringen musste. Der Mystiker durfte oft nicht sagen, was er erfuhr, denn er durfte nur erfahren, was mit der kirchlichen Lehre übereinstimmte. Auch Johannes vom Kreuz und Theresa hatten Schwierigkeiten mit der Inquisition, denn die Mystiker erfahren ein anderes Gottesbild.
Ziel aller Religion ist die Einheit mit der universalen Wirklichkeit. Unio mystica nennt es die christliche Tradition. Das heißt Einssein mit Gott, so alt sein wie Gott, d. h. zeitloses Leben sein. Unser tiefstes Wesen hat kein Alter. Es ist zeitlos wie Gott selber. Wenn wir diese zeitlose Existenz erfahren, sind wir auferstanden. Jesus ist der Typus, an dem wir erkennen können, wer wir sind.

Gott manifestiert sich im Baum als Baum, im Tier als Tier und im Menschen als Mensch. Er kreiert und offenbart sich ständig in all diesen Formen, die wir das Universum nennen. Warum also eine personale Struktur, warum ein Ich festhalten?

3. Kontemplation in der Geschichte


Das Göttliche zu erfahren, war auch das Ziel der christlichen Gebetslehre bis ins hohe Mittelalter. Kontemplation ist das Wort, das im ganzen Mittelalter für das gegenstandsfreie Beten verwendet worden ist. Bonaventura, Hugo und Richard v. St. Viktor sprechen im Hinblick auf die drei Gebetsformen vom Auge des Fleisches, vom Auge der Ratio und vom Auge der Kontemplation. Das Ziel der Gebetsunterweisung war die Kontemplation. Von diesem Ziel ist heute in unserer Gebetsunterweisung nicht mehr die Rede. Wir entdecken gerade wieder die Meditation.
Dabei war bis vor zweihundert Jahren Kontemplation eine Selbstverständlichkeit in der Gebetserziehung.

Madame Guyon hat im 18. Jahrhundert noch eine Anweisung zum kontemplativen Beten geschrieben, eine Anweisung für jeden, wie sie betont: "Alle sind geeignet für das Innere Gebet. Es ist ein großes Unglück, dass fast jedermann sich in den Kopf setzt, nicht zum Inneren Gebet berufen zu sein. Wir alle sind zum Inneren Gebet berufen, so wie wir alle zum Heil berufen sind." (5) Sie hebt hervor, dass dieses Gebet sehr leicht ist. Und sie bedauert sehr, dass es von den Priestern nicht gelehrt wird.

Johannes v. Kreuz gibt Anweisungen für jeden, wenn er im Vorwort zum "Aufstieg zum Berg Karmel" schreibt: "Diese Abhandlung erklärt, wie man die göttliche Union schnell erreicht. Sie bringt Instruktionen und Unterweisungen für Anfänger..." Auch in der "Wolke des Nichtwissens", jenen Anweisungen eines unbekannten englischen Mystikers aus dem 14. Jahrhundert, erfahren wir, dass Kontemplation für jeden ernsthaften Christen ein Weg ist. Der Verfasser verteidigt diese Gebetsform in seinem Vorwort und weist im Kap. 74 darauf hin, dass der Ruf zum kontemplativen Beten an alle Ordensleute und Laien ergeht.
Ludwig Blosius, ein Benediktiner des 14. Jahrhunderts in Frankreich, schreibt: "Wenn du sagst, diese Vollkommenheit (Kontemplation) ist für mich zu hoch ..., so antworte ich dir: Dann bist du kein Mönch".
Bis zum 16. Jahrhundert war Kontemplation das selbstverständliche Ziel des christlichen Gebetslebens. Thomas Keating, ein Zisterzienserabt aus den USA, macht in einem Überblick zur Geschichte der Kontemplation verschiedene Ereignisse für das Verschwinden des kontemplativen Betens verantwortlich:

1. "Die unglückliche Neigung, die 'Geistlichen Exerzitien' (des Ignatius) auf eine Methode diskursiven
Meditierens zu verkürzen." (6)
2. Die Auseinandersetzung mit dem Quietismus, dessen Verurteilung in dieser Form nicht notwendig gewesen wäre. Es kam zur latenten Angst der Institution vor der Mystik überhaupt, und die Mystik kam in Verruf. Selbst Texte von Johannes vom Kreuz wurden als semiquietistisch gebranntmarkt, und Herausgeber mußten seine Werke in der Diktion abschwächen.
3. Der Jansenismus und seine Nachwirkungen.
4. Die Überbetonung von Erscheinungen und Privatoffenbarungen und die sich daraus ergebende Abwertung der Liturgie.
5. Das wahre Wesen der Kontemplation wurde mit Phänomenen wie Levitation, Zungenreden, Stigmata und Visionen verwechselt,
6. Mystik mit frömmelnder Bigotterie.
7. Die Verzeichung der Persönlichkeit von Mystikern und die Gleichsetzung von Mystik und weltfremder Askese.
8.Der zunehmende Legalismus der Römischen Kirche.

Abt Curthbert Butler charakterisierte die Spiritualität des 19. und frühen 20. Jahrhunderts folgendermaßen: "Von einigen wenigen ungewöhnlichen Berufungen abgesehen, war das normale Gebet für jedermann, einschließlich beschaulicher Mönche und Nonnen, Bischöfe, Priester und Laien, das systematische Meditieren nach einer genau festgelegten Methode. Vier standen zur Wahl: entweder Betrachtung gemäß den drei Kräften, wie sie in den Geistlichen Exerzitien niedergelegt sind; oder nach der Methode des Heiligen Alfons (einer leichten Überarbeitung der Ignatianischen Exerzitien); oder nach der Methode, die Franz von Sales in seiner 'Einführung in die Frömmigkeit' beschreibt, oder schließlich nach der Methode von St. Sulpice."(7)

"Der letzte Nagel, der in den Sarg der traditionellen Lehre (der Kontemplation) getrieben wurde, war die Behauptung, es sei vermessen, kontemplatives Beten anzustreben. Novizen und Seminaristen bekamen so eine verstümmelte Sicht spirituellen Lebens vermittelt, die sich mit der Schrift, der Tradition und der normalen Erfahrung des Wachstums im Gebet nicht deckte. Versucht man nämlich in diskursiver Meditation (betrachtendes Gebet) weiter zu verharren, nachdem einen der Heilige Geist darüberhinaus gerufen hat, wie es gewöhnlich geschieht, so endet man schließlich in einem Zustand äußerster Frustration. ... Da fromme Menschen unwillkürlich zu solcher Entwicklung in ihrem Gebet vorgedrungen waren, litten sie unter der negativen Haltung gegenüber der Kontemplation. ... Schließlich gaben sie auch das mentale (betrachtende) Gebet ganz auf als etwas, wofür sie offensichtlich gänzlich ungeeignet waren, oder aber sie fanden durch Gottes Erbarmen einen Weg, auf dem sie trotz fast unüberwindbarer Hindernisse (zur Kontemplation) fortschreiten konnten." (8)

So ist es bis heute geblieben. Die Skepsis gegen kontemplative Gebetsformen wird in den christlichen Kirchen neu belebt. Auch in Zeitschriften für Spiritualität wird mehr gewarnt und kritisiert als aufgezeigt, begleitet und empfohlen. In psychologischen Veröffentlichungen ist ausführlicher über Mystik zu lesen als in christlichen. Selbst die Naturwissenschaft ist an der Thematik interessiert.

Nikolaus v. Kues stellte schon im 15.Jahrhundert fest:
"Denn beinahe alle, die sich dem Studium der Theologie widmen, beschäftigen sich mit gewissen festgelegten Traditionen und deren Formen, und wenn sie so reden können wie die andern, die sie sich als Vorbilder aufgestellt haben, halten sie sich für Theologen. Sie wissen nichts vom Nichtwissen jenes unerreichbaren Lichtes, in dem keine Dunkelheiten sind. Die aber, die durch das wissende Nichtwissen vom Hören zur Schau des Geistes gebracht werden, freuen sich darüber, das Wissen des Nichtwissens durch sichere Erfahrung erlangt zu haben. ...
Auch wenn ich der Unwissendste von allen sein sollte, würde es mir vollkommen genügen, dass ich um diese meine Unwissenheit weiß und der Gegner um seine nicht, wenn er auch unsinnig handelt. - Man liest, dass der heilige Ambrosius der Litanei hinzugefügt habe: 'Von den Dialektikern erlöse uns, o Herr.' Denn eine geschwätzige Logik schadet der heiligen Theologie mehr als sie nützt." (9)

4. Mandorla oder Mystik als Weltbejahung

Mystik sieht die Welt und die Wirklichkeit, wie sie sind, und nicht wie sie uns Sinne und Verstand vorgaukeln. Unser menschlicher Reifungsprozess besteht darin, diese beiden Kreise wie in einer Mandorla mehr und mehr zur Deckung zu bringen. Letztlich geht es in der Esoterik um ein neues Erfahren und Erfassen der Wirklichkeit. Die wahren esoterischen Wege führen nicht aus dieser Welt hinaus, sie führen in die Welt hinein, in den Augenblick, ins Leben. Es geht nicht um eine Weltverachtung, sondern um eine ganz neue Form der Weltliebe. Und damit kommen wir zum Wesen der Mystik des Westens und des Ostens: Religion ist das Leben, und das Leben ist Religion. Ich möchte es noch banaler ausdrücken: Wenn ich erfahre, dass mein Aufstehen am Morgen und das Anziehen der Hausschuhe ein tiefreligiöser Akt sind, dann habe ich erkannt, was Religion ist. Aber das ist wohl ohne eine tiefe Erfahrung nicht möglich.
Nikolaus v. Kues schreibt: "Ich habe den Ort gefunden, in dem man Dich unverhüllt zu finden vermag. Er ist umgeben von dem Zusammenfall der Gegensätze (Coincidentia oppositorum). Dies ist die Mauer des Paradieses, in dem Du wohnst. Sein Tor bewacht höchster Verstandesgeist (Spiritus altissimus rationis). Überwindet man ihn nicht, so öffnet sich nicht der Eingang. Jenseits der Mauer des Zusammenfalls der Gegensätze vermag man Dich zu sehen; diesseits aber nicht."(10)
Sowohl Jesus Christus wird in der romanischen Kunst in diesen beiden Kreisen der Mandorla abgebildet als auch Shakyamuni Buddha in den Bildnissen des Buddhismus. Die Mandorla ist wohl älter als beide Religionen. Sie kennzeichnet die Übernatur und die Natur, das Göttliche und das Menschliche, Geist und Materie. Dort, wo sich die beiden Kreise überlappen, sitzt der "Gott-Mensch". Dort ist der Bereich, wo beide Aspekte der Wirklichkeit in eines zusammenfallen.

In der Mystik geht es also nicht um Ausstieg aus der Welt oder Weltverachtung, sondern um eine ganz neue Form der Weltliebe.

5. Kritik der Mystiker an den Seelsorgern

Johannes vom Kreuz legt größtes Gewicht auf Seelenführung. Er meint, wenn jemand ohne Seelenführung ist, dann ist er wie ein Garten ohne Zaun. Er spricht in vielen Kapiteln seiner Werke von spiritueller Führung, Spiritualen und Beichtvätern. Er geht allerdings mit den geistlichen Führern seiner Zeit streng ins Gericht. Nach Ansicht von Fernando Urbina, einem der besten Kenner von Joh. v. Kreuz, schrieb dieser seine Bücher nur, weil die Angst vor der Inquisition die Beichtväter seiner Zeit davon abhielt, mystisch begabte Menschen auf dem kontemplativen Weg zu begleiten. Johannes v. Kreuz wirft diesen Seelenführern Mangel an Verständnis vor, weil sie versuchten, jene zu Betrachtung und frommen Übungen zurückzuholen, die daran waren, in die Dunkelheit und Leere der Kontemplation einzutreten.

Dies ist ein kritischer Punkt auf dem inneren Weg. Statt die Begleitung Suchenden an diesem kritischen Punkt des geistlichen Lebens zurückzurufen ins gegenständliche Beten, sollten geistliche Führer diese ermuntern, mit der Übung der Kontemplation mutig und treu fortzufahren, und das trotz aller Trockenheit, Einsamkeit und Leere. Denn das ist der Reinigungsprozess (d. h. die Aufarbeitung psychischer Störungen), ohne den es keine bleibende mystische Erfahrung gibt.
In den Schriften von Joh. v. Kreuz nimmt die Kritik an den Seelsorgern einen auffallend großen Raum ein. Er nennt sie "Erbauer des Turmes von Babel" und "Grobschmiede", die nur daraufloszuhämmern verstehen (11), "Füchslein", die den blühenden Weinberg des Herrn zertreten (12), "Blinde", die das Wirken des Heiligen Geistes stören, und Leute, die anderen "die Himmelstür verriegeln" (13).

Diese Kritik gilt heute noch ungeschwächt. Die Situation hat sich nicht geändert. Ich möchte daher noch Tauler zu diesem Thema zitieren, der sich ebenfalls mit harten Worten gegen Spirituale wendet: "Wer solche Leute (die den Grund suchen) von da in seine grobe Art äußerer Übung herüberzieht, so dass sie solche Gnade verlieren, bereitet sich selber ein furchtbares Urteil. Solche Menschen, wahrlich, mit ihren besonderen Frömmigkeitsübungen, zu denen sie jene Leute herüberziehen wollen, legen deren Fortschritt mehr Hindernisse in den Weg, als es je Heiden und Juden taten. Ihr also, die ihr mit heftigen Worten und zornigen Gebärden urteilt, nehmt euch in acht, wenn ihr über innerliche Menschen sprecht." (14)

Tauler ist "zutiefst betrübt", dass Nichtchristen den Weg in den eigenen Seelengrund besser kennen als Christen. Denn es heißt in derselben Predigt: "Hierzu sagt ein heidnischer Lehrmeister, Proklus: Solange der Mensch mit den Bildern, die unter uns sind, beschäftigt ist und damit umgeht, wird er, so glaube ich, niemals in diesen Grund gelangen. Es gilt uns als Aberglaube, dass dieser Grund in uns sei. Ach, ihr Lieben, dass ein Heide das verstanden hat und daraufkam, wir aber dem so ferne stehen und so wenig gleich sind, das bedeutet für uns einen Schimpf und eine Schande." (15)

Die Zahl der Menschen, die transpersonale Erfahrungen machen, wächst, und viele wissen nicht, wo sie sich Rat und Hilfe suchen können, wenn ihnen eine solche, oft erschütternde Erfahrung widerfährt. Daher wurde von Psychologen eine Vereinigung ins Leben gerufen: "The spiritual emergency network" in Californien. Ihr gehören nur wenige Theologen und Seelsorger an. Weit mehr als die christlichen Kirchen nehmen sich heute Psychologen helfend der Mystiker an. Es bleibt zu hoffen, dass auch Theologen den religiösen Aufbruch erkennen und nicht nur warnend und negativ darauf reagieren, sondern mit einem Angebot aus der eigenen Tradition.

6. Grundformen und Einübung der Kontemplation

Es taucht immer wieder die Frage auf, ob man schon den Weg in die Kontemplation "Kontemplation" nennen soll. Die meisten mittelalterlichen Meister sprechen vom Einüben in die Kontemplation. So sagt z. B. Johannes v. Kreuz, dass man sich "auf den kontemplativen Weg machen muß" (16). Er kennt sogar eine "Stufenleiter zur Kontemplation" (17).
Madame Guyon (1648 - 1717) spricht vom kurzen und leichten Weg zum inneren Gebet, den alle ohne Schwierigkeit gehen können und auf dem sie in kurzer Zeit weit kommen werden. (18)

Kontemplation kann eingeübt werden! Vor Osuna, Joh. v. Kreuz und Theresia hat schon Hugo von St. Viktor einen klaren Weg in die Kontemplation aufgezeigt. Er spricht vom dreifachen Auge des Menschen: Mit dem "Auge des Fleisches" werden die äußeren Dinge erfaßt, mit dem "Auge der Vernunft" werden die geistigen Dinge erfaßt und mit dem "Auge der Kontemplation" die göttlichen Dinge (19). Mehr oder weniger findet man diese drei Stufen dann auch bei Richard von St. Viktor, bei Bonaventura und anderen. Die oberste Stufe wird jeweils Kontemplation genannt. Daher wäre es sinnvoll, wenn wir im christlichen Bereich dieses Wort für unseren gegenstandsfreien Weg des Betens beibehalten würden. Es entspräche der Tradition. Kontemplation ist ein paralleler Weg zu den Wegen des Zen, des Vipassana und des Yoga, basiert auf den gleichen Voraussetzungen und führt zum gleichen Ziel.

Bonaventura gibt in seinem Itinerarium eine Beschreibung des mystischen Weges. Für ihn ist die Kontemplation das eigentliche Ziel des christlichen Lebens, dem alles dienstbar gemacht werden muß, auch Philosophie und Theologie. (20) Das gilt auch für den englischen Mystiker und Verfasser der "Wolke des Nichtwissens" und "Weg des Schweigens".
Für diese Autoren war Mystik nichts, was sie vorrangig beschreiben wollten, sondern etwas, zu dem man gelangen kann, für das man sich anstrengen muß und sich einzusetzen hat. Sie wollten eine Wegbeschreibung geben. Auch wenn sie die mystische Erfahrung der Gnade Gottes zuschreiben, wird von keinem in Zweifel gestellt, dass sich der Mensch bereiten kann und dass menschliches Bemühen und die Hilfe anderer auf diesem Weg sehr förderlich sind. (21)

Dionysius beschreibt den Weg wie folgt:
Ein Edelstein liegt oft in einer unscheinbaren Hülle.
Anderes Gestein liegt darüber, macht ihn unsichtbar und unschön.
Diese anderen Schichten wollen entfernt sein,
soll der Edelstein in seiner Klarheit leuchten.
er muß geschliffen werden, damit er in seiner Schönheit strahlt.
Entfernen des Hinderlichen, das ist die Methode,
damit das Schöne zum Strahlen kommt.
Entfernen des Hinderlichen, das ist die Methode für den Weg zu Gott.

Die christlichen Mönche kannten von altersher verschiedene Formen der Einübung in die Kontemplation, die hier kurz erklärt werden sollen:

1.) Die Übung mit dem Atem

Es gab schon immer das Eintreten in die Versenkung mit Hilfe des Atems. In einem Buch, das vom Gebetsleben der Mönche der Ostkirche berichtet, Philokalia genannt, heißt es dazu: "Dir ist ja bekannt, Bruder, wie wir atmen: Wir atmen ein und aus. Ohne das ist Leben unmöglich. Wenn Du Dich also in Deiner Zelle niederläßt, sammle Deinen Geist, binde ihn an den Atem, durch den die Luft in Dich einströmt, zwinge ihn durch Dein Einatmen in Deine Mitte und lasse ihn dort. Laß ihn dort, aber nicht still und müßig, sondern mit folgendem Gebet: `Herr Jesus, Sohn Gottes, erbarme dich meiner'. Das soll ihn immer beschäftigen, nie soll er damit aufhören."(22)

"Ein Mensch, der das (kontemplative Beten) lernen möchte, sollte wissen, dass, wenn man den Geist daran gewöhnt hat, durch das Einatmen in die innere Mitte zu kommen, man auch praktisch gelernt hat, ihn in dem Augenblick, in dem er sich anschickt in die innere Mitte zu gelangen, von jeglichem Gedanken befreit zu haben, so dass er einfach wird und bloß, frei von allen Erinnerungen, außer jenem Ruf zum Herrn Jesus Christus."(22)

"Dein Denken an Jesus verbinde sich mit deinem Atem, dann erst wirst Du den Sinn des Schweigens verstehen. Hesychius lehrt: `Möchtest Du wirklich Schweigen bewahren wie Du eigentlich solltest und ohne Anstrengung wachen Herzens sein, dann binde das Jesus-Gebet an Deinen Atem'."(22)

Mit diesen Beispielen sollen keine Atemanweisungen gegeben sein. Ich möchte nur aufzeigen, dass die Kontemplation wie viele andere esoterische Wege mit dem Atem gearbeitet hat.

2.) Langes ruhiges Sitzen
Die christlichen Mönche kannten ebenso das lange Sitzen und das andauernde Üben, das sich auch durch den Alltag zog. Die Philokalia rät, sich auf einen niedrigen Stuhl zu setzen und nach dem Üben am Abend das Gebet mit in den Schlaf zunehmen: "Gehe zum Schlafen mit dem Jesusgebet für etwas fünf bis sechs Stunden."(23)
Langes Sitzen übten auch die Mönche der Thebais: "Der Mönch hockte in seiner Zelle auf einer Matte oder einem niedrigen Papyrusbündel - es mögen zehn Stunden oder mehr des Tages gewesen sein."(24) Und die Philokalia schreibt: "Nach Sonnenuntergang setze Dich auf einen niedrigen Stuhl in Deiner ruhigen Zelle bei gedämpftem Licht und sammle Deinen Geist von seinem gewöhnlichen Herumschweifen und Draußenherumwandern und geleite ihn ruhig in Dein Herz auf dem Weg des Atems und bleibe beim Gebet: 'Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich meiner', verbunden mit dem Atem." (25)

3.) Lange Zeiten des ununterbrochenen Übens
beschreibt Cassian, ein Mönch, der vom Gebetsleben der Eremiten und Zönobiten in der Wüste berichtet. Er empfiehlt einen kurzen Satz: "O Gott, komm mir zu Hilfe. Herr, eile mir zu helfen". Das Gebet dieses Verses soll "mit unablässiger Stete gepflegt werden bei Widrigem ... und bei Günstigem... . Die Anwendung dieses Verses, sage ich, soll ununterbrochen in deinem Herzen erwogen werden. Laß nicht ab, ihn bei jeglichem Werk oder Dienst und auch auf dem Wege zu beten. Pflege ihn beim Schlafen und Essen und in der äußersten Notdurft des Leibes... ." (26)

4.) Die Übung mit dem Wort
Auch das Üben mit einem Laut ist in der christlichen Gebetstradition wohlbekannt (ähnlich wie das Om im Yoga oder das Mu im Zen). Der Verfasser der "Wolke des Nichtwissens" rät, ein Wort zu benutzen, um das Bewusstsein zu sammeln. Er spricht von einem kurzen Wort und sagt uns auch, dass ein dunkler Vokal leichter fließt und bessere Schwingungen mit sich bringt als ein heller Vokal. Geeignete Worte sind in der christlichen Kontemplation z. B. Jesus, Christos, Schalom.
Beim innerlichen Aussprechen und Ausatmen verlängert man den letzten Vokal ganz natürlich. Wenn das Wort zwei- oder dreisilbig ist, z. B. Herr Jesus oder Jesus, dann kann man das Wort wie folgt trennen: HERR nimmt man zum Einatmen, JESUS zum Ausatmen oder die erste Silbe von Jesus JE- zum Einatmen, die zweite Silbe -SUS zum Ausatmen. Man darf aber nicht über das Wort nachdenken, das wäre Meditation über etwas. Eine Grundanweisung aller Mystiker lautet: Man muß aufhören nachzudenken, auch die frömmsten Gedanken helfen auf dem Weg nicht weiter. Selbst fromme Gefühle müssen zurückbleiben.
So steht in der "Wolke des Nichtwissens":"... nimm ein kurzes einsilbiges Wort, eines mit einer Silbe ist besser als eines mit zwei Silben, und je kürzer es ist, um so mehr hilft es dir auf deinem geistlichen Weg. Ein solches Wort ist z. B. 'Gott' oder 'Liebe'. Wähle davon, welches du willst oder ein anderes. Achte aber darauf, dass es eine Silbe hat.
Verankere dieses Wort fest in deinem Herzen, damit es bei dir ist, was immer auch kommen mag. Es sei dein Schild und dein Speer im Kampf und in der Ruhe. Mit diesem Wort schlage auf die Wolke und das Dunkel über dir. Wehre ab mit ihm jede Art von Gedanken und stoße ihn unter die Wolke des Vergessens. Und sollte ein Gedanke dich verfolgen und fragen, was du tust, dann antworte ihm nur mit diesem Wort."(27)

5.) Das Wort wird begleitet von Hingabe und Liebe
Die Liebe spielt in der Kontemplation eine ganz entscheidende Rolle. Theistische Mystik ist auf weite Strecken "Liebesmystik". Im Alten Testament, im Islam und auch im Christentum ist sie eine faszinierende Ausdrucksform der Erfahrung. Der Autor der "Wolke des Nichtwissens" rät, das Wort aufzuladen mit Hingabe, mit Liebe und mit Vertrauen. - Es scheint dem zu widersprechen, dass man nicht an Gefühlen hängen soll. Aber Liebe, Hingabe, Sehnsucht sind Grundbewegungen unserer Seele, die das Wort durchaus begleiten können. Sie richten uns aus und dienen uns zur Sammlung. Jemand, der Durst hat, der braucht nicht an Wasser zu denken. Die Sehnsucht nach Wasser steckt ihm im Leib. So ist es auch mit der Liebe. Wer wirklich liebt, wer Sehnsucht hat, wer sich hingibt, der ist nicht zerstreut. Die Übung der Kontemplation wird einem solchen Menschen eher gelingen.
Man darf jedoch nicht verwundert sein, wenn solche Gefühle oft nicht vorhanden sind. Der Weg führt durch lange Strecken der Trockenheit, er führt durch Wüste und Nacht, wie die Mystiker sagen. Es ist dann von größter Bedeutung, dass man weiterübt, auch dann, ja, gerade dann, wenn keine Gefühle mehr da sind.


6. Schauen ins nackte Sein?
"Schauen ins nackte Sein" - Dieser Ausdruck spielt in der Fortsetzung der "Wolke des Nichtwissens" im "Weg des Schweigens" einen faßt wichtigere Rolle als die Übung mit dem Wort. (Der Weg des Schweigens, hg. W. Massa, Verl. Butzon & Berger, 1974) Unter diesen Worten das ''nackte Sein'' und in seiner Vollendung "Sein Gottes" verbirgt sich wohl nichts anderes als das, was wir reines Bewusstsein nennen oder das ''wahre Selbst'', "Gott", "Gottheit", Leere, Brahman. Der Schreiber der ''Wolke'' unterscheidet das Sein des Menschen vielleicht würde das die indische Philosophie Atman nennen und das Sein Gottes ''Brahman''.
Schauen ins Nackte Sein ist eine Übung, die bei Johannes v. Kreuz "Liebendes Aufmerken" genannt wird. Auch die östlichen spirituellen Wege kennen diese Übung. Im Zen nennt man sie "shikantaza" = nur Sitzen, im Tao-te chin Wu Wei = Nicht tun, absichtsloses Handeln. Im tibetischen heißt es Mahamudra = das Große Symbol; praktische Anweisungen, wie man die Leere erfährt. Um die Erfahrung der Leerheit geht.
Vom Verfasser der Wolke des Nichtwissens kennen die meisten nur das Büchlein, das unter diesem Namen erschienen ist. In diesem Büchlein spielt das Gebetswort eine wichtige Roll. Im Buch "Privy caunseling", das bei uns unter dem Titel "Weg des Schweigens" erschienen ist, führt er in diese andere Praxis ein: "Schauen ins nackte Sein". Ich möchte zunächst ein paar Stellen aus diesem Buch zitieren, um dann später die Übung zu erklären.

"Nichts ist jetzt wichtiger, außer dem einen, dass du jetzt Gott in freudiger Liebe die dunkle Wahrnehmung deines reinen Seins hinhältst, damit er dich (mit seiner Gnade an sich ziehen und dich) im Innersten mit sich einen kann, dein Sein mit seinem Sein" (S 40).
"Fährst du in dieser Betrachtung fort, bis du zum Grund des Erkennens vorgestoßen bist, wirst du dich auf deinem Seinsgrund wiederfinden in der reinen Wahrnehmung und bildlosen Schau deines eigenen Seins. Daher kann dein eigenes Sein allein die "Erstlingsfrucht" genannt werden" (S 45).
"Du siehst also, dein nacktes Sein ist der wesentliche Grund all deiner anderen Entfaltungen. Alle hängen davon ab. Nun bis du an einen Punkt gekommen, wo es dir nicht länger nützt, dich mit einzelnen deiner Fähigkeiten zu beschäftigen und deine Aufmerksamkeit auf sie zu richten" (S 46).

"Von jetzt ab genügt es, Gott mit deinem reinen, ungeteilten Sein aufs höchste zu verherrlichen. Biete ihm nun deine Erstlingsfrucht an, dein reines nacktes Sein. (Das ist das endlose Opfer des Lobes für dich und alle Menschen.) Die Liebe verlangt nichts anderes. Halte diese Wahrnehmung deines Seins frei von allem Denken an dessen Eigenschaften. Leere dein Bewusstsein von allen Einzelheiten des Seins und das anderer Geschöpfe. Solche Gedanken entsprechen jetzt nicht mehr deinem Bedürfnis. Weder fördern sie dein Wachstum, noch bringen sie dich und andere der Vollendung näher. Laß sie, sie helfen dir nicht. Jetzt genügt dir die dunkle, allgemeine Wahrnehmung deines Seins in ungeteiltem Herzen. Diese läßt dich heranwachsen und bringt dich und die ganze Menschheit der Vollendung näher. Glaube mir, diese Übung ist besser als hohe Gedanken (S 46).

"Du bist nun soweit, dass dein Wachstum verlangt, den Verstand nicht länger mit Nachdenken über die vielfältigen und vielfachen Ausfaltungen deines Wesens zu beschäftigen. Früher verhalfen dir diese Übungen zur Erkenntnis Gottes. Sie erfüllten dein Herz mit wohltuender, froher Zuneigung zu ihm und geistigen Dingen und schenkten dir große geistliche Einsicht. Jetzt aber ist es an der Zeit, dich zu bemühen, ständig in der innersten Mitte deiner Seele zu bleiben, um Gott die dunkle Wahrnehmung deines Seins als Erstlingsfrucht anzubieten" (S 49).
"Diese Übung ist kein Hindernis für deine tägliche Arbeit. Du wirst deiner täglichen Arbeit nachgehen und zugleich mit deiner ganzen Aufmerksamkeit auf die dunkle Wahrnehmung deines Seins gerichtet sein, das mit Gottes Sein vereint ist. Du wirst essen, trinken, schlafen, wachen, gehen, kommen, sprechen, hören, liegen und aufstehen, wirst knien und laufen, reiten, arbeiten und ruhen" (S 58).

Die Übung führt jedoch weiter: Der Schauende und das Geschaute müssen eins werden. "Nachdem es dir schließlich gelungen ist, alle Geschöpfe und was sie betrifft zu vergessen, wird noch immer deutlich und unverhüllt die Erfahrung und Wahrnehmung deines eigenen Seins zwischen dir und Gott stehen. Glaube mir, deine Liebe wird nicht vollkommen sein, bis nicht auch das überwunden ist" (S 101).
Schauen ins nackte Sein kennt also noch eine Steigerung: "Falls du beim Üben merkst, dass du noch nicht Gott, sondern erst dein eigenes Sein wahrnimmst und erfährst, verlange mit der ganzen Kraft deines Herzens danach, einzig in Gottes Sein zu versinken und dass dir nichts übrig bleibt als der tiefe Wunsch, die kärgliche Erkenntnis und die den Grund verstellende Wahrnehmung deines eigenen dunklen Seins zu vergessen" (S 79).

Diese Stelle ist von größter Bedeutung. Sie ist der Übergang in die Erfahrung der Einheit und Leere.
Er ist der "ganz Andere", das sagt jede Mystik. Aber der jeder Mystiker erkennt am Ende auch "Ich bin das", weil er aus der Einheitserfahrung heraus gar nicht anders sprechen kann. Der Schreiber weißt dann auf die Schwierigkeit hin, die jeder hat, wenn die Ichwahrnehmung zurückbleiben muß. Es geht wieder um das "Sterben des Ich". Schon oft habe ich erwähnt: Das Sterben des Ich, ist die Voraussetzung für die Erfahrung Gottes. Ich möchte hier nicht wiederholen, was ich im Vorausgehenden Vortrag ausgeführt habe. Es ist der eigentlich Schritt in der Mystik, der nichts mit Abtötung oder Askese zu tun hat, sondern mit einer Wahrnehmung jenseits unserer rationalen und sinnenhaften Fähigkeiten. Die Schwierigkeit beim Überschreiten dieser Schwelle zeigt sich im folgenden Text.


"Alle Last und alles Leid der Welt zusammen scheinen gering im Vergleich dazu; dann wirst du dir selbst das Kreuz sein. Aber das ist der Weg zu unserem Herrn und dies der tiefe Gehalt seiner Worte: "Er nehme sein Kreuz auf sich" - das schmerzhafte Kreuz des eigenen Selbst-, damit er mir später ‚in die Herrlichkeit folgen kann' oder zum ‚Gipfel der Vollendung'. Höre, was er verspricht: ‚Dort werde ich ihn in der unaussprechlichen Erfahrung meines göttlichen Lebens die Wonnen meiner Liebe kosten lassen.' Du siehst also, es ist notwendig, das schmerzhafte Kreuz des eigenen Selbst (Ich) zu tragen. Dies allein wird dich vorbereiten auf die alles übersteigende Erfahrung Gottes, wie er ist, und auf die Vereinigung mit ihm in verzehrender Liebe" (S 81).
"Wo immer du bist, was du auch tust und wie du es versuchen wirst, die elementare Wahrnehmung deines nackten Seins steht zwischen dir und deinem Gott. Natürlich mag Gott gelegentlich eingreifen und dich mit einer flüchtigen Erfahrung seines Seins beglücken. Von diesen Augenblicken jedoch abgesehen wird die dunkle Wahrnehmung deines eigenen nackten Seins dein Bewusstsein erfüllen und wie eine Mauer stehen zwischen dir und Gott. Ähnlich war es zu Beginn dieser Übung, als die Aufmerksamkeit auf Einzelheiten deines Seins wie eine Mauer stand vor der direkten Wahrnehmung deines Seins. Bald wirst du spüren, welch schwere und schmerzhafte Last dein eigenes Sein ist. Möge dir Jesus in jener Stunde helfen, du wirst ihn dringend brauchen.

"Zu Anfang sagte ich: Vergesse alles und blicke nur in das bildlose Dunkel deines nackten Seins. Meine Absicht war jedoch, dich zu dem Punkt zu führen, wo du auch dieses noch aufgibst, um nur noch das Sein Gottes zu erfahren. Diese allertiefste Erfahrung hatte ich im Auge, als ich dir anfangs sagte: Gott ist dein Sein. Es war damals noch zu früh, von dir zu erwarten, dass du ohne Übergang in diese hohe Schau des Seins Gottes eintreten würdest. So habe ich dich Stufe um Stufe weitergeführt. Zunächst riet ich dir, in der unverdeckten bildlosen Schau deines Seins zu ruhen, bis dir durch ausdauerndes geistiges Bemühen die Übung der Versunkenheit leicht fällt. Ich wußte, sie würde dich für das innerste Erkennen des göttlichen Seins vorbereiten. Das Wichtigste dieser Übung war, dass in dir eine alles umfassende Sehnsucht wuchs, ein Verlangen, nur Gott zu erkennen, und sonst nichts. Ich sagte zwar anfangs: Hülle die Wahrnehmung Gottes ein mit der Wahrnehmung deines eigenen Seins. Du warst eben damals noch geistig ungeübt und unentwickelt. Ich hoffte, es würde dir durch geduldiges Üben zunehmend leichter fallen, bis du schließlich fähig wärest, dein Bewusstsein selbst von der elementaren Wahrnehmung deines eigenen Seins frei zu machen, und dann in einer dir bisher völlig unbekannten Weise zu erfahren, wie Gott, so wie er in sich ist, dich voll Liebe umfängt" (S 77).

Die Übung des Schauens
Wie kann man seinen Geist in diesen Zustand des Schauens bringen? Wie läßt sich diese letzte Klippe überwinden, die unser Ich ständig aufbaut. Es möchte bei der Erfahrung dabei sein und gerade dieses Verlangen bedeutet ein großes Hindernis. Zweckfreies Üben, das nichts erwartet, das selbst die Sehnsucht nach Gott zurücknimmt, weil auch sie noch störend wirkt, ist die Voraussetzung.
1. versuche in den Raum um dich zu lauschen. Ich sage lauschen, nicht denken. Es ist mehr ein Spüren. Du kannst am Anfang auch die Stille zu Hilfe nehmen. Lausche in die Stille, höre die Stille. Stelle dir einen 360 Grad Raum vor in dem du sitzt. Alle Geräusche und Geschehnisse sind punktuell in diesem Raum, aber nicht in Dir.
2. Stelle Dir vor, es umgibt dich ein heiliger Raum. Wo du auch gehst und stehst, du bist in einem heiligen Raum.
3. Sobald ein Gedanke erscheint, lasse ihn wieder los und gehe zurück zum Lauschen und Spüren.
4. Lausche mit großer Erwartung ohne etwas Bestimmtes zu erwarten. Schaue nicht vom Kopf her, sondern mit deinem ganzen Sein.
5. Praktiziere diese Übung auch unter Tags. Spüre ins Sein hinein.
6. Versuche diesen Zustand manchmal mit weit offenen Augen zu erreichen.
7. Übe ohne Anstrengung. Anstrengungslosigkeit ist noch schwerer zu erreichen als Entspannung. Es erfordert lange Übung, mühelos nur da zu sein. Um nichts muß gekämpft oder gerungen werden.
Castaneda berichtet von einer ähnlichen Unterweisung für das Gehen. Er läßt Don Juan sprechen: "Am Anfang unserer Verbindung hatte Don Juan mir noch eine weitere Technik geschildert. Sie bestand darin, lange Strecken zu wandern, ohne den Blick auf irgend etwas zu konzentrieren. Er hatte mir empfohlen, nichts direkt anzusehen, sondern mit den Augen leicht einwärts zu schielen, um alles, was sich dem Blick darbot, peripher im Aug zu behalten. Er hatte auch behauptet - auch wenn ich es damals nicht verstand -, dass es möglich sei, beinahe alles gleichzeitig wahrzunehmen, was in einem Winkel von 180° vor einem liegt, wenn man den Blick, ohne zu zentrieren, auf einen Punkt über dem Horizont richte. Er hatte mir beteuert, diese Übung sei das einzige Mittel, um den inneren Dialog abzustellen (Castaneda, Der Ring der Kraft, Fischer TB, S. 20).

Durch die Übung erweitert sich das Wahrnehmungsfeld. Der Beobachter wird zum Beobachteten. Schauen ins nackte Sein ist uneingeschränkte Aufmerksamkeit und Wahrnehmung. Man überschreitet damit das Ichbewußtsein, in dem sich Ärger, Aggression, Gedanken, Gefühle und Intentionen befindet. Es erfordert ein leichtes heiteres Fließen lassen, in Gelöstheit und Absichtslosigkeit. Es ist ein liebevoller Umgang mit dem, was ist.
Es hilft uns den Alltag zu zelebrieren wie einen Gottesdienst. Aber das ist nur analog zu verstehen. Wir sollen deswegen nicht geziert herumlaufen. Aber Religion ist Leben. Auch dieser Gebetsweg führt zurück in den Alltag. Diese innere Präsenz hat Benedikt vielleicht gemeint, als er seinen Mönchen riet, die Dinge zu behandeln wie heiliges Altargerät. D. h. den Alltag zelebrieren wie einen Gottesdienst. Dieses hochtrabende Wort besitzt einen bigottischen Beigeschmack. In Wirklichkeit meint es aber nichts anderes als präsent zu sein in jedem Augenblick.

7. Kontemplative Wege - Johannes vom Kreuz und Meister Eckehart

Johannes vom Kreuz will in seinen Büchern einen Weg in die mystische Erfahrung lehren. Nirgendwo steht das klarer als in seiner Einleitung zum Buch "Empor den Karmelberg". Dort heißt es: "Der Aufstieg zum Berg Karmel erklärt, wie man die göttliche Vereinigung schnell erreichen kann." Die Wegbeschreibung läßt sich leicht auf die Kurzform bringen, wie sie in seinem Buch "Die lebendige Flamme" zu finden ist:
"Die Seele muß Gott ein liebevolles Aufmerken
entgegenbringen, nur dies, ohne in Akten sich
zu besondern; rein empfangend muß sie sich
verhalten, ohne eigene Beflissenheit, mit
dem entschlossenen schlichten Aufmerken der
Liebe, so wie jemand in liebreicher Achtsamkeit die Augen öffnet." (28)
Der kontemplative Weg des Meister Eckehart in die Gotteserfahrung wurde bisher kaum beachtet. Für die Forschung war Eckehart vor allem als Theologe und eigenständiger Denker interessant. Er war den Philosophen und den Philologen überlassen. Eckehart, der Mystiker, hat in der Tat keinen systematischen Übungsweg hinterlassen. Aber er sagt in seinen Schriften genug über die innere Einkehr, so dass sich leicht ein Übungsweg in seinen Schriften erkennen läßt:

1. Das Nichtsuchen als Weg zu Gott
Eckehart geht es in Predigt und Schrift um den wirklichen Menschen. Er unterscheidet zwischen dem "natürlichen Menschen" und dem "gottgeborenen Menschen", der sich eins weiß mit dem Göttlichen. Die Frage für Eckehart ist also, wie der Mensch die Einheit mit Gott finden und leben kann und so wahrer Mensch wird und ganz im Leben steht. Denn es ist letztlich kein Unterschied, ob ich im Stall oder in der Kirche bin. Zu diesem wahren Menschsein wollte Eckehart seine Hörer führen.
Erst wenn der Mensch sein Ich gelassen hat, erscheint das Göttliche in der Tiefe seiner Seele. Das Lassen oder, wie wir meistens sagen, das Loslassen hat nichts mit einem Willensakt zu tun. Willentlich können wir nicht lassen.

2. Die innere Übung
Voraussetzung für die "innere Übung" bei Eckehart ist ein Dreifaches. Die Hinweise überschneiden sich, aber sind doch klar in ihrer Eigenheit zu erkennen: - Ruhe - Sammlung - Gelassenheit. Auch hier gibt Eckehart keine systematische Darstellung. Man muß sein ganzes Werk lesen. Vieles war für seine Hörer einfach selbstverständlich, da sie meistens in Klöstern lebten und einen spirituellen Weg verfolgten.
- Die Übung der Ruhe steht bei Eckehart vor jeder anderen Übung: "Des Wachens, Fastens, Betens und aller Kasteiung achtet und bedarf Gott nicht im Gegensatz zur Ruhe." (29). Zwei Schritte kennt Eckehart, wenn er von Ruhe spricht: "Entziehe dich der Unruhe äußerer Werke! Fliehe weiterhin und verbirg dich vor dem Gestürm innerer Gedanken." (30). Es reicht nicht aus, sich äußerlich abzuschließen, man kann das nicht durch Fliehen lernen. Das Innere des Menschen muß beruhigt werden. Eckehart weiß sehr gut, dass diese innere Ruhe sehr viel schwerer herzustellen ist als die äußere.

- Sammlung - "Wer Gottes Lehre empfangen soll, der muß sich sammeln und in sich verschließen vor aller Sorge und Kümmernis und dem Getriebe niederer Dinge." (31). Was auf den ersten Blick wie eine Verengung des Bewußtseins aussieht, führt in Wirklichkeit in eine Bewußtseinserweiterung: "Je mehr sich die Seele gesammelt hat, um so enger ist sie, und je enger sie ist, um so weiter ist sie." (32). Bewußtseinsammlung ist also die Vorstufe für die Bewußtseinserweiterung. Bewußtseinssammlung ist Loslassen aller anderen Möglichkeiten des Bewußtseins.
- Gelassenheit meint bei Eckehart etwas anderes als der gewöhnliche Wortsinn besagt, wie folgendes Zitat klar macht: "Niemand kann mein Wort hören noch meine Lehre, er habe denn sich selbst gelassen." (33). Gelassenheit hat bei Eckehart also zu tun mit Lassen und Loslassen. Nur wer sein Ich lassen kann, kommt der Forderung des Meisters nach. Eckehart ist auch hier von der Konsequenz eines Zenmeisters: Der Mensch muß so lassen, dass er "niemals nur einen Augenblick auf das sieht, was er gelassen hat". (34).
"Wer die Hand an den Pflug legt und zurückschaut, ist meiner nicht wert", sagt Jesus.
Aber der Mensch darf auch nicht nach vorne blicken, auf das, was er erlangen möchte: "Hast du es aber auf das, was dir zuteil werden soll, abgesehen, und schielst du danach, wird dir nichts zuteil." (35). Eckehart kommt mit seinem mystischen Weg dem Zen-Weg sehr nahe. Viele Texte könnten auch von einem Zenmeister sein. Wo Mystik echt ist, geht sie auf allgemein menschliche Grundstrukturen zurück.

Willigis Jäger
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#4
Rolf

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Zen und Christ-Sein





Im Enomiya-Lassalle-Raum

Christen entdecken in der Gemeinsamkeit von buddhistischer Zen-Tradition und christlicher Kontemplation einen Weg der Glaubenserfahrung. Die Zen-Kontemplation wird entdeckt als Weg der Integration des Alltags in das christliche Leben.

Ein Weg zum leibhaftigen Glauben

Ein Christ, der die Zen-Kontemplation praktiziert, befindet sich auf einem Weg, auf dem ihm sein Glaube leibhaftig und erfahrbar wird, lebendig in jeder Situation.

Konkrete Hilfen

Die Zen-Kontemplation darf als ein besonderes Geschenk für Christen unserer Zeit betrachtet werden, das ganz konkrete Hilfen gibt, um zu jener Weise des Betens zu führen, die nach ältester christlicher Tradition als tiefstes Gebet, als Kontemplation bezeichnet wird.



Kreuz im Enomiya-Lassalle-Raum

Heilsame Wirkung

Im allmählichen Einswerden von Leib und Geist und in der zunehmenden inneren Stille vertieft sich das wortlose Gebet, wird nachhaltiger und beständiger und lässt in der Übung mehr und mehr die heilsame Wirkung erfahren. Außerhalb dieser Übung der Stille wird das Wort für alle anderen Gebetsweisen und für die mitmenschliche Begegnung im Alltag wieder gefüllt und beseelt.

Zen-Kontemplation als Weg zur Gotteserfahrung

Es ist ein Weg, der einem Christen - gemäß seinem guten Willen und seiner Bereitschaft allen Ernstes - ungeahnte Tiefen der Sinnerfüllung seines Lebens und der Gotteserfahrung eröffnet.

Zuspruch und Anspruch

So ist die Zen-Kontemplation nicht im Widerspruch sondern als neue Ermöglichung und sogar als Zuspruch und Anspruch für Christen auf dem Weg hin zum kostbarsten Schatz der christlichen Tradition zu sehen - der Kontemplation. Das meint - im Vertrauen auf die Gnade Gottes - die eigentliche christliche Haltung aus der Kraft der täglich methodischen Übung in der Realisierung im Alltag.

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#5
Rolf

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Sie feiern die Auferstehung, aber leugnen die Erlösung





Muss der Stellenwert des Kreuzes im christlichen Glauben neu bewertet werden?

„Die Ausrichtung der Gemeinde auf den Tod Jesu als allumfassender Akt des Heils muss aufgegeben werden, und der Stellenwert des Kreuzes muss im christlichen Glauben neu bewertet werden. Warum? Weil das Leiden und ein strafender Gott zu sehr in den Mittelpunkt gerückt wird.“ (Alan Jones, Reimagining Christianity, S.132; die Lehre des stellvertretenden Sühnetods Christi bezeichnet er als „abscheuliche Lehre“ S.168).

Die Vertreter der New Age Bewegung glauben, dass die Lehren von Ost und West zusammenfließen und vereinigt werden müssen, ehe die wahre, universelle Religion, auf die die Welt wartet, in Erscheinung treten kann. Mit anderen Worten, alle Religionen müssen sich unter dem Schirm der Metaphysik (Mystizismus) vereinen. Während normalerweise jeder Christ erkennen müsste, dass dies der Schrift widerspricht, ist doch die gesamte Gemeinde von dieser Vorstellung bereits durchdrungen. Dies hat sich allerdings in einer verführerischen, subtilen Art und Weise vollzogen.

Die zugrunde liegende Lehre dieser antichristlichen Theologie verwirft, was der Errettung einer Seele dient: die Erlösung von der Sünde durch das Kreuz Jesu Christi. Jesus war das stellvertretende Opfer, der für uns den Tod auf sich nahm. Ohne diese Erlösung sind wir in alle Ewigkeit verloren.

An diesem Wochenende werden die Menschen auf der ganzen Welt Ostern feiern. Selbst die Menschen, die nicht an die Auferstehung glauben, feiern dieses Wochenende und wünschen sich Frohe Ostern. Aber obgleich es seltsam erscheint, dass man ein Fest feiert, an das man nicht glaubt, so ist es noch seltsamer, dass die Christen die Auferstehung feiern, aber das ganze Jahr hindurch eine Spiritualität fördern, welche die Erlösung ablehnt. Ohne Erlösung macht aber auch die Auferstehung keinen Sinn.

Einige mögen einwenden: „Mein Pastor lehnt die Erlösung nicht ab.“ Wirklich? Empfiehlt er Brennan Manning oder Richard Foster? Welches College besuchst Du? Erzählen dir deine Professoren etwas von Henri Nouwen oder Larry Crabb? Und was ist mit der Frauenbibelstunde? Hast du jemals Bücher von Keri Wyatt Kent, Jan Johnson oder Ruth Haley Barton gelesen? Oder was ist mit der Jugendgruppe, die Du besuchst? Schauen sie dort Rob Bells Noomas an oder lesen Bücher von Dan Kimball und Brian McLaren? Oder nimmt deine Gemeinde teil an Leben mit Vision? Alle diese Personen, die eben erwähnt wurden, gehören der mystischen Bewegung an (spiritual formation movement), und genau diese kontemplative Mystik leugnet von Natur aus das Kreuz, die Erlösung und die Auferstehung. Wer also die Auferstehung feiert und dennoch mystische Spiritualität pflegt, widerspricht sich eindeutig selbst.

Ich will das erklären: Obgleich es stimmt, dass die meisten der oben erwähnten Personen an sich die Erlösung nicht ablehnen, so sind sie doch Anhänger einer Spiritualität, die genau dies tut, und damit werden sie selbst unbewusst zu Personen, welche die Erlösung leugnen. Wenn dies zu weit hergeholt erscheint, dann bedenke dies: Jan Johnson weist nahezu in jedem Kapitel ihres Buches When the Soul Listens (Wenn die Seele aufhorcht) auf die Hauptvertreter des kontemplativen Gebets hin (Merton, Nouwen, Pennington, Keating, usw.). Es ist eindeutig nachgewiesen, dass diese eben erwähnten Personen, auf welche sie sich ständig bezieht, glauben, dass Gott in allem und in jedem ist. Und nach der geistlichen Sicht dieser Lehrer ist das Kreuz nicht der versöhnende Faktor zwischen Gott und dem Menschen, sondern die Meditation (kontemplatives Gebet)! Indem Johnson also auf diese Mystiker hinweist und zu mystischen Praktiken ermutigt, fordert sie auf, der gleichen Spiritualität zu folgen, wie jene der genannten Mystiker. Sie macht sich nicht schuldig, weil sie dieser Gruppe angehört, sondern weil sie deren Lehren übernimmt.

Die kontemplative Denkweise der wahren Mystiker vertritt die Ansicht, dass Gott niemals seinen Sohn einem gewaltsamen Tod am Kreuz preisgeben würde. Sie sagen zwar, Jesus sei ihr Vorbild, aber sie können nicht sagen, Jesus sei ihr Erlöser im biblischen Sinne. Thomas Merton war wahrscheinlich die einflussreichste und bekannteste Persönlichkeit der Gegenwart, was die kontemplative Gebetsbewegung angeht. Als Antwort auf die Aussage eines islamischen Mystikers, der die Vorstellung von Christi Tod und Erlösungswerk am Kreuz verwarf, antwortete Merton: „Persönlich glaube ich, dass Kontroversen wenig hilfreich sind, wenn es um dogmatische Lehrdifferenzen geht, denn dies entfernt uns von der spirituellen Wirklichkeit und versetzt uns in den Bereich von Worten und Gedanken... Worte können unendlich komplex und vielschichtig sein und endgültige Antworten wird man hier nie finden... viel wichtiger hingegen ist, dass wir teilhaben an der Erfahrung des göttlichen Lichts... an diesem Punkt kann es zu einem fruchtbaren Dialogs zwischen dem Islam und dem Christentum kommen.“ (A Time of Departing, S.59)

Besteht die Predigt des Kreuzes tatsächlich nur aus Worten und Vorstellungen, die uns von der „spirituellen Wirklichkeit“ entfernt? Wenn Merton über die spirituelle Realität spricht, dann meint er die kontemplative Spiritualität, die keinen Platz für das Kreuz hat. Darum ist das Kreuz für Merton nicht wichtig; es handelt sich für ihn lediglich um eine religiöse Vorstellung. Was Merton wirklich wichtig ist, ist das „göttliche Licht“, das man im kontemplativen Zustand erleben kann. Auf diese Weise wird Merton im kontemplativen Gebet geführt, und wir sind der Überzeugung, dass alle, die ihm folgen, in gleicher Weise irregeleitet werden.

In dieser Zeit des Jahres, in der so viele Gemeinden das Osterfest feiern (um an den Tod und die Auferstehung Christi zu gedenken), gibt es doch so viele Gemeinden, die der kontemplativen Spiritualität folgen. Wenn Jesu Weg ans Kreuz und das Vergießen seines eigenen Blutes nur ein Akt des Dienens oder ein persönliches Opfer war, ein Beispiel, dem andere folgen sollen, und wenn sein Tod nicht wirklich stellvertretend für die Sünden aller Menschen den Preis der Erlösung darstellen, dann macht das Osterfest und die Auferstehung keinen Sinn. Alle Gemeinden, die sich der kontemplativen Mystik hingeben, sollten dies bedenken. Während sie dem einen - der kontemplativen Mystik folgen -, leugnen sie das andere - die Erlösung -, selbst wenn sie sich dessen nicht bewusst sind.

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#6
Marc__Joh 8, 32

Marc__Joh 8, 32

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so heisst im Original der Titel des zitierten Artikels siehe:

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(habe Mal recherchiert, weils mich interessiert hat :))

-also die Auferstehung feiern und die Buße ablehnen, würde ich übersetzen, aber das ist nicht soo wichtig.

Wichiger finde ich in dem Zusammenhang eine schiefe Darstellung von Thomas Mertons theologischer Position im obigen Artikel.
Es wird der Eindruck erweckt er vertrete einen mystisch(-esoterischen) Universalismus, der
1. keinen Unterschied zwischen Religionen mehr sieht und
2. eine spirituelle Selbsterlösung vertritt, in der das Kreuz (Buße) keine Rolle mehr spielt.

Richtig ist, dass sich Merton in seinen späteren Lebensjahren als (Einsiedler-) Zisterziensermönch stark aus seinem christlichen Glaben heraus mit anderen Religionen beschäftigt hat und sich der unbequemen Frage nach dem Frieden zwischen den Religionen, und zwar aus ihnen selbst nicht als Produkt eines politischen Drucks von außen, gestellt hat. In dem Zusammenhang hat er nach einer gemeinsamen Verständigungsebene gesucht, die fand er im Hinblick auf den Islam und den Buddhismus in der eigenen Tradition der christlichen Mystik.

Nicht richtig ist, wenn man einen solchen Verständigungsversuch zitiert und daraus ableitet, er würde das Kreuz leugnen und damit die Besonderheit des Christentums. In seinem frühen und grundlegenden Buch "Contemplation in a World of Action" definiert er ganz klar, was er unter christlichem kontemplativen Leben versteht und dass darin dem Kreuz die zentrale Rolle zukommt.
Er meint, dass das wesentliche Element des christlichen Lebens die Buße ist und in dem Zusammenhang nennt er die Bedeutung des Kreuzes. Sein Ansatz ist nicht eine allgemein theologische Abhandlung, sondern er geht eher von der praktischen Seite aus.
Hier O-Ton (ab S. 251):

"Es gibt grundsätzlich nur eine Form von christlicher Freiheit, die Freiheit des Kreuzes. Sie erfährt nur, wer sein Kreuz auf sich nimmt und sich selbst ganz an Christus weggibt, um mit ihm aufzuerstehen und aus seiner [Christus] Freiheit zu leben - nicht einfach getrieben von der üblichen Spontaneität auf menschlicher Ebene, sondern von der Spontaneität des Geistes Gottes, der uns im Austausch für unseren eigenen Geist gegeben wird, wenn wir am Kreuz mit Christus sterben. [!]
Das Grundgesetz des monastischen Lebens ist ein wirklicher Tod und eine wirkliche Auferstehung. Für uns Kontemplative gilt dieses Gesetz in besonderem Maße, weil wir einen wirklichen Tod im Hinblick auf die Welt und auf das gewöhnliche menschliche Leben sterben,... Wie immer wir unser Leben bezeichnen, als klösterlich oder als kontemplativ oder als monastisch, immer beinhaltet es einen wirklichen Bruch! Aus ihm allein kann die echte Freiheit erwachsen. Es ist eine Art von Tod, ein Sterben gegenüber den Ansprüchen und Forderungen eines zerstreuten und verwirrten weltlichen Lebens, ungeachtet der Tatsache, dass auch darin natürlich christliche Elemente enthalten sind. ...

Es gibt keine wahre Freiheit in unserem Leben ohne Tod und Auferstehung - ohne diesen echten kompromißlosen Bruch. ... (252) Die Vorstellung, daß man im wesentlichen derselbe bleibt und sich selbst behauptet und einfach ein paar asketische Techniken anwendet, um die Vollkommenheit zu erreichen, ist ein fundamentaler Irrtum, der zu einer falschen Auffassung von Buße führt. Es handelt sich dann um eine bloße Willensanstrengung ohne echte umwandelnde Kraft. (...)

Die Wurzel unserer Buße ist daher der Glaube. Die Wurzel unseres Lebens der metanoia ist der Glaube an Christus, ein echter Glaube an unsere Berufung, der Glaube an die umwandelnde Kraft des Kreuzes, der Glaube an Gottes Verheißungen, der Glaube, daß wir, wenn wir uns und unsere eigenen ehrgeizigen Ziele, auch auf geistlichem Gebiet, aufgeben, wenn wir uns selbst ganz und gar und bis ins Letzte in die Hände Christi fallen lassen und seiner Liebe ausliefern, daß wir dann wirklich durch seinen Geist in seine Zeit und seinen Weg verwandelt werden. Nicht in unsere Zeit, nicht in unseren Weg und nicht durch unseren eigenen Geist. [!]"

Soweit Mertons eigene Worte. Ich denke das dürfte für sich sprechen und uns dazu verhelfen uns ein umfangreicheres Bild von ihm zu machen.
Was meint iht?
Gruß,
Marc
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