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Was 30 000 Hindus in Hamm wollen


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Rolf

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Was 30 000 Hindus in Hamm wollen





Gottesdienstmarathon zum jährlichen Tempelfest - Farbenfrohe Prozession durchs Industriegebiet


Hamm - Sri Arumuga Paskaran lässt sich nichts anmerken. Monoton singend zieht er von Schrein zu Schrein. Glocken dröhnen, Trommeln wirbeln, und Trompeten untermalen den Gottesdienst, den der Mann mit dem grauen Bart und dem orange-roten Gewand mit Hingabe zelebriert. Er gießt geweihtes Wasser über die Statue der Göttin Sri Kamadchi Ampal im Hauptschrein. Der "Göttin mit den liebevollen Augen" ist der Tempel in Hamm-Uentrop gewidmet. Der Hindu-Priester behängt sie mit Blumen, stellt ihr gesegnete Früchte hin und murmelt dabei ununterbrochen heilige Worte, die "Veden".

Von sieben Uhr morgens bis 21 Uhr abends feiert Arumuga Paskaran Gottesdienst, unterbrochen nur durch zwei Stunden Mittagspause, und das schon seit 15 Tagen in Folge. Er bringt die letzten Kräfte auf. Mit dem gestrigen, 15. Tag endet die Festzeit, die knapp 30 000 Hindus nach Hamm-Uentrop zu Kontinentaleuropas größtem Tempel südindischer Bauart gelockt hat.

Es ist ein seltsamer Ort. Der prächtige Tempel steht mitten in einem Industriegebiet mit Blick auf Kühltürme, einen Schlachthof und die Autobahn A 2. Unter der Autobahnbrücke fließt ein Gewässer mit dem prosaischen Namen Hamm-Datteln-Kanal, doch in diesen Tagen gleicht er eher dem Ganges - halb nackte Männer, gehüllt in Tücher, geschmückt mit Perlenketten, manche auch mit Farbe im Gesicht, führen ihre rituellen Waschungen durch. Praktischerweise gibt es genug Parkplätze, und auch der laute Gesang, der mit Boxen auf den Vorplatz des Tempels übertragen wird, stört hier keinen. 2002 wurde der größte Hindutempel Europas hier eingeweiht - die Hindus hatten sich den Platz selbst gewählt. Genauer gesagt war es Paskaran persönlich, der auf dem Weg von Berlin nach Paris in Hamm ausstieg - weil er Hunger hatte. Eigentlich ein ba-nales Bedürfnis, doch der Priester sah ihn als Wink der Göttin, ihr hier einen Tempel zu errichten. Allein mit Spenden finanzierte er den 1,8 Millionen Euro teuren Bau.

Sri Paskaran kam 1985 als Flüchtling nach Europa, wie viele der 45 000 hinduistischen Tamilen in Deutschland, die vor dem Bürgerkrieg in Sri Lanka flohen. Der Tempel in Hamm ist auch ein Ort der Begegnung - nur etwa 300 Tamilen leben in Hamm, doch für die Festtage reisen jeweils Tausende an, auch aus England, Frankreich und Belgien.

Im Innern des Tempels riecht es nach Weihrauch, vor dem Eingang steht eine ganze Schale davon. Während Paskaran an einem Nebenschrein ein Opfer bringt, laufen seine sieben Hilfspriester hin und her, um Opfergaben bereitzustellen. Nur Paskaran darf an diesen besonderen Tagen den Gottesdienst zelebrieren - der Grund für seine Müdigkeit. Die anderen Priester bereiten die Opfer vor, säubern den Tempel und spielen Trompete. "In den15 Festtagen gleichen wir alle Fehler aus, die wir vielleicht vorher im Gottesdienst gemacht haben", erklärt Paskaran. Jede Handbewegung, jedes Wort, jedes Opfer folgt strengen Regeln. Um Fehler zu verzeihen, muss die Göttin gnädig gestimmt werden.

Der Morgengottesdienst ist nach sieben Stunden beendet, die verzierten Holztüren des Hauptschreins werden geschlossen. Paskaran reibt sich die Augen, als er sich an seinen Schreibtisch im Container nebenan setzt. Die üppigen grauen Haare trägt er zu einem Knoten gebunden, Stirn und die nackten Arme sind mit weißer Farbe bemalt. Der lange weiße Bart berührt die hölzernen Ketten und das dicke goldene Amulett auf seiner Brust. Die Gläubigen essen nun, in einem Haus gegenüber der Tempelanlage. Der Priester hat dazu keine Ruhe, ein dringendes Schreiben an die Landesregierung steht an, es geht um die Anerkennung als Glaubensgemeinschaft. Ulrich Kroker, ein freundlicher alter Herr, korrigiert Rechtschreibfehler. Als Fraktionschef der Grünen im Stadtrat half er den Hindus, ihren Tempel zu errichten. "Diese Anerkennung würde sehr viel erleichtern", sagt er. Zum Beispiel die Finanzierung.

Bislang leben die Priester nur von Spenden. Für ihren traditionellen Markt wollen sie ein Areal im Industriegebiet kaufen, doch das Geld fehlt. Die Hindus seien heut gut akzeptiert in Hamm, findet Arumuga Paskaran, auch wenn die festlichen Bräuche Erstaunen hervorrufen - die Männer, die sich auf den Boden legen und sich Kilometer weit rollen, um Buße zu tun, oder die Frauen, die vor dem Tempel wilde Tänze aufführen. Publikumsmagnet ist jedes Jahr der Umzug mit den schillernden Festwagen, die von über 30 Männern durch das Industriegebiet gezogen werden.
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