Das WEF wolle die Welt verbessern, heisst es. Doch die Arbeitsbedingungen sind toxisch, wie das «Wall Street Journal» berichtet. Das sind die heftigsten Vorwürfe.
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WEF-Gründer Klaus Schwab hat sich laut einem Bericht unangemessen gegenüber Angestellten verhalten.
AFPDie Sexualisierung von Frauen ist laut Insidern von der Spitze der Organisation vorgegeben.
20min/Matthias SpicherAm WEF in Davos treffen sich jeweils Milliardärinnen und Millionäre, Firmen-CEOs, Politikerinnen und Politiker sowie Promis.
20min/Lynn Sachs-
Unter WEF-Gründer Klaus Schwab soll es eine routinemässige Sexualisierung von Frauen geben.
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Das berichtet eine US-Zeitung unter Bezug auf zahlreiche Angestellte und ehemalige Mitarbeitende.
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Das WEF streitet die Vorwürfe ab.
Schwere Vorwürfe gegen das Weltwirtschaftsforum (WEF). Der alljährliche Davoser Treffpunkt für die Wirtschafts- und Politikelite gibt sich selbst hehre Ziele, will laut eigenen Angaben die Welt verbessern und setzt sich für die Gleichstellung der Geschlechter ein. Doch unter WEF-Chef Klaus Schwab herrschen toxische Arbeitsbedingungen, wie das «Wall Street Journal» berichtet.
Die Zeitung befragte mehr als 80 aktuelle und ehemalige Angestellte der WEF-Organisation. Sie bekam Einblick in interne Beschwerden und E-Mails. Schwab gab im Mai seinen Rücktritt bekannt. Dieser sei lange geplant, aber einen Tag, nachdem er in einem Brief an die Zeitung seine Bedenken über die Berichterstattung geäussert hatte.
Diese Vorwürfe gegen das WEF gibt es:
Beim WEF gebe es eine routinemässige Sexualisierung von Frauen, vorgegeben von der Spitze der Organisation. Drei ehemalige Mitarbeiterinnen berichten, dass Schwab jahrzehntelang anzügliche Bemerkungen gemacht habe, die ihnen Unbehagen bereiteten.
Eine Angestellte sagt, dass Schwab sein Bein auf ihrem Schreibtisch abgestützt habe, sodass sein Schritt direkt vor ihrem Gesicht war, und ihr sagte, dass er sich wünschte, sie wäre Hawaiianerin, weil er sie gern in einem Hawaiikostüm sehen würde. Schwab ist seit 1971 mit seiner ehemaligen Sekretärin verheiratet.
Sechs Frauen seien durch leitende Angestellte belästigt worden. Zwei Frauen berichten von sexueller Belästigung durch VIPs bei Forumstreffen in Davos. Von den Mitarbeiterinnen werde erwartet, dass sie den Delegierten auf Abruf zur Verfügung stünden
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Bei zwei Vorfällen aus jüngerer Zeit reichten schwarze Angestellte Beschwerden ein, weil weisse Forumsteilnehmende das N-Wort in ihrer Gegenwart verwendet haben sollen. Zudem seien schwarze Mitarbeitende bei Beförderungen übergangen worden.
2017 habe Schwab eine junge Frau mit der Leitung einer Initiative für Start-ups beauftragt. Kurz darauf wurde sie schwanger und teilte es Schwab mit. Der WEF-Chef sei verärgert darüber gewesen, dass sie nicht im gleichen Tempo weiterarbeiten konnte. Sie sei nach einer kurzen Probezeit entlassen worden.
Mindestens fünf weitere Frauen sei es ähnlich gegangen. Entweder habe die Organisation sie während der Schwangerschaft oder nach dem Mutterschaftsurlaub hinausgedrängt oder es habe andere Nachteile für ihre Karriere gegeben.
Schwab habe vor ein paar Jahren die Organisation verjüngen wollen und seinen Personalchef Paolo Gallo angewiesen, eine Gruppe von Mitarbeitenden zu entlassen, die alle über 50 Jahre alt seien. Als Gallo dies ablehnte, weil es für die Entlassung eine vernünftige Erklärung brauche, habe Schwab ihn gefeuert.
Angestellte berichten, wie sie traumatisiert wurden und Angst hatten, zur Arbeit zu gehen. Manche hätten wegen der Arbeitsbedingungen noch jahrelang unter Albträumen gelitten, sagt Farid Ben Amor, der über ein Jahr beim Forum arbeitete.
Schwab habe ein Interview mit der Zeitung abgelehnt. Die Pressestelle des Forums verweist auf Anfrage von 20 Minuten auf eine Erklärung, in der es heisst, der Artikel enthalte erhebliche Ungenauigkeiten und unbegründete Spekulationen.
Vielmehr halte das WEF höchste Standards der Unternehmensführung ein und habe eine Nulltoleranz-Politik gegenüber jeder Form von Belästigung und Diskriminierung. Es habe nie eine Altersgrenze oder eine Diskriminierung wegen einer Schwangerschaft gegeben und Schwab habe nie sexuelle Annäherungsversuche gegenüber Angestellten gemacht.
Das WEF reagiere ausserdem auf jede Beschwerde angemessen. Seit 2020 habe es drei Meldungen wegen Rassendiskriminierung gegeben, worauf entsprechende Massnahmen ergriffen worden seien.
WEF-Sprecher Yann Zopf sagt, dass die Zeitung umfangreiche Fakten bekommen habe, diese aber nicht berücksichtige. «Es ist entsetzlich, dass das ‹Wall Street Journal› wissentlich solch nachweislich falsche Behauptungen veröffentlicht, um unsere Organisation, Kultur und Kollegen, einschliesslich unseres Gründers, falsch darzustellen», so Zopf. Die Veröffentlichung nachweislich falscher Behauptungen sei zutiefst enttäuschend und ein klarer Fall von Verleumdung.