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Hat Israel noch Heilsbedeutung? Wurzeln und Gefahren der Ersatztheologie


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Rolf

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Dr. Erez Soref, Direktor Israel College of the Bible in Netanya/Israel

Artikel aus Pro Israel Aktuell 4/2017,

Postfach, CH-3607 Thun

 

 

 

 

 

Sehr aktuell:

 

 

Hat Israel noch Heilsbedeutung? Wurzeln und Gefahren der Ersatztheologie

 

 

 

Wurzeln und Auswirkungen

 

Ersatztheologie

 

Während des grössten Teils der Kirchengeschichte war es für Christen unmöglich sich vorzustellen, dass Gott wirklich meinte, was er bezüglich der Zusammenführung des jüdischen Volkes verheissen hatte, sowohl irdisch wie auch geistlich. Schliesslich waren die Juden während Jahrhunderten über den ganzen Erdball zerstreut und wurden heftig verfolgt. Manchen erschien es gewiss, dass Gottes Plan für sie ein Ende gefunden habe. Auch viele christliche Gelehrte legten die Bibel in diesem Sinne aus und konnten sich nicht vorstellen, dass Israel eines Tages wieder existieren würde.

 

Entstehung und Auswirkungen der Lehre

 

In den Jahrzenten nach der Gründung der Kirche gab es nebeneinander eine Reihe von Entwicklungen, die zum Entstehen der Ersatztheologie beitrugen – der Lehre, dass Gott mit Israel am Ende sei und dass die Kirche nun Israel für immer ersetzt habe. Gemäss Apostelgeschichte 20,21 gab es am Anfang viele Tausend gläubige Juden. Zwei Katastrophen in dieser Zeit führten dazu, dass sich die messianischen Juden weiter vom Rest der jüdischen Welt distanzierten.

 

Im ersten Aufstand gegen die Römer (70 n. Chr.) gehorchten die messianischen Juden den Worten Jesu, denn als sie die Truppen um Jerusalem herum versammelt sahen, flohen sie aus der Stadt und blieben weitgehend verschont. Die zweite jüdische Revolte, ausgelöst durch Rabbi Akiva, der Bar-Kochba zum Messias erklärte und die Juden dazu aufrief, die Römer unter seiner Führung zu bekämpfen (132-135 n. Chr.), distanzierte die messianischen Juden noch weiter vom restlichen Israel.

 

Der Grund war einfach, denn sie weigerten sich, am Aufstand unter der Führung eines falschen Messias’ teilzunehmen. Dieser zweite Aufstand wurde mit unvergleichlicher Grausamkeit unterdrückt, aber wiederum blieben die messianischen Juden weitgehend unbeschadet, da sie ja nicht am Aufstand teilgenommen hatten.

 

Die überlebenden Leiter der Pharisäer, die später das rabbinische Judentum begründeten (bis heute mit dem Anspruch, die einzig legitime Form des Judentums zu sein), erklärten die jüdischen Nachfolger Jesu zu Verrätern und Abtrünnigen und schlossen sie aus der jüdischen Gemeinschaft aus. Zur selben Zeit blühte das Evangelium unter den Nichtjuden, die schnell zur grossen Mehrheit innerhalb der frühen Kirche wurden. Letztere stiess ihre jüdischen Wurzeln bald ab und nahm eine mehr griechisch-römische Ausprägung an. Nachstehend einige bemerkenswerte Beispiele.

 

In der christlichen Welt – zurück bis zu Justin dem Märtyrer um 160 n. Chr. – nahmen Gläubige an, dass „Israel” in Wirklichkeit „die Kirche” bezeichnet. Das Volk Israel war zerstreut und das Land zu „Palästina” umbenannt worden. Somit ist es nicht schwer zu sehen, wieso dies geschah. Viele Kirchenväter, von denen einige den Glauben tapfer verteidigten, schrieben unglaublich boshafte Dinge über das jüdische Volk und erklärten, die Kirche habe Israel ersetzt.

 

Damit begründeten sie die Ersatztheologie. Sie begannen damit, die Bibel in einer sinnbild-lichen und gleichnishaften Weise auszulegen, indem sie alle wörtlichen Auslegungen beseitigten, einschliesslich der Rolle Israels in Gottes Plan. Dies führte dazu, dass die frühe Kirche das reale Land Israel, Jerusalem und den Bau des Tempels als unbedeutend oder sogar schlecht ablehnte und alle Bezüge zu Israel dahingehend umdeutete, dass sie durch die Kirche erfüllt würden.

 

Justin der Märtyrer (103–165) kam aus einer heidnischen Kultur zum Glauben und war bestens vertraut mit griechischer Philosophie. In seiner Auslegung der Schrift begann er aber, Israel durch die Kirche zu ersetzen.

 

Auch glaubte er, die Beschneidung sei ein Merkmal der Ungnade, ein Symbol des Leidens und der Bestrafung der Juden (die Beschneidung galt in der griechisch-römischen Welt als körperlicher Defekt und Schande). Im Jahr 115 n. Chr. drängte Bischof Ignatius von Antio-chien seine Leser dazu, „alles Jüdische abzulehnen“, und Bischof Irenäus lehrte, dass vier führende, prophetische Stellen über die künftige Errettung Israels (Jesaja 26, Hesekiel 37, Hesekiel 38 und Jeremia 23) erfüllt worden seien, als die Nichtjuden an den Messias glaubten. Tertullian (160–225) schloss sich Justins Ansicht an, dass die Beschneidung ein Merkmal der Ungnade für die Juden sei, und wandte den Vers „Der Ältere wird dem Jüngeren dienen” (1. Mose 25,23) auf das jüdische Volk und die Kirche an, wobei er den Juden die Rolle des „älteren Bruders” zudachte. Origenes (185–254), Bischof von Alexandrien, etablierte die theoretische Grundlage der Ersatztheologie, indem er eine gleichnishafte Auslegung der Bibel entwickelte, die in Übereinstimmung mit dem Geist der griechischen Philosophie stand.

 

Augustinus von Hippo (354-430), eine der einflussreichsten Persönlichkeiten des weltlichen und christlichen Denkens, wurde von Ambrosius getauft, Bischof von Mailand, der die Verfolgung der Juden und das Anzünden von Synagogen lehrte und förderte. In seinen Schriften vertritt Augustinus denselben theologischen Ansatz gegenüber Israel wie Origenes und Ambrosius. Der Tiefpunkt findet sich in seinem Aufsatz „Gegen die Juden“, welcher eine der judenfeindlichsten Schriften seit Origenes darstellt.

 

Seit dem Mittelalter galten die Schriften Augustins als beinahe unanfechtbar, und die Ersatztheologie und antijüdische Einstellungen wurden zur Norm in der Kirche. Martin Luther (1483-1546), der Initiator der protestantischen Reformation, war enttäuscht darüber, dass das jüdische Volk nach der Reformation Jesus nicht sofort annahm, und entwickelte eine ausgeprägte Abneigung gegen die Juden.

 

Er befürwortete das Anzünden von Synagogen sowie die Zerstörung jüdischer Wohnhäuser und regte an, dass Christen die Juden berauben und zu Sklavenarbeitern machen sollten. Seine ätzenden Schriften gegen das jüdische Volk wurden später in der Propaganda der Nationalsozialisten verwendet.

 

Von der Ersatztheologie zur Erfüllungstheologie

 

Die Ersatztheologie lehrt somit, dass Gottes Bündnisse mit Israel aufgehoben wurden, weil es den Messias als Volk abgelehnt hatte. Deshalb ersetze die Kirche das Volk Israel im Plan Gottes, sowohl jetzt, wie auch in Zukunft. Ersatztheologie lehrt, dass alle Segnungen, die in der Bibel bezüglich des jüdischen Volkes erwähnt werden, nun der Kirche gehören und in ihr erfüllt würden. Darum werden viele Bibelstellen, die von den künftigen Segnun-gen und der Wiederherstellung des jüdischen Volkes in seinem Land sprechen, nur im „geistlichen“ bzw. übertragenen, gleichnishaften Sinn verstanden. Es wird angenommen, dass sie ihre Erfüllung in der Kirche gefunden haben oder noch finden werden.

 

Die Ereignisse von 1948 haben uns nun aber mit der schockierenden Möglichkeit konfrontiert, dass die Bibel, wenn sie über Israel spricht, wortwörtlich Israel meinen könnte! Einerseits hätte diese Entwicklung eine tolle Gelegenheit sein können, um zu erkennen, dass Gottes Wort sich als viel wahrer erweist, als wir uns vorgestellt haben. Anderseits bedeuteten die Ereignisse von 1948 nicht nur die Neugründung des jüdischen Heimat-landes, sondern auch die Verunsicherung der Araber, die dort ebenfalls lebten.

 

Die Kräfte des Islam und der Zorn von umgesiedelten, palästinensischen Arabern bedeuteten, dass sich zur herrlichen Freude über die Erfüllung von Gottes Verheissungen nun Gewalttaten, Aufstände und Leid gesellten. Trotz der Tatsache, dass die Herrschaft des Islams über das Heilige Land zu Ende gegangen und das jüdische Volk nach zweitausend Jahren auf wunderbare Weise wieder gesammelt worden war, betrachteten die meisten christlichen Araber die Ereignisse weder als erfreulich, noch als von Gott gelenkt.

 

Elias Chacour, der Erzbischof von Israel der melkitischen, griechisch-katholischen Kirche, schrieb: „Wir wurden während Jahrhunderten gelehrt, dass die Juden das auserwählte Volk wären. Wir glauben nicht mehr, dass sie das auserwählte Volk Gottes sind, denn wir haben jetzt ein neues Verständnis von Auserwählung.“ Sein Buch „Blood Brothers“ hatte einen tiefgehenden Einfluss auf Christen in der ganzen Welt.

 

Er und viele andere palästinensische Geistliche weigern sich vehement, die Wiederher-stellung Israels als Erfüllung biblischer Prophetie zu sehen, und haben ihre Anstrengungen verdoppelt, die Ersatztheologie weiterhin zu betonen. Dies trotz der Tatsache, dass Gottes Verheissungen für Israel sich unmittelbar vor unseren eigenen Augen erfüllen.

 

In neuerer Zeit wurde die Ersatztheologie in „Erfüllungstheologie“ umbenannt. Der Aus-druck klingt weniger stark nach „feindlicher Übernahme“, das Wesentliche aber ist das-selbe. Hier folgen einige Beispiele zeitgenössischer, evangelikaler Schriftsteller:

 

„Die eine und einzige Erfüllung aller Verheissungen und Prophezeiungen ist in der Person Jesu bereits vor ihren Augen geschehen.“ So schreibt Colin Chapman in seinem Buch “Whose Promised Land?”. Gary M. Burge schreibt:

 

„Jesus zielt nicht auf eine Wiederherstellung Israels als solches, sondern sieht sich stattdessen selber als derjenige, der das Drama von Jerusalem in seinem eigenen Leben vollendet hat … der Anfang der Wiederherstellung Israels hat gewissermassen schon begonnen, dadurch dass Christus, der neue Tempel, das neue Jerusalem auferweckt wurde” („Jesus and the Land“).

 

Sie behaupten also, dass alle Verheissungen der Rückkehr des jüdischen Volkes in sein Land bereits in Jesus erfüllt worden seien. Diese Denkweise führt uns aber zu einer Reihe von Problemen.

 

Gottes Bündnisse mit Israel bleiben ewig

 

Erstens entsteht diese Theologie oft aus der Sorge um soziale Gerechtigkeit und Fairness für alle, denn sie stört sich an Gottes scheinbarer Parteilichkeit. Letztlich verdreht sie jedoch, was Gott sagte und tat. Zu Ende gedacht führt eine Theologie, die an der Bibel nur das akzeptiert, was uns richtig und angenehm dünkt, zu einer völligen Verneinung der Göttlichkeit und Autorität des biblischen Textes.

 

Naim Ateek, einer der treibenden Kräfte dieser neuen, christlich-palästinensischen Theologie, geht sogar so weit zu fordern, dass Stellen im Buch Richter (in denen Israel entsprechend dem Gebot Gottes das Land erobert und die Kanaaniter tötet) verworfen werden sollten, dies zusammen mit verschiedenen Texten in Jesaja, in denen Gott seine Liebe zu Israel unzweideutig kundtut.

 

Er erklärt, dass diese Texte „entzionisiert“ werden müssten (“Justice and Only Justice”). Dies ist am Schluss ein Angriff auf die Person und den Charakter Gottes selbst, weil sie sich weigern zu glauben, dass das, was Gott in der Bibel sagte und tat, gerecht und richtig ist.

 

Zweitens wird das Wort Israel in der Bibel mehr als 800 Mal erwähnt, davon 79 Mal im Neuen Testament, was die Wichtigkeit des Konzeptes von Israel aufzeigt. Aber nie bezieht sich das Wort Israel auf „die Kirche“.

 

Versuchen Sie nur einmal Römer 9-11 zu lesen und immer, wenn „Israel“ geschrieben steht, ersetzen Sie es mit dem Wort „Kirche“. Sie werden sehr schnell sehen, dass das überhaupt keinen Sinn macht! ‚Israel‘ bedeutet tatsächlich ‚Israel‘, sowohl im Alten, wie auch im Neuen Testament! Auch wenn das Neue Testament Israel und die Kirche oft mit ähnlichen Worten beschreibt, beide sind die Braut Gottes, Kinder Gottes, auserwähltes Volk usw., so nennt das Neue Testament doch die Kirche niemals „Israel“.

 

Und schliesslich: Das Bestreben, Israel aus den Plänen Gottes zu entsorgen, bedeutet, dass Sie letztlich ihr eigenes Gefährt in den Abgrund steuern. Denn sobald Sie Gottes Verheissungen als unbeständig betrachten, dann gilt das auch für seine Verheissungen Ihnen gegenüber. Wenn Gottes unbedingte Verheissungen an Israel bezüglich seiner Bewahrung, Wiederherstellung und Errettung nur gerade gleichnishaft gemeint sind und aufgehoben werden können, was sind dann seine Verheissungen uns gegenüber wert?

 

Gott hält sein Wort

 

Viele Menschen stören sich an der Erwählung Israels durch Gott, weil es ihnen ungerecht erscheint, aber Gott hat sich nicht einen Günstling ausgesucht. Er suchte ein Gefäss, um sein Wort (das Geschriebene und das Fleischgewordene) zur Erde zu bringen. Und er wählte sich ein Beispiel.

 

Er hat Israel auserwählt, um der Welt Anschauungsunterricht zu erteilen. Und es gab viele Zeiten, in denen sich diese Rolle als extrem hart und kostspielig erwiesen hat. Wenn ein Richter beschliesst, jemanden „exemplarisch“ zu bestrafen, dann geht es nicht nur darum, das Verhalten des Straftäters zu korrigieren, sondern allen Beobachtern rundherum eine Lektion zu erteilen. Auch das ist ein Teil dessen, was die Auserwählung Israels beinhaltet.

 

Aber trotz aller Sünde Israels hält Gott um seines Namens willen immer noch an seinen Verheissungen fest. Die Welt soll diese Lektion sehen und verstehen, die Israel für uns in dieser besonderen Zeit darstellt: Gott hält seine Verheissungen.


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