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Freikirchliche Mission in Afrika - was sind die Folgen?


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Eine Antwort in diesem Thema

#1
Dalya

Dalya

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  • Mitglied
  • PIP
  • 4 Beiträge
Hallo,

Ich hatte vor einer Weile im Internet mal einen Artikel über die Folgen der Mission in Akfrika gefunden und fand das sehr interessant. Dabei wurde z.B. gesagt, dass in einigen Ländern manche Kinder von Predigern als "Besessen" und "Hexenkinder" bezeichnet werden und deshalb von den Familien ausgestoßen oder sogar getötet werden.

Mich interessiert es sehr, welche Auswirkungen die starke Missionswelle hat, die besonders von freikirchlichen, pfingstlerischen, charismatischen oder evangelikalen Gemeinden ausgeht, und welche Entwicklungen sie nach sich zieht. Hat hier irgendjemand nähere Informationen darüber oder weiß, wo ich Informationen dazu finden kann?

Viele Grüße
Dalya
  • 0

#2
Guest_Matthes_*

Guest_Matthes_*
  • Guests
Folgenden Artikel fand ich. Vielleicht kann er als Denkanstoß benutzt werden. Herzliche Grüße.

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Missionierung in Afrika

Einleitung

Nicht erst im Zusammenhang mit der Rückerinnerung an 500 Jahre Kolonisation Lateinamerikas im Jahre 1992 wurde in den letzten Jahren zunehmend die Missionspraxis der christlichen Kirchen, darüber hinaus sogar ihre prinzipielle Berechtigung, in Frage gestellt. Selbst innerhalb der christlichen Kirchen werden besonders seit Beginn der siebziger Jahre verstärkt Praxis und Inhalt christlicher Mission kritisiert. Während in den Diskussionen vor allem die Entwicklung Lateinamerikas im Mittelpunkt stand, spielte die Christianisierung Afrikas eine oft untergeordneteRolle. Dabei hat sich gerade in diesem Teil der Erde eine enorme Vielfalt christlichen Glaubens entwickelt, in der traditionelle Glaubensformen nach wie vor eine wichtige Rolle spielen.

Aufgrund des begrenzten Umfanges erhebt diese Arbeit nicht den Anspruch, auf die komplexen Zusammenhänge in allen Einzelheiten einzugehen. Ziel ist es vielmehr, dem Leser grundlegende Kenntnisse über (deutsche) Missionsbemühungen in Afrika zu vermitteln und anhand ausgewählter Beispiele das Eindringen des Christentums in die vorhandenen Wertesysteme zu verdeutlichen. Es soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit christlicher Glaube vor dem Hintergrund schwarzafrikanischer Wirklichkeit als fester Bestandteil der Kultur integriert wurde.
Christentum als Mission

Das Christentum ist neben dem Buddhismus und dem Islam dem Wesen nach eine missionarische Religion. Mission bedeutet hier die Verbreitung einer Religion, wobei möglichst viele Anhänger für diese gewonnen werden. Das Christentum breitete sich auf diesem Wege schnell in Nordafrika (Äthiopien, Alexandria, Ägypten), in Kleinasien und, bis zum 3. Jahrhundert, auch in Indien aus. Ähnlich wurden Griechenland, Armenien und die italienische Halbinsel sowie Nordeuropa christianisiert. Die Reformation führte dazu, dass einerseits die Protestanten eine Mission gründeten und andererseits die römisch-katholische Kirche ihre Missionstätigkeit steigerte. 1622 wurde in Rom die Päpstliche Kongregation für die Glaubensverbreitung ins Leben gerufen. Seither stehen in der römisch-katholischen Kirche alle Missionstätigkeiten unter der Leitung des Papstes.

Als die Kirche wuchs, wurde die Missionstätigkeit von religiösen Orden systematisiert, die die Lehren der Kirche vorerst nach Nord- und Südamerika und in den Fernen Osten brachten. Die Ausdehnung des Christentums in seiner heutigen Form wäre ohne diese Ordensverbände undenkbar gewesen.
Geschichte der Missionierung in Afrika

Nach 1444 fanden die ersten Begegnungen zwischen den schwarzen Ureinwohnern des tropischen Afrikas und Portugal statt, welche planmäßig durch Entdeckungsfahrten die afrikanischen Küsten erkundeten. 1490 begann im Zusammenhang mit der Gründung portugiesischer Handelsniederlassungen an den Küsten Afrikas die erste Missionsarbeit im Kongogebiet.

3.1 Erste Missionsansätze

Anfänglich gelangen den Missionaren gewisse Bekehrungserfolge. Ein König und eine Königin ließen sich taufen; ihr ältester Sohn, Don Alfonso genannt, schickte seinen eigenen Sohn, Don Henrique, und eine Anzahl junger Männer aus höherstehenden Familien nach Lissabon, um sie dort studieren zu lassen. Dom Alfonso bat um neue Missionare und schickte immer wieder junge Kongolesen zum Studium nach Portugal. 1518 wurde Dom Henrique auf Wunsch des Königs von Portugal zum Bischof geweiht; der afrikanische Bischof erreicht aber wenig in bezug auf die Verbreitung und Festigung des Christentums in Zentralafrika. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts war das Christentum im Kongogebiet wieder verschwunden.

Dennoch versuchte Portugal immer wieder, Missionsniederlassungen an der Westküste Afrikas zu errichten, welche meist nach folgendem Schema scheiterten: Einige lokale Herrscher interessierten sich für das Evangelium, ließen sich vielleicht taufen, aber ihre Nachfolger waren Anhänger einer Naturreligion und verhinderten eine weitere Verbreitung des Christentums.

Im ostafrikanischen von Portugal in Besitz genommenem Mozambique gab es nach Berichten der Jesuiten 1624 acht Missionsstationen und ca. 20 Missionare im Gebiet des Sambesiflusses. Auch Dominikaner und Augustiner hatten Missionsniederlassungen an der afrikanischen Ostküste. Doch die Einmischung von Missionaren in lokale Konflikte vermittelte den Eingeborenen den Eindruck, dass die Taufe lediglich der Anerkennung der portugiesischen Souveränität diene. Dadurch bedingt entstanden Stammeskriege und Bekehrungen von Herrschern in rein äußerlichem Sinne. Auch frühe französische Missionsversuche auf Madagaskar (ab 1624) schlugen fehl und forderten Opfer unter den Europäern. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es in Afrika praktisch keine Spuren dieser frühen Missionen mehr.

3.2 Kolonisierung und Missionsneuanfänge

Im 19. Jahrhundert stießen die neuen europäischen Kolonialmächte, vor allem England, Frankreich, Deutschland und Belgien, von allen Seiten ins Innere Afrikas vor. Die Missionare folgten ihnen oder waren, wie zuvor schon in Asien, die Wegbereiter kolonialer Expansion. Vor allem in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es zu einem kolonialen Wettstreit zwischen den europäischen Mächten, die angetrieben wurden durch den Willen zur Sicherung ihrer weltweiten Vormachtstellung, aber auch vermehrt billig Rohstoffe für ihre wachsenden Industrien suchten. Da die beliebten Einfallrouten nach Afrika vor allen die großen Flüsse waren, finden sich heute viele der Missionsstationen an ihren Ufern.

3.3 Protestantische Missionierung in Südafrika

Eine äußerst negative Entwicklung der Christianisierung fand im südlichen Afrika statt. Am 06.04.1652 ließ sich Jan von Riebeeck mit 90 Männern, Frauen und Kindern am Kap der guten Hoffnung nieder, um eine Kolonie zur Versorgung der holländischen Indienfahrer zu gründen. 100 Jahre später kamen drei protestantische Geistliche dazu, um die mittlerweile zerstreut lebenden Farmer und Angestellten der Ostindien-Kompanie in der holländischen Kapkolonie zu versorgen. Die Glaubensvorstellungen der Buren waren einfach und wie die der Puritaner in Nordamerika stark auf das Alte Testament bezogen. Dabei hatte der Exodus für die Buren eine besondere Bedeutung: Sie identifizierten die Engländer, denen sie sich 1836-1854 mit dem großen Treck entzogen hatten, mit dem Pharao und sich selbst mit den verfolgten Israeliten. Die Buren sahen sich in der Rolle des Volkes Israel und die schwarzen Ureinwohner als die von Gott verdammten Kanaaniter. Auf diese Weise interpretierten sich die Buren als auserwähltes Volk Gottes, das sich in einer feindlichen Umwelt bewähren musste.

In diesem Weltbild gab es keinen Platz für die schwarzen Ureinwohner, so dass die südafrikanisch-reformierte Mission, die schließlich im 19. Jahrhundert erfolgte, zu einem 'Werkzeug der Rassentrennung' wurde. Es gab nach Hautfarbe getrennte Gottesdienste und Kirchengebäude und 1880 wurde für die schwarze Urbevölkerung Südafrikas eine getrennte Kirche gegründet. Rassentrennung und Verdrängung der Ureinwohner von ihren Ländereien wurden als dem göttlichen Willen entsprechend praktiziert. Viele Missionare gliederten sich in ihrer Lebensweise immer stärker in die weiße Siedlungsgemeinschaft ein, forderten wie die Buren die Apartheid und vertraten ein Konzept der vorerst getrennten Entwicklung mit der Einrichtung von Reservaten.

3.4 Deutsche Kolonien und Missionsgesellschaften

Nachdem Großbritannien, Belgien und Frankreich große Territorien im Inneren Afrikas in Besitz genommen hatten, entschloss sich nach 1879 auch das Deutsche Reich, eigene Ansprüche in Togo, Kamerun, Südwestafrika und an der ostafrikanischen Küste anzumelden. In der Berliner Konferenz von 1884/85 wurden Grundsätze für die Aufteilung Afrikas festgelegt, wobei allen Kirchen in Afrika Missionsfreiheit zugestanden wurde. Traditionelle Stammesgrenzen der Afrikaner fanden bei den Grenzziehungen der Berliner Konferenz freilich keine Berücksichtigung.

Im Zuge dieser Imperialistischen Expansion entstanden auch im noch jungen Deutschen Reich im Verlauf des 19. Jahrhunderts einige einflussreiche Missionsgesellschaften die je nach konfessioneller Glaubensrichtung einen unterschiedlichen Missionsanspruch vertraten und verschiedene Missionserfolge aufweisen konnten (vgl. Tab. 1 und 2). Allesamt aber machten sie sich die Ausbreitung des apostolischen Glauben "unter Juden und Heiden" (vgl. STOLLE, S. 67) zur Pflicht und agierten vor allem in oben genannten Gebieten der Deutschen Kolonien. Die bekanntesten unter ihnen waren die Berliner Missionsgesellschaft, die Bleckmarer Mission, welche sich aus der Hermansburger Mission entwickelte, die Herrnhuter Brüdergemeinde und die Bethel Mission.

Zu den großen Pionieren der Missionierung Afrikas gehörten vor allem der englisch-anglikanische Missionar und Forschungsreisende David Livingstone (1813-1873), der 1841 nach Afrika kam und 10 Jahre in der normalen Missionsarbeit diente und der französisch katholische Kardinal Charles Lavigerie (1825-1892). Beide waren für ihren geduldigen Umgang mit den Afrikaner bekannt, strebten eine Missionierung möglichst vieler Afrikaner an und wandten sich vehement gegen den zu ihrer Zeit noch florierenden Sklavenhandel. Gemeinsam initiierten sie schließlich die Brüsseler Konferenz zur Abschaffung der Sklaverei. Aber es gab auch bedeutende deutsche Protagonisten. Einer von ihnen war Carl Peters (1865-1918), der 1884 die Gesellschaft für deutsche Kolonisation gründete und ohne Unterstützung des deutschen Auswärtigen Amtes mit einer Karawane von der Küste in das Landesinnere zog. Dort schloss er mit einigen afrikanischen Häuptlingen Verträge, die deren Stämme unter den Schutz des Deutschen Reiches stellten. Bei seiner Rückkehr 1885 wurden diese Verträge von offizieller Seite anerkannt und die Gebiete den deutschen Kolonien einverleibt. Aufgrund seiner unnötig harten Methoden gegenüber der afrikanischen Bevölkerung wurde er jedoch bald unehrenhaft entlassen. Ein anderer Vorbereiter des Christentums war Heinrich C. Prigge (1831 - 1920) der seit 1857 in der Hermannsburger Mission im ostafrikanischen Zululand und später ab 1892 in der Bleckmarer Mission als lutherischer Missionar diente.

Am Ende des 1. Weltkrieges war ein Großteil deutscher Missionare interniert und repatriiert. Artikel 438 des Versailler Vertrages verfügte weltweit den Ausschluss der deutschen Missionen aus den Missionsgebieten. Das Vertrauensverhältnis zwischen den deutschen Missionen und den Missionen aus anderen Ländern war aufgrund des vorangegangenen Krieges vielfach gestört. Um den Anstrengungen deutscher Missionsarbeit wieder eine nationale und internationale Bedeutung zukommen zu lassen, wurde 1918 die Deutsche Gesellschaft für Missionswissenschaft gegründet, die bis heute besteht und die einen Großteil ihres Engagements in die Aufarbeitung aktueller christlicher Begegnung mit einheimischer Kultur, Gesellschaft und Religion in Ländern der Dritten Welt investiert (vgl. GENSICHEN, S. 45 ff.).

3.5 Die Verteilung der Religionen heute

Drei Religionen haben das moderne Afrika kulturell maßgeblich geprägt. Den ältesten dieser Einflüsse markieren die afrikanischen Naturreligionen. Die meisten der zahlreichen Völker Afrikas praktizieren jeweils ihre eigenen religiösen Traditionen, die in manchen Gebieten noch heute vorherrschen. Ansonsten haben zwei neuere Religionen, das Christentum und der Islam, eine größere Anhängerschaft gefunden (vgl. Abb. 1). Der Grad der Christianisierung Afrikas ist schwer messbar; was sollte auch das Kriterium dafür sein? Einerseits gibt es Länder mit einem sehr niedrigen (z. B. Nordafrika) und andererseits mit einem sehr hohen Anteil getaufter Christen (z. B. Namibia und Südafrika). Aber auch in letzteren muss mit einem beträchtlichen Synkretismus mit den traditionellen Naturreligionen gerechnet werden. In vielen Fällen halten auch Menschen, die sich selbst als Christen oder Muslime bezeichnen, an älteren Ritualen fest, weshalb Christentum und Islam in Afrika, vor allem südlich der Sahara, oft mit traditionellen Glaubensinhalten und -praktiken verschmolzen sind. Dennoch lässt sich die Verteilung der großen Religionen grob in drei Regionen gliedern.

Religion im nördlichen Afrika

Vor rund 1 300 Jahren breitete sich der Islam von Arabien über das nördliche Afrika aus. Heute sind die meisten Nordafrikaner sunnitische Muslime. In Ägypten gibt es eine bedeutende christliche Minderheit.

Religion im westlichen und zentralen Afrika und am Horn von Afrika

Am Horn von Afrika praktizieren die Äthiopier und die Eritreer seit mehr als 1 600 Jahren das Christentum, obwohl die umliegenden Völker sich zum Islam bekennen. In den Küstenregionen des westlichen Afrika fand das Christentum erst spät Verbreitung. Unabhängige afrikanische Kirchen dieser Region verknüpfen christliche Merkmale oftmals mit Glaubensinhalten und Ritualen aus indigenen Religionen. Der Islam, in den ebenfalls oft Elemente aus den lokalen Glaubensrichtungen einflossen, stellt die wichtigste Religion im nördlichen Zentrum und im äußersten Westen Afrikas dar. In einigen Regionen, z. B. Guinea-Bissau und Liberia, haben die indigenen Religionen weiterhin die größte Anhängerschaft.

Religion im südlichen und östlichen Afrika

In weiten Teilen des südlichen und östlichen Afrika ist das Christentum die vorherrschende Religion. In ehemaligen britischen Kolonien wie Zimbabwe und Südafrika gehören die meisten Christen der protestantischen Kirche an. Andernorts überwiegen die Katholiken. Indigene Religionen dominieren in Madagaskar, Moçambique, Botswana und Teilen anderer Länder. Der Islam ist die meistverbreitete Religion entlang des größten Teils der Küste am Indischen Ozean. Überall in dieser Küstenregion leben neben Muslimen auch Christen und Anhänger von Naturreligionen, wobei die meisten Menschen eine Mischung aus zwei oder mehr Glaubensformen praktizieren.

Ökumenische Zusammenarbeit oder zumindest Verständnis für die jeweils andere Glaubensrichtung waren während der Missionierung im 19. Jahrhundert kaum vorhanden. Im Gegenteil, es war unter den Konfessionen sogar üblich, christliche Afrikaner anderer Konfessionen zur Konversion zu bewegen. Hinzu kommt sicher auch, dass der Einfluss moslemischer Mächte, die durch die Größe des portugiesischen Kolonialreiches bedingte Schwäche der Europäer in den einzelnen Kleinkolonien und das für Europäer ungünstige tropische Klima die Kolonisten auf die Küsten beschränkte und so "triumphale Eroberungen" verhinderte.
Missionarischer Alltag

Wie nun sah der Missionarische Alltag in Afrika aus? Das nun folgende Kapitel soll Einblick in die Methodik der Missionierung geben. Es soll die Instrumente der Evangelisierung aufzeigen und die Verknüpfung von Mission und Politik verständlich machen.

4.1 Zucker und Peitsche - Missionarische Methodik

Die ersten Erfolge der Missionare waren eher das Ergebnis eines "traurigen Menschenhandels". Nachdem die Stimmen gegen den Sklavenhandel in Afrika immer lauter wurden und die meisten arabischen Sklavenhändler kaum noch in der Lage waren ihre menschliche "Ware" loszuschlagen, ließen sie sich zunehmend in Geschäfte mit meist katholischen Missionaren ein, denen sie vor allem Kinder verkauften. Allein in Ostafrika erwarben die Benediktiner binnen sechs Wochen 70 Kinder bei den arabischen Händlern. Die Weißen Väter der Station Kibanga kauften innerhalb eines Jahres ebenfalls 70 Kinder und die Spiritaner der Station Bagamoyo erwarben in etwa 2 Jahren über 300 Personen, zumeist Jugendliche. Diese Kinder bildeten den ersten Kern der Missionsschulen. Mit Erkennungsmarken versehen blieben sie keineswegs freiwillig, sondern hatten in den Missionsstationen auch nach dem Freikauf körperlich zur Verfügung zu stehen. Hier mussten Sie für ihren Unterhalt arbeiten. In weiten Teilen des afrikanischen Kontinents unterhielten die einzelnen Missionsgesellschaften zum Teil recht weite Arreale mit ausgedehnten Pflanzungen. Das alles benötigte eine große Anzahl von Arbeitskräften. Das Gros dieser Menschen waren freigekaufte Sklaven, vor allem Kinder und Jugendliche (vgl. BROSSE; VAN DER HEYDEN, S. 130 ff.).

Um die Herrschaft über dieses Arbeitskraftpotential nicht zu verlieren, wurden die Sklavenkinder möglichst untereinander verheiratet. Ganze christliche Dörfer wurden so gegründet, die planmäßig missioniert werden konnten. War das Dorf groß genug, wurden eine Reihe missionierter Eingeborenenfamilien ausgegliedert, um ein neues christliches Dorf zu gründen. Die nun Erwachsenen waren jedoch immer noch nicht frei und mussten weiterhin auf den Plantagen arbeiten. Dabei war die Methodik "Zucker und Peitsche" eine weitverbreitete Vorgehensweise, die Arbeiter gefügig zu machen. Bei besonders guter Arbeit erhielten die Arbeiter materielle oder auch öffentliche Anerkennungen, in wenigen Fällen wurde sogar eigenes Land, Saatgut und landwirtschaftliches Gerät zugeteilt. Im Gegensatz dazu wurden Aufsässigen und "Arbeitsunwilligen" Nahrung oder Vergünstigungen entzogen. Diese Maßnahmen schlossen auch körperliche Züchtigung und psychische Repressionen nicht aus.

Ein weiteres Instrument zur christlichen Unterwerfung und ein Apparat zur Unterdrückung der Freude war das von den Missionaren ausgesprochene Verbot aller traditionellen Zeremonien und Tänze, des Spiels auf ihren Instrumenten, der Behandlung mit ihren Arzneien, des Schmucks - gleich welcher Form - und der Pflicht des Tragens der schmucklosesten und unattraktivsten Kleidung.

Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es sich bei den betroffenen Missionsstationen, die wegen ihrer Strenge und Disziplin und ihren zum Teil drakonischen Bestrafungsaktionen einen zweifelhaften Ruhm erhielten, in erster Linie um katholische Missionen handelte. Sicher, der Freikauf der Sklaven hat viele von ihnen vor noch Schlimmerem bewahrt und gewiss hat der Ausbau der Missionsstationen in kultureller und vor allem landwirtschaftlicher Hinsicht beachtliche Leistungen vorzuweisen, doch die körperliche Ausbeutung der Afrikaner und deren "Erziehung zur Arbeit" darf als weiteres dunkles Kapitel römisch-katholischer Kirchengeschichte nicht unbeachtet bleiben.

Neben dem Freikauf von Sklaven gab es noch andere Methoden, um Afrikaner zur Taufe zu bekehren. Dabei wurde das System innerafrikanischer Herrschaftsstrukturen und Abhängigkeiten genutzt. Meist wurde zuerst versucht, die Häuptlinge eines Clans für die christliche Mission zu gewinnen, notfalls wurden sie bestochen oder untereinander ausgespielt, beziehungsweise durch militärischen Eingriff der Kolonialtruppe unterworfen. Es gibt auch Berichte, nach denen Missionare halbverhungerte Afrikaner im Austausch mit lebensrettenden Nahrungsmitteln zur Taufe brachten (KÜCHES, S. 30). Andere Versuche waren eher trivial und doch hatten sie eine Wirkung. So gab es manchmal kleinere Kinovorstellungen in den Stationen, bei denen die Eingeborenen staunend den sich bewegenden Bildern folgten oder sie lauschten dem Klang eines Grammophons. Wenn die Männer auch meist in ihren Kraal zurückkehrten um sich auszuruhen - in den Missionsstationen mussten sie unentwegt arbeiten - so blieb doch der Eindruck eines übermächtigen Zaubers, der von den Vertretern der "Neuen" Religion ausging.

4.2 Bildungswesen

Für die Missionsgesellschaften stellte der Schulunterricht mit seinem Kernstück, dem Religionsunterricht, die bedeutsamste Möglichkeit dar, um den Zugang zur Bevölkerung zu schaffen und auch zu erhalten. Unabhängig vom konfessionellen Hintergrund kann man die Schule aber vor allem als das Evangelisierungsmittel schlechthin bezeichnen und als Instrument der Entfremdung der Afrikaner von ihrer traditionellen Lebensweise. Für viele, vor allem katholische Missionare, hatte die Schule in erster Linie der Religion und damit der Kirche zu dienen. So fehlten oft die Bemühungen seitens der Missionare, gute Sprachkenntnisse und Verständnis für Sitten und Mentalität der afrikanischen Völker zu erwerben. Ihre Hauptfunktion bestand nicht selten ausschließlich in der Ausbildung treuer Gläubiger und Katechisten. So neigten die Benediktiner dazu, nur ein Mindestmaß an Bildung zu vermitteln, während zum Beispiel die "Weißen Väter" einer über Religions- und Elementarunterricht hinausgehenden soliden Bildung das Wort redeten. Nicht wenige Kolonialisten vertraten die Auffassung, dass "ein Schwarzer mit Bildung" für die Arbeit verdorben sei, und nicht eben weniger Missionare waren der selben Überzeugung. Unterm Strich sollten intellektuelle Fähigkeiten erst nach gelungener Disziplinierung erworben werden. Als eine der vermeintlichen "Volksseuchen" in den neuen Kolonien galt die sogenannte "afrikanische Faulheit" (SAUERWEIN, S. 136). Damit war der seit Jahrtausenden praktizierte Minimalismus der Afrikaner gemeint, nur soviel zu arbeiten, wie er zum Überleben braucht. Mit den seit Beginn der Industrialisierung einsetzenden Bestrebungen nach Güterakkumulation und einem sich steigernden Konsum seitens der Europäer ging diese Lebenseinstellung nicht konform. Natürlich gab es auch positive Beispiele: So war der Unterricht der Jesuiten so konzipiert, dass neben der biblischen Unterweisung die Vermittlung von praktischen Fähigkeiten im Vordergrund stand. Unabhängig von ihrer ethnischen Abstammung hofften die Jesuiten, über den Weg der Vermittlung von praktischen Fähigkeiten dem Afrikaner auch das Evangelium nahe zu bringen.

Daneben ließ man die Bevölkerung in einigen afrikanischen Staaten nicht in gleicher Weise am christlichen Bildungsgut partizipieren, sondern bevorzugte gewisse Volksgruppen, um die Kolonie verwaltungstechnisch und ökonomisch zu sichern. Dies geschah auch im Fall Rwanda. Hier wurden ab etwa 1926 fast alle Priesterkandidaten aus der Bevölkerungsgruppe der Tutsi rekrutiert. Zudem wurden sie von der belgischen Kolonialregierung als sogenannte Chefs eingesetzt, nachdem diese die Aufstände der Hutus niederschlugen. Diese einseitige Begünstigung einer Minderheit zur christlichen Bildungselite förderte die Bildung sozialer Klassen und Schichten und verschärfte den Hass zwischen den Volksgruppen in vielen Ländern Schwarzafrikas. In Rwanda stürzte dieser "hausgemachte" Konflikt zwischen den Hutu und Tutsi das Land mehrfach in blutige Bürgerkriege bis hin zum Genozid. So ist das unvorstellbare Massaker im Jahre 1994 sicher nicht die Schuld der Kirche, doch ohne missionarische Kolonialgeschichte wäre das Feindschaftspotential der beiden Volksgruppen nicht so immens gewesen.

4.3 Soziomedizinische Versorgung

Ebenso untrennbar wie Schule und Bildung ist die Gesundheitsversorgung mit dem Wesen und Wirken von Mission verbunden. Fast jede Missionsstation war über kurz oder lang mit einer Ambulanz ausgerüstet. Nach dem Willen von Kardinal C. Lavigerie besaß die Ausübung von "Wohltätigkeit" und die Krankenpflege für die Missionare oberste Priorität (KLOS, S. 276). Die Missionsgesellschaften sahen in der Krankenversorgung einen wichtigen Schritt zur Annäherung an die Bevölkerung, aber trotz der teilweise beeindruckenden Leistungen die Missionare entgehen diese Einrichtungen nur schwer einer gewissen Zweideutigkeit. Die Spitäler bildeten eine direkte Apostolatsmöglichkeit, vor allem auch auf islamischem Boden, wo den christlichen Missionen das Recht verwehrt war zu bekehren. Wie konnte man vor dem Hintergrund dieser konfessionellen Rivalität besser imponieren als durch Krankheitsheilung mit Hilfe europäischer Medizin. JEAN-MARC ELA (S. 90 f.) misstraut dem stillschweigenden Einverständnis zwischen Evangelium und medizinischen Diensten und stellt den missionarischen Sinn des religiösen medizinischen Werkes außer Zweifel. Nach ihm müssen sich Medizin und Mission in der Kolonialzeit den Vorwurf gefallen lassen, dem gleichen Zweck gedient zu haben: Der Aufrechterhaltung von Mechanismen, die das System aus Kolonialisierung und Christianisierung festigten. Dazu gehörte auch die Unterdrückung traditioneller Heilungskunst. In der Evangelisierung wurden alle afrikanischen Riten einschließlich der Therapie als "diabolisch" bezeichnet. Dies konnte die Abhängigkeit der Afrikaner von der westlichen Medizin nur verstärken. „So wurde die Gesundheit des afrikanischen Menschen, trotz des gigantischen medizinischer Werke, im Grunde konfisziert“ (ELA, S. 130).

Doch nicht sofort und überall bestand seitens der Bevölkerung Interesse an der europäischen Heilkunde, die in Konkurrenz zur traditionellen Heilkunst trat. Die pragmatische Vorgehensweise moderner Medizin fragt bei dem Warum einer Krankheit nicht nach den Einflüssen übersinnlicher Kräfte. Die Existenz einer Geisterwelt war aber völlig selbstverständlich, Wunder waren natürlich möglich und erregten keinerlei Skepsis. Zudem war auch die Angst weit verbreitet, durch die Hand der 'fremden Weißen" womöglich vergiftet zu werden. Entsprechend der distanzierten Haltung der Bevölkerung beschränkten sich die Anfänge der medizinischen Versorgung daher zunächst auf Randgruppen. Die meisten Patienten waren missionarische Arbeitskräfte oder Schüler (vgl. auch KLOS, 276 ff.). Erst mit zunehmender Machtentfaltung der christlichen Kirchen änderte sich in den folgenden Jahren diese Zurückhaltung. Gegen Ende der 20er Jahre verfügten fast alle katholischen und protestantischen Missionsstationen über kleine, einfach ausgestattete Gesundheitszentren, die von staatlicher Seite unterstützt wurden.

4.4 Sichtweisen - Ich bin der Vater, du der Sohn

Die Haltung, welche die Missionare zur einheimischen Kultur und Religion einnahmen wurde wesentlich von zwei Dingen geprägt. Zum einen spielte das allgemein verbreitete Selbstverständnis, Vertreterin einer 'höherwertigen' Kultur und gleichzeitig Inhaber der einzig wahren Religion zu sein, eine wichtige Rolle. Materieller Fortschritt wurde als Indikator für die Weiterentwicklung des Menschen angesehen. In Europa setzte man überlegene Kultur mit überlegener Rasse gleich. "Dementsprechend wurde Kultur und rassische Überlegenheit an der technologischen und materialistischen Weiterentwicklung gemessen" (SAUERWEIN, S. 130). Man ging nicht davon aus, dass die schwarzen Ureinwohner die Zivilisationsstufe der Weißen in naher Zukunft erreichen könnten. Das über allen Dingen stehende Missionierungsziel wurde bestimmend für missionsstrategische und -pädagogische Überlegungen (BROSSE; VAN DER HEYDEN, S. 120). Die Afrikaner wurden als "Kinder" angesehen, die einer Führung durch die Europäer bedürften, weil sie auf einer primitiven und unzivilisierten Entwicklungsstufe stünden. Die Menschen in Europa und Amerika sahen sich am Ende des 19. Jahrhunderts als Mittelpunkt der Welt, umgeben von einer Mehrheit von ’Eingeborenen’ (vgl. auch DICKENSON, S. 42). Nach diesen Vorstellungen sollten die Afrikaner ihr von uralten Traditionen bestimmtes Leben in Richtung der zivilisatorischen Wünsche der Europäer verändern. Je nach der Schärfe, mit der dieses Prinzip gehandhabt wurde, mussten sich die Afrikaner in ihrem Selbstwertgefühlt verletzt fühlen. All das führte zu einem gespannten, zuweilen feindseligen Verhältnis.

Eine erschreckende Ausprägung dieser religiösen Weltansicht hatte die anfänglich schon erwähnte Entwicklung der Christlichen Missionierung in Südafrika angenommen. Der Missionswissenschaftler JOHANNES BECKMANN (1901-1971) bereiste das südliche Afrika zwischen 1938 und 1939 und stellte in den von den Buren beanspruchten Gebieten einen starken Rassismus fest, den auch die dort arbeitenden Missionare pflegten. In seinem Tagebuch berichtete er von unhaltbaren Zuständen in den dortigen Missionsstationen. Demnach gab es Buren-Missionare, die absolut keine Hochachtung vor den Schwarzen hatten und offen behaupteten, der Schwarze sei ohne Seele. Es gab auch Missionare, die sich durch Pfändung der Einheimischen Land kauften und Reichtum anhäuften. Andere schickten sogar Kinder zur Prostitution in die Minen, um das Schulgeld zu finanzieren. Die Buren selbst wurden von den Eingeborenen ihrerseits nicht als Weiße anerkannt, weil kaum eine Familie ohne "Schwarzes Blut" war. Dadurch verfügten die Buren über Kenntnisse, die es ihnen noch einfacher machten, die Eingeborenen auszubeuten.

Aber nicht nur rassistische Anschauungen warfen ein verwerfliches Bild auf die Eroberer. Auch hinsichtlich der Anwendung der von den Missionaren propagierten Christlichen Religion gab es Negativenbeispiele, die das Christentum in einem unglaubwürdigen Licht erscheinen ließen. R. SCHEERER (S. 85) stellt fest, dass zum einen die nach Afrika kommenden Europäer - Kaufleute, Pflanzer, Soldaten, Kolonialbeamte selbst kaum nach christlichen Geboten lebten und sie missachteten, und andererseits die Kinder wohlhabender eingeborener Familien, die von ihren Familien nach Europa geschickt wurden und sich mit dem Gedanken trugen, zum Christentum überzutreten, sich in der Regel gleich wieder vom Christentum abwandten und den Missionaren bei ihrer Rückkehr die bittersten Vorwürfe machten. Das Christentum, dass sie, die Missionare, ihnen nahegebracht hätten, sei jedenfalls keine das Londoner, Pariser, Berliner usw. Leben bestimmende Kraft. Auch unter den Missionaren gab es "unchristliches Verhalten". So verteilten sich die aus Europa kommenden Güter für die Missionsstationen in sehr ungleicher Art und Weise. Autos, Geld und Machtbefugnisse gelangten fast ausschließlich in die Bischöflichen Zentralen, während die Missionare in den Stationen vielerorts Hunger leiden mussten. So hatte der Afrikaner oft genug Probleme, zwischen Missionar und Kolonialist zu unterscheiden.

Auch schien es, dass die Qualität der Missionierung nur eine untergeordnete Rolle spielte. So nahmen sich die Missionare in der Regel zu wenig Zeit für eine lange und geduldige Glaubensunterweisung, die der Taufe voranzugehen hatte. Jedoch verlangten die Missionare strikt die Abkehr von all jenen religiös-kulturellen Traditionen, die als heidnisch galten: Geisteraustreibung, Hexentribunale, Pubertätsriten, Polygamie, Bestattungsriten. Christ sein implizierte somit einen klaren Bruch mit der eigenen kulturellen und religiösen Vergangenheit, der letztlich auch mit der Annahme eines neuen (biblischen) Namens kenntlich gemacht wurde (BROSSE; VAN DER HEYDEN, S. 104) ohne das nach der Taufe eine kontinuierliche Seelsorge gewährleistet werden konnte. Viele Afrikaner fühlten sich nach ihrer Bekehrung alleingelassen und nicht wenige kehrten bald zu ihrem alten Glauben zurück oder standen zwischen zwei religiösen Welten.

Bei allen Negativbeispielen missionarischer Tätigkeit muss an dieser Stelle aber auch erwähnt werden, dass es ebenso Missionare gab, die sich - gleich welcher religiösen Ausrichtung und Intention - als Interessenvertreter der 'Eingeborenen' fühlten, die als das 'Gewissen' der Kolonialmächte fungierten und die nicht zuletzt die Abschaffung der Sklaverei unterstützen. Es ist unbestritten, dass der Anteil der Missionare, die für eine Gleichberechtigung zwischen 'Schwarz und Weiß’ eintraten, beständig wuchs.

4.3 Politik und Mission in Afrika

Politik und Mission waren in Afrika stark miteinander erknüpft. Französische Missionare versuchten zum Beispiel, den christlichen Glauben mit Hilfe des Häuptlings unter den Barotse am Sambesifluß zu verbreiten. Als dabei politische Schwierigkeiten zwischen dem Häuptling und seinem Volk auftraten, übernahm England die Oberhoheit über dieses Gebiet. Im Kamerun litt die Missionsarbeit sehr, weil bedingt durch die Übernahme der deutschen Oberhoheit im Jahre 1884 und durch den Wechsel von der deutschen zur französischen Herrschaft nach dem 1. Weltkrieg die Missionsgesellschaften dreimal wechselten und diese obendrein verschiedene Richtungen des Protestantismus repräsentierten. Dass heute nur ca. 30% der Bevölkerung in Kamerun Christen sind, hat auch in diesem politisch bedingten Wirrwarr seine Ursache. So war der Kolonialismus keine mehr oder weniger zufällige historische Begleiterscheinung der Mission, sondern vielmehr wichtige Voraussetzung für die Bereitschaft zur Übernahme der Christentums durch die einheimische Bevölkerung. Die Bereitschaft der Afrikaner, christliche Missionare ins Land zu lassen, erwuchs nicht selten aus dem politischen Kalkül, in den Kolonialmächten Verbündete zum Schutz gegen äußere Feinde zu gewinnen. Die Missionsstationen bildeten Brückenköpfe europäischer Penetration und wurden so zu einem unverzichtbaren Teil des kolonialen Siedlungs- und Wirtschaftssystems (WIRTH, S. 101). Das gesamte ökonomische, soziale, kulturelle und politische Leben spielte sich organisatorisch innerhalb des stabilen Siedlungsrahmens der Stationen ab. So hat die Missionierung als Regulativ der Kolonisierung gewirkt, die sie gewissermaßen humanisiert hat. „Die Mission war nicht nur Nutznießer der kolonialen Bewegung, sonder sie war auch deren integraler Bestandteil mit der [...] Aufgabe das Land zu öffnen“ (SAUERWEIN, S. 14).

Mit zunehmender Dauer der Kolonisation wandten sich immer mehr Missionsgesellschaften gegen den "schädlichen Einfluss" der Kolonialregierungen und deren Politik auf die Christianisierung, pochten auf eine unabhängige Mission und warnten vor einer Abwertung des christlichen Glaubens zu einer bloßen Kulturmission. In der 6. Bremer Missionskonferenz (1884) wurde offen für eine Trennung von Kolonialpolitik und Mission, von Evangeliumsverkündigung und militärischer Besetzung und kolonialer Ausbeutung geworben. Jahre später, während der Weltmissions-Konferenz in Jerusalem (1928), erkannten die vertretenen Missionsgesellschaften, dass der erreichte Wohlstand der Kolonialmächte, vor allem der Fortschritt in der sozialen Gesetzgebung, durch die Ausbeutung der Eingeboren in den Kolonien erkauft wurde und dass in der imperialen Expansion der Kolonialmächte die entscheidenden Hindernisse für die Entwicklung der Kolonien zu suchen seien (vgl. SCHEERER, S. 85 f.).

Die Verbindung von Politik und Religion lässt sich für Afrika insgesamt wie folgt zusammenfassen:

Obwohl 1884 auf der Berliner Konferenz allen Kirchen in Afrika Missionsfreiheit zugestanden wurde, bevorzugten einige Kolonialstaaten eine bestimmte Konfession durch finanzielle Unterstützung.

Missionare, z.B. Deutsche in Südwestafrika, baten bei Schwierigkeiten europäische Schutzmächte im Intervention und Hilfe.

Anderseits ließen sich die Missionare auch für politische und wirtschaftliche Ziele einspannen.

Die Missionare wurden häufig zu "Häuptlingen" von freigelassen Sklavenkindern und von Menschen, die ihre Stammeszugehörigkeit verloren hatten. Dadurch wurde eine Absonderung von anderen afrikanischen Dörfern bewirkt.

Missionare mussten sich mit Angelegenheiten beschäftigen, die ihre Kompetenzen überschritten. Nicht selten waren sie Missionar, Polizist, Richter, Architekt und Diplomatischer Vermittler in einem.

Teilweise übernahmen sie die Funktion des politischen Beraters eines Häuptlings und wurden ihrerseits von ihm abhängig.

Die Missionsstationen waren ideale Operationsbasen zur nachhaltigen Beeinflussung der zu missionierenden Bevölkerung, in dem man ihr in beeindruckender Weise die Überlegenheit der neuen Religion und der damit verbunden (europäischen) Kultur vorgaukelte.

Die Macht der Eroberer verlieh der christlichen Religion den Ausdruck von Lebenskraft. Daher musste fast zwangsläufig mit Übernahme der christlichen Religion auch die eigene Religion in Frage gestellt werden.
Christliche Lebenswirklichkeit in Schwarzafrika
d'mba-da-tshol der Baga (Guinea)

Die Maske verkörpert Hässlichkeit und galt als besonders mächtig.

"Ihr könnt, ihr sollt ein afrikanisches Christentum haben!“ waren die Worte, die Paul VI. während einer Rede im Ugandischen Kampala an die Kirchen Afrikas richtete. Damit entsprach er dem Verlangen afrikanischer Theologen, den gewachsenen Traditionen der afrikanischen Bevölkerung innerhalb des Evangeliums gerecht zu werden. Lange Zeit hat das Christentum im Verlauf der Missionsgeschichte einen entfremdenden Einfluss auf die kulturellen Wurzeln gehabt. Heute bemühen sich mehr und mehr afrikanische Kirchen, das Christentum zu „afrikanisieren“ (ELA, S. 8), beziehungsweise zu inkulturieren. Das nun folgende Kapitel soll neben der Gegenüberstellung unterschiedlicher Ansichten auch den fast zwangsläufigen Werdegang der neuen unabhängigen Kirchen Afrikas aufzeigen.

5.1 Christentum und afrikanische Religionen - ein Gegensatz?

Aufgrund der verschiedenen Weltanschauungen und kulturellen Sichtweisen war eine Kollission zwischen den christlichen Glaubenslehren und den religiösen Traditionen der Afrikaner unausweichlich. Völlig unterschiedlich gewachsene Religionen standen sich konkurrierend gegenüber. Neben der militärischen (politischen) Dominanz schien das Christentum dabei auch "historisch" überlegen zu sein. Die unten aufgeführten wichtigsten Gegensätze verschafften der Missionierung des Evangeliums einen klaren Vorteil und sind teilweise noch immer Brennpunkte heutiger Inkulturationsbemühungen:

Die Bibel hatte die Autorität des Geschriebenen und reichte in Zeiten zurück, die jenseits afrikanischer Vorstellungskraft lagen.

Das Evangelium war weltumspannend, während die Religionen der Afrikaner oft an den Siedlungsgrenzen der Clans endeten.

Der christliche Gott führte die Menschheit zu einem Ziel, während die meisten Götter afrikanischer Religionen nur über die Ordnung des Bestehenden wachten.

Durch die militärische Stärke der Kolonialmächte schien die christliche Religion über Kräfte zu verfügen, die der eigenen Religion überragten. Dieser Umstand erklärt auch die Tatsache, dass „die christliche Religion überall dort erfolgreich war, wo der gesellschaftliche Wandel die bestehenden Ordnungen aufzulösen begann“ (BROSE; VAN DER HEYDEN, S. 103).

Die traditionellen Heilungsmethoden der Afrikaner konnten dem medizinischen Vorsprung einer technisierten europäischen Wissenschaft kaum etwas entgegensetzen. Dies machten sich auch die Vertreter der Kirche zu Nutze.

Die Missionare konnten Fragen nach dem Anfang und dem Ende der Welt beantworten. Sie verkündeten mit Jesus Christus die Auferstehung der Toten im Paradies während die afrikanischen Toten im Reich der Schatten lebten.

Bei der Bewertung der Christianisierung Afrikas ist es äußerst wichtig zu wissen, dass afrikanisches Denken stark von der menschlichen Gemeinschaft ausgeht, zu der selbstverständlich auch die Toten bzw. die Ahnengeister gehören. Deshalb lohnt sich besonders beim letzten Punkt eine nähere Betrachtung, weil er einen der wichtigsten Gründe für den Ruf nach einer eigenen Interpretation des Evangeliums darstellt und den Kontrast zweier gewachsener kultureller Identitäten herausstellt. Die Missachtung des Ahnenkults und seiner Bedeutung innerhalb der afrikanischen Gesellschaft hat den Verlust einer afrikanischen Authentizität zur Folge gehabt und die Abspaltung afrikanischer Kirchen von den westlichen Mutterkirchen geradezu herausgefordert. Die Bindung der Afrikaner an ihre Ahnen zeigt zudem, wie schwierig eine Übernahme christlicher Wertesysteme ist und wie wahrscheinlicher eine Anpassung an Afrikanische Vorstellungen sein muss.
Ahnenkult in Uganda

Aberglaube, Ahnenkult und Angst beherrschen noch immer viele Menschen in Afrika

5.2 Die Ahnen und der Christliche Glaube

In Afrika gehen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ineinander über. Das alles umfassende Band sind die Ahnen, die auf ihrem Land - übergeben vom Schöpfer - weiterleben und -wirken. Die meisten traditionell lebenden Afrikaner sind vom Schicksal der Seelen ihrer Toten im Jenseits besessen - eine Besorgtheit, die in ihren komplexen Begräbnisriten und der oft viele Tage währenden Trauer zum Ausdruck kommt (vgl. LEWIS, S. 112 ff.; IMFELD, S. 22 f.). Es ist zudem selten, dass die Toten nach den Begräbniszeremonien nicht durch irgendeinen Kult weiterhin verehrt würden. Vermutlich ist der Totenkult der Aspekt der Kultur, dem die Afrikaner sich am stärksten verbunden fühlen. Er ist in Afrika derart verbreitet, dass man der Frage, die er auf der Ebene der christlichen Reflexion und des alltäglichen Lebens aufwirft, nicht ausweichen kann. So wird auch heue noch in Zaire bei allen offiziellen Empfangen das erste Glas stets zu Ehren der Ahnen erhoben und symbolisch einige Tropfen auf die Erde gegossen, in der die Ahnen ruhen (ELA, S. 27). Es ist für viele afrikanische Kulturen charakteristisch, niemals von jemandem zu sagen, er sei tot: von einem Menschen sagt man gern, er sei fortgegangen, er habe uns verlassen, er sei dahingegangen usw. John Mbiti hat aus verschiedenen Gegenden Afrikas eine lange Liste solcher Ausdrucksweisen zusammengestellt. Für den Afrikaner ist der Tod keine Vernichtung des Seins. Die Toten sind demnach nicht tot, sondern allgegenwärtig. Lebende und Tote sind in einer gemeinsamen Welt aneinandergebunden und sie sind aufeinander angewiesen. Die Lebenden suchen Beistand bei den Ahnen, während die Ahnen auf die Opfer der Lebenden angewiesen sind, um weiterexistieren zu können (LOTH, S. 46 f.). Somit ist der Ahnenkult der Afrikaner in ein ganzheitliches Weltbild eingebettet, in der die Toten als fester Bestandteil des Diesseits weiterexistieren. Diese Feststellung hat in der Vergangenheit immer wieder die Frage aufgeworfen, ob die Pflege der Beziehungen zwischen den Lebenden und den Toten ihren Platz in der christlichen Religionslehre gefunden hat, oder ob der Abbruch der Beziehungen zu den Ahnen Vorraussetzung, ist um sich zum Evangelium zu bekennen.

Wenn in der Vergangenheit die Ahnen im Leben der afrikanischen Christen keinen Platz hatten, dann deshalb weil, die Missionare dazu neigten, die Ahnen mit Geistern und Göttern zu verwechseln und deren Ehrerbietung nicht mit dem Evangelium vereinbar war. Ahnenkult wurde so zum Teufelskult. „Diese Interpretation berücksichtigte weder das umfassende Beziehungsgeflecht, das die Lebenden mit den Toten verbindet, noch die Gesamtheit der rituellen Verhaltensweisen, die die Beziehung zu den Ahnen charakterisieren", schreibt JEAN-MARC ELA (S. 32) und fährt fort: „In Afrika gehören die Toten zur Familie. Sie stellen daher keine feindlichen Mächte dar, deren schlimme Einflüsse man durch Riten mit magischem Charakter unschädlich machen müsste“. Der afrikanische Christ Ephraim K. Mosothoane formuliert es noch anders: „Afrikaner bringen ihren Vorfahren Opfer dar, aber sie machen nicht notwendigerweise einen Gottesdienst aus". Der Ahnenkult ist also nicht notwendigerweise 'abgöttisch' und 'polytheistisch'.

Die Erkenntnis, dass der Afrikaner von seinen Ahnen nicht zu trennen ist, hat sich im Laufe der religiösen Eroberung Afrikas zuerst der Islam zunutze gemacht. Er übernahm Elemente des Ahnenkults aus der afrikanischen Tradition und passte sie seinem Lehrsystem an. Die dahingegangenen Ahnen hatten im Islam die Rolle von Fürsprechern für die Lebenden (LOTH, S. 46). Auch in der Geschichte der afrikanischen Christianisierung ist diese fundamentale Basis der afrikanischen Kultur später erkannt worden. Ohne einer neuen Betrachtung von Leben und Tod im Kontext der afrikanischen Kultur wäre die Christianisierung vielleicht auch gescheitert. Erst die Vereinbarung des Ahnenkults mit dem Evangelium schaffte die Vorraussetzung für eine Übernahme. Letztlich hat der Ahnenkult unter dem Einfluss des Christentums zwar einen Wandel erfahren, ist aber unter afrikanischen Christen weiterhin lebendig.

Die afrikanische Gesellschaft befindet sich unverkennbar in einem Umbruch. Wie aber sind die Widersprüche zwischen Brauchtum und Öffnung für die Veränderungen zu überwinden? Diese Aufgabe ist vermutlich am ehesten von der immer zahlreicher werdenden unabhängigen Kirchen Afrikas zu bewältigen.

5.2 Unabhängige afrikanische Kirchen

Bereits kurz nach den Anfängen der Evangelisierung in Afrika entstanden zu Beginn dieses Jahrhunderts unabhängige Kirchen, die, wie nicht anders zu erwarten, "Sekten" genannt wurden. Sie stellten die ersten Äußerungen des Protestes gegen die weiße Herrschaft und den Status der Minderwertigkeit dar. Bis zum ersten Weltkrieg waren diese selbständigen Kirchen in Afrika das geistige Zentrum der nationalen Bestrebungen (vgl. LOTH, S. 210). Heute zählt man an die zehntausend dieser unabhängigen Kirchen in Schwarzafrika, die alle entweder aus dem Katholizismus oder (vor allem) aus dem Protestantismus hervorgegangen sind (BERTSCH, S. 130). Zu Kolonialzeiten war eine kirchliche Eigenverantwortung der Schwarzafrikanische die Ausnahme. Am Ziel der Errichtung einer eigenständigen afrikanischen Kirche wurde nur vereinzelt gearbeitet, so dass der Paternalismus ein Hauptproblem der afrikanischen Kirche darstellte und teilweise immer noch darstellt. 1923 gab es ganze 66 afrikanische Priester im gesamten tropischen Afrika.

Die Afrikanischen Unabhängigen Kirchen (AIC) passen weder in ein evangelisch-lutherisch geprägtes Muster noch in ein katholisches Schema westlicher Missionarsmission. Viele dieser "afro-christlichen Kirchen" befassen sich mit spirituellen Heilungen. Im Gegensatz zu den als gekünstelt und steril empfundenen Liturgien der konventionellen Kirche strahlen die ganz auf die menschliche Gemeinschaft zugeschnittene Heilungsriten sehr viel mehr Wärme aus (vgl. BERTSCH, S. 130). So gibt es heute in den einzelnen Diözesen regelmäßige Heilungsgottesdienste als Teil kirchlicher Veranstaltungen; einschließlich des Exorzismus, die eher den traditionellen Heilungspraktiken entsprechen. In Tanzania spricht man mittlerweile sogar vom „power evangelism“ (vgl. BROSSE; VAN DER HEYDEN, S. 45). Die Öffnung für charismatische Phänomene geschah aber nicht allein in den pfingstlichen Gruppen, die besondere 'afrikanische Deutung der Bibelwunder’ findet sich auch in den lutherischen Kirchen wieder. Eine nicht unwichtige Rolle für den Erfolg der Unhabhängigen Kirchen spielt auch der Dienst der Frauen, die in den traditionellen Rollenverständnis der Mutterkirchen oft im Abseits stehen, in den Unabhängigen Kirchen aber einen wichtigen Platz innehalten. Cécé Kolié, ein Priester in der zairischen Diözese Boma, beschreibt es so: „Im Vollzug der Heilungsriten kommt die Fürsorge und Zuwendung, die sie den Kranken schenken, voll zum Tragen. Mögen einige dieser Sekten im Grunde auch Neu-Heidentum sein, so stellen sie im ganzen doch einen Kontrapunkt dar zu den Unzulänglichkeiten der etablierten Kirchen“ (LENEAU; ELA, S. 133).

Die Entkolonialisierungsprozesse in Afrika hatten nicht nur den Kampf um politische und nationale Unabhängigkeit im Blick, sondern ebenfalls das Ringen um die kulturelle Identität der Völker. Auch die Evangelisierung hat Anteil gehabt an diesen Prozessen. Das Modell der Europäischen Mission, die immer auch Kulturmission war, ist nach dem Zweiten Weltkrieg erschüttert worden. Die Unabhängigen Afrikanischen Kirchen haben sich in den 70er und 80er Jahren von der kulturellen Hegemonie des westlichen Christentums gelöst. ULRICH LUI bezeichnet die Entwicklung und Genese christlicher Kirchen in Afrika als Interaktionsprozess zwischen afrikanischer und europäischer Kultur (BROSE; VAN DER HEYDEN, S. 97). Mit der Gründung einer "Afrikanischen Kirche" war eine Anpassung an die afrikanische Kultur unumgänglich, bei der Christliche Lehren in ein afrikanisches Gewand gelegt wurden.

5.3 Afrikanische Missionierung heute

Durch die Russische Revolution und die sowjetische Expansion verloren die orthodoxen Kirchen im Osten an Einfluss. Die Entwicklung des Kommunismus in China setzte der Missionsarbeit auch in diesem Land ein Ende. Die Kirchen in Afrika stehen heute in einer Auseinandersetzung mit einem selbstbewusster gewordenen Islam. Schon seit Jahrhunderten sehen sich die Afrikaner verschiedenen Religionen gegenüber gestellt und nicht wenige haben sich im Laufe der Missionierung Afrikas für den Islam entschieden, obwohl das Christentums dies durch ihren kolonialen Einfluss eigentlich hätte verhindern können. Die Ursache dafür war dabei nicht, wie so oft geschrieben, dass der Islam es seinen Anhängern leicht machte, sondern vor allem der Glaube, dass der 'Schwarze' durch Annahme des Islam sozial gehoben würde und von allen Mohammedanern, gleich welcher Rasse oder Farbe, als vollwertig und gleichberechtigt anerkannt würde. Dagegen hat die christliche Kirche die Lehre vom Corpus Christi Mysticium (vgl. BECKMANN, S. 96) verteidigt, es also mit der Trennung von 'schwarz' und 'weiß' sehr ernst genommen. Im Gegensatz zum dogmatischen Kolonialisten und Missionar, der versuchte, alles zu 'taufen’, hatte der Islam nur die Anerkennung der Oberhoheit Allahs verlangt. Zudem wird in vielen ehemaligen Kolonien auch heute noch das Christentum mit dem Kolonialismus gleichgesetzt.

Ökumenische Zusammenarbeit oder wenigstens Verständnis für die jeweils andere Glaubensrichtung war während der Missionierung im 19. Jahrhundert kaum vorhanden. Im Gegenteil, es war unter den Konfessionen sogar üblich, christliche Afrikaner anderer Konfessionen zur Konversion zu bewegen. Die Entwicklungen der Vergangenheit führten in der Mission zu einem Umdenken. Auf die Einheit der Christen wurde nun größerer Wert gelegt als auf die Abgrenzung der Konfessionen. Die Bekehrung wurde zunehmend als Aufgabe der autonomen Landeskirchen betrachtet, so dass Einheimische in verantwortliche Positionen ihrer kirchlichen Organisationen aufrückten. So verwundert es nicht, dass die größten Missionarischen Durchbrüche in Gebieten gelangen, in denen afrikanische Christen als Katecheten ausgesendet wurden oder man bewusst Gruppen christianisierter Afrikaner in Dörfern noch nicht Bekehrter leben ließ. Grundziel der andauernden Missionierung soll heute die Schaffung christlicher Familien sein. War die Missionsbewegung früher davon überzeugt, dass die Kulturen der Welt in die europäische Kultur münden würden, so hat sich diese Anschauung weitgehend gewandelt. Die Mission der Kirche besteht nicht mehr nur in Bemühungen für Mitgliederwerbung, Strategien zur Bestandssicherung oder dem Versuch der Rückgewinnung von Einfluss und Privilegien für die Kirchen. Kirchliche Strukturen und Formen wie auch Anschauungen und Symbole ändern sich im Wandel der Kulturen, überleben sich und müssen manchmal auch fallen gelassen werden.
Schlussbemerkung

Es sei an dieser Stelle noch einmal darauf hingewiesen, dass der Rahmen dieser Arbeit eine differenzierte Betrachtung der Christianisierung bezogen auf die einzelnen Staaten nicht zuließ. Die Missionierung beziehungsweise die Christianisierung ist in den einzelnen Staaten Afrikas zweifelsohne unterschiedlich verlaufen. Die Gründe liegen zum einen in den ungleichen Verstrickungen und Abhängigkeiten der Missionsgesellschaften bezüglich der kolonialen Mächte, zum anderen in den durch die unterschiedlichen Konfessionen bedingten divergierenden Missionierungsansätzen und nicht zuletzt spielt auch die jeweilige geographische und sozial-historische Eigenheit der einzelnen Staaten eine entscheidende Rolle. Für eine detailliertere Betrachtung der Geschehnisse, insbesondere auch der verschiedenen Inkulturationssformen, sei deshalb auf die angeführte Fachliteratur verwiesen. Dessen ungeachtet lässt sich zusammenfassend feststellen, dass überall in Afrika die Ankunft des Christentums einen Prozess der sozialen Veränderung in Bewegung setzte, der eine Auflösung der Stammesorganisation und des Gerüstes der sozialen Normen und Werte, welche das Leben und die Beziehungen zwischen den Menschen ordneten, zur Folge hatte. Fest steht auch, dass eine große Zahl von Afrikanern, auch wenn sie sich entwurzelt fühlten, sich heute weigert, ihren Glauben mit einer quasi "geliehenen" Identität zu leben. Wenn auch die Vermittlung christlicher Lerninhalte und die Bildung christlicher Gemeinden Zugang zu einer neuen Weltansicht eröffnete; Missionierung und Bekehrung der Afrikaner bedeutete die Einpflanzung westlich geprägter Werte und Normen und eine Zurückweisung afrikanischer Bräuche. Das führte zu einem Wandlungsprozess der traditionellen afrikanischen Gesellschaft, der das afrikanische Erbe in einer tabuisierten Grauzone beließ. Die Sicht der kolonialen Missionierung, das Christentum sei das einzige Mittel zur wahren Zivilisation, muss nachdenklich stimmen, denn die neue christliche Identität konnte die als konfliktreich erlebten sozialen und religiösen Identitätsverluste nur teilweise ausgleichen, da die Übernahme des christlichen Glaubens einen Bruch mit den afrikanischen religiösen Traditionen voraussetzte. Diese Forderung ist in der afrikanischen Gesellschaft jedoch nie eindrücklich akzeptiert worden. So ist trotz beträchtlicher Störungen des Gleichgewichtes der traditionellen afrikanischen Gesellschaften durch die Missionare die religiöse Struktur eine weitgehend afrikanische geblieben, die bis heute den Synkretismus die vorherrschende Erscheinungsform der Religion in Afrika sein lässt.

Für die Zukunft des christlichen Glaubens in Afrika wird entscheidend sein, ob die christliche Botschaft in Afrika in einer Weise Wurzeln fassen kann, die vor dem Hintergrund afrikanischer Kultur und afrikanischen Denkens und Lebensgefühls von den afrikanischen Menschen verinnerlicht wird. Das jedoch setzt eine offene Konfrontation zwischen der afrikanischen Kultur und dem überlieferten Wort Gottes voraus. In einer modernen afrikanischen Kirche dürfte das Festhalten an überlebten Strukturen und Formen westlicher Mutterkirchen den Weg des Evangeliums zu den Menschen eher behindern als fördern. Hier ist die Kirche um der Glaubwürdigkeit ihres Zeugnisses willen zu kritischer Selbstreflexion angehalten. Auf Afrika bezogen heißt dies, die Fehler der Vergangenheit zu bekennen und das christliche Wertesystem nach westlichem Muster auf afrikanische Traditionen und Normen abzustimmen, gegebenfalls auch zu korrigieren.
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