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7 KENNZEICHEN GEISTLICH MISSBRAUCHTER MENSCHEN (Teil 2)


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Rolf

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Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Webseitenbetreiberin




7 KENNZEICHEN GEISTLICH MISSBRAUCHTER MENSCHEN (Teil 2)




Mit Genehmigung des verantwortlichen Predigers der Freien evangelischen Freikirche FEG Visp (Schweiz)veröffentlicht. Die Webseitenbetreiber





7 Kennzeichen geistlich missbrauchter Menschen GM, Teil 2



"Sämtliche Namen der in dieser Predigt erwähnten
Personen wurd en aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes geändert!"



Einleitung

Letzten Sonntag haben wir uns das erste Mal über Machtmissbrauch unterhalten. Machtmissbrauch unter Christen, in religiösen Sondergruppen, Kirchen, Freikirchen und "christlichen" Familien. Und Ihr habt sicher gemerkt, dass Machtmissbrauch, also das Manipulieren, Unterdrücken und systematische Kontrollieren von Menschen, nicht nur dort auftaucht, wo man es vermutet (bei Sekten und irgendwelchen Psychogruppen), sondern auch in religiösen Gemeinschaften, die sich als Freikirchen bezeichnen.

Jeff vanVonderen, Co-Autor des Buches "Geistlicher Missbrauch – die zerstörene Kraft der Frommen", schreibt folgendes: "Warum verlieren so oft hingegebene Christen die Lauf der Jahre alle Freude am Leben in der Gemeinde, ja im Glauben? In erschreckend vielen Fällen ist der rund nicht eigene Schuld, sondern geistlicher Missbrauch. Die Gemeinde, die der Ort sein sollte, an dem Menschen in Sicherheit als Christen reifen können, ist nicht selten ein Ort der geistlichen Unterdrückung und Manipulation, beklemmend eng und ohne Achtung vor der Person des einzelnen!"

Wahrscheinlich habt Ihr auch gespürt, dass die Art und Weise, WIE Menschen geistlich missbraucht werden, sehr, sehr unterschiedlich sein kann. Missbrauch kann sehr autoritär geschehen. Dann, wenn nämlich jemand polternd und schreiend seine Macht duch Einschüchterung durchdrückt. Missbrauch kann aber auch sehr "subil" geschehen, indem der Machtmensch emotionale Abhängigkeiten benutzt, um zu seinem Ziel zu kommen. zB., indem er sich zurückzieht und still vor sich hinweint und dadurch sein Opfer emotional erpresst, bis es bereit ist, das zu tun, was er möchte. Oder indem er sich selber als Opfer darstellt und an das Mitleid des anderen appelliert.

Ich habe mich entschieden, in dieser Predigtreihe nicht detailliert darauf einzugehen, welche verschiedenen "Kunstformen" es auf diesem Gebiet gibt – es gibt tolle Literatur zu dieser Thematik, und ich werde am Ende der Predigt einige Bücher vorstellen, von denen ich meine, dass "man" sie einfach gelesen haben MUSS.

Was aber klar ist: Machtmissbrauch kommt unter Christen in Kirchen und Freikirchen vor. Nicht ÜBERALL. Aber er kommt vor. Und die Frage ist: Was lösen solche Erlebnisse aus bei Menschen, die geistlich missbrauch worden sind? Manche von Euch fragten mich: "Na ja, 'geistlicher Missbrauch', das klingt ja schon ganz schön hart. Aber sind diese 'Opfer' nicht einfach auch ein bisschen "Mimosen", die auf die Tränendrüse drücken? Ist das Ganze denn wirklich sooo schlimm?" – Glaubt mir, Leute: Es ist so schlimm und noch viel, viel schlimmer!

Denn Menschen, die geistlich missbraucht wurden, leiden brutal! Und ich möchte heute mit Euch heute zuerst darüber über 7 Kennzeichen nachdenken, die im Leben geistlich missbrauchter Menschen vorkommen können, bevor wir dann nächsten Sonntag über 7 Kennzeichen sprechen, die in meinen Augen Kennzeichen geistlich gesunder Gemeinden sind.



I. 7 Kennzeichen geistlich missbrauchter Menschen

1.: Nun: Ein erstes, das auffällt bei Opfern geistlichen Missbrauchs, ist, dass sie oft ein verzerrtes Gottesbild haben. Diese Verzerrung kann unterschiedlichste Schattierungen haben. Aber: Allgemein wird bei missbrauchten Menschen deutlich, dass Ihr Gottesbild vor allen Dingen gekennzeichnet ist von "Unzufriedenheit". Gott ist irgendwie unzufrieden mit ihnen, sie sind IHM gegenüber eigentlich ständig im Minus.

Die Haltung dahinter ist diese: Gott steckt seine Ziele hoch - ganz, ganz hoch. Und wenn Du diese Ziele nicht erfüllst, dann ist er unzufrieden mit Dir. Er ist ein gemeiner, ein rachsüchtiger Gott, ein Gott, der Freuden missbilligt und wo das Leben vor allen Dingen aus "Opfer" und "Dienst" bestehen müssen. In religiösen Systemen, in denen Missbrauch geschieht, ist Gott meist ein launischer Gott – seine Stimmung kann durch den kleinsten Regelverstoss beeinträchtigt werden. Gott ist eine geistliche Alarmanlage, die bei der kleinsten Sünde anspringt. Wenn das passiert, ist Gott beleidigt. Das hängt natürlich ganz stark mit dem zusammen, was wir letztes Mal gesehen haben, nämlich mit einer verhaltensorientierten Theologie, wo es vor allen Dingen darum geht, das richtige zu TUN. Denn: "Gott straft sofort!"

In diesem Gottesbild wird vor allem einseitig "nur" die Heiligkeit Gottes betont. Seine Liebe, seine Gnade, seine Treue etc. werden beinahe ausgeblendet. Man spricht zwar schon noch darüber, aber in der Praxis haben sie nur wenig Bedeutung. Die Haltung ist geprägt davon, dass man zwar danach strebt, "Gott würdig" zu leben, das aber letztlich fast nie schafft. Oder wenn, dann nur ganz, ganz knapp.

Wir wir letztes Mal schon gesehen haben, ist Missbrauch querbeet in der evangelikalen Landschaft zu finden. In konservativ-gesetzlichen Kreisen äussert sich die einseitige Betonung des Gottesbildes vor allem in "Ernsthaftigkeit". Gottesdienste laufen ganz ernst ab, lachen und Fröhlichkeit sind fast "verboten". Alles muss wohl geordnet ablaufen. Frauen haben Röcke zu tragen und ihre Haare hochzustecken ("die klassische Hallelujah-Zwiebel-Frisur" J), von allem, was nicht der Definition dieser Heiligkeit Gottes entspricht, muss man sich zurückziehen. Wir müssen uns die Gunst Gottes verdienen.

Ich charismatischen Kreisen sieht es anders aus. Da wird viel gesungen, Lobpreis gemacht etc., aber irgendwie kann der "volle Segen Gottes" nie ganz fliessen, weil wir noch nicht genug Lobpreis machen und damit Gott in seinem Heiligen Wirken behindern. Die Predigt ist nicht gesegnet, weil der Gottesdienst-Raum zu wenig "frei" ist – also muss die Gemeinde in einer ad-hoc-Übung zusammenkommen, um den Raum vorher "freizulobpreisen". Solange das nicht der Fall ist, ist man Gott gegenüber im "Minus". Hier muss man das richtige tun, um Gott dazu zu befähigen, Wirken zu können im eigenen Leben oder in der Gemeinde.

Letztlich ist es dieses einseitige Gottesbild und die Folgen daraus, die Jesus bei den Pharisäern und Schriftgelehrten seiner Zeit angeprangert hat. In Mt 23.25 sagt er: "25 Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, Heuchler! Denn ihr reinigt das Äußere des Bechers und der Schüssel, inwendig aber sind sie voller Raub und Unenthaltsamkeit. 26 Blinder Pharisäer! Reinige zuerst das Inwendige des Bechers, damit auch sein Auswendiges rein werde. 27 Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, Heuchler! Denn ihr gleicht übertünchten Gräbern, die von außen zwar schön scheinen, inwendig aber voll von Totengebeinen und aller Unreinigkeit sind. 28 So scheint auch ihr von außen zwar gerecht vor den Menschen, von innen aber seid ihr voller Heuchelei und Gesetzlosigkeit. 29 Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, Heuchler! Denn ihr baut die Gräber der Propheten und schmückt die Grabmäler der Gerechten 30 und sagt: Wären wir in den Tagen unserer Väter gewesen, so würden wir uns nicht an dem Blut der Propheten schuldig gemacht haben."

Die Theologie der Pharisäer war eine Theologie, bei der das Verhalten höher gewichtet wurde als das SEIN. Die Folge davon war, dass die Menschen jener Zeit "verschmachtet waren wie Schafe ohne Hirten". So sieht sie Jesus in Mt 9.36. Menschen, die von einem System religiösen Missbrauchs geprägt sind, sind Gott gegenüber immer im Minus. Und Ihre ganze Gottesbeziehung und auch ihre Beziehung zu anderen ist von diesem "Minus-Denken" her geprägt. Sie fangen konsequenterweise an, ihre eigene Leistung an der Leistung anderer zu messen.

2.: Daraus folgt ein zweites Kennzeichen von Opfern geistlichen Missbrauchs: Sie sind über Gebühr mit religiöser Leistung beschäftigt. Weil die Beziehung zu Jesus vor allen Dingen vom richtigen Verhalten abhängt, wird diese Beziehung auf das Halten von Regeln und Prinzipien reduziert. Nun: Es gibt Menschen, die für sich selber sehr diszipliniert innerhalb von bestimmten Grenzen leben. Diese Christen jetzt einfach als "Machtmissbraucher" zu brandmarken, ist absolut falsch. Bloss nicht. Problematisch wird es dann, wenn MEIN Weg, die Beziehung mit Gott zu pflegen, plötzlich zu DEM Weg wird, wie man mit Gott lebt.

Natürlich gibt es geistliche Prinzipien, die für die Gottesbeziehung wichtig sind. Es ist indiskutabel, ob Bibellesen, Beten und Gemeinschaft mit anderen Christen wichtig sind, um mit Gott Beziehung haben zu können, oder nicht. Das SIND Mittel, die Gott uns geschenkt hat. Aber es sind "nur" Mittel. Sie sind der Weg, nicht das Ziel. Denn Beziehung ist mehr als nur das Befolgen von Prinzipien, und Gott redet nicht zu uns allen gleich. ER hat uns individuell geschaffen und möchte, dass wir lernen, jeder ganz individuell die Beziehung zu IHM zu pflegen.

Zwei Extreme können aus dieser Leistungsbetonung heraus folgen: Auf der einen Seite Perfektionismus. Man versucht mit allen Mitteln, ein möglichst "guter Christ" zu sein, indem man möglichst alles "richtig" macht. Hier wird das Leben mit Jesus zum Leistungskrampf. Denn: Sobald man alles richtig gemacht hat, merkt man, dass man noch viel mehr von all dem "richtigen" tun könnte. Richtig fertig ist man eigentlich nie. Die Folge ist ein ständiges Gehetzt-Sein von den Erwartungen, die andere in einen stellen, was letztlich im Zusammenbruch enden kann. Oder dann, dass Selbstgerechtigkeit und Überhblichkeit eintreten: "Bei mir funktionieren die Prinzipien, während andere es nicht hinkriegen".



Die andere Seite, das andere Extrem, in das die Betonung und Beschäftigung mit religiöser Leistung führen kann, ist Beschämung. Eine tiefe Scham im Blick auf sich selber. Denn während es die einen zu schaffen seinen, schafft man es selber nicht. Man fühlt sich minderwertig, hat eine negative Selbsteinschützung und klagt seine eigene Persönlichkeit an. "Bei mir scheint es nicht zu funktionieren. Ich bin ein schlechter Christ. Alle anderen haben es im Griff, haben nicht die Probleme, die ich habe. Also muss es wohl stimmen, was man mir sagt: Das eigentliche Problem bin ICH. ICH".



Je nach thelogischer Prägung kann das ganz unterschiedlich aussehen. In einem gesetzlich-charismatischen Buch über Lobpreis, das ich kürzlich gelesen habe, stand dann zB.: "Durch Loben und Danken werden ungeahnte kräfte ausgelöst. Nimm Dir jeden Tag Zeit, den Herrn zu rühmen" (so weit, so gut. Aber der Text geht weiter): "Der Himmel wird sich über Deinem Leben öffnen, und die heilige Salbung seines Geistes wird auf Dir ruhen. Die Schwierigkeiten in Deinem Leben werden sich lösen, Mächte der Krankheit werden weichen müssen, und die Fesseln, die Satan Deinem Leben anlegen will, werden zerbrochen werden. Durch Loben und Danken wirst Du das Land einnehmen… Deine Schwermuts- und Trauergeister werden weichen müssen…"



Wenn ich also frei werden möchte von Schwierigkeiten, von Problemen, von Krankheit, ja von depressiven Gedanken, muss ich Gott mehr anbeten. Aber was, wenn es nicht "funktioniert" bei mir? – Antwort: "Du musst Dir mehr Mühe geben". "Du musst disziplinierter sein". "Du bist Gott einfach zu wenig gehorsam" etc. etc. ICH also bin das Problem. Die Folge: Scham, Selbstverachtung und der Gedanke: Ich bin absolut unwürdig.



Beide Extreme (Perfektionismus gepaart mit Überheblichkeit und Stolz sowie Beschämung) sind in religiösen Systemen, in denen Leistung wichtiger ist als emotionale Ehrlichkeit oder menschliche Bedürfnisse, sehr oft zu finden.



3. Daraus folgt ein drittes Kennzeichen: Nämlich ein verzerrtes Selbstbild von sich als Christ zu haben. Menschen, die geistlich missbraucht worden sind, bauen ja ihre Identität auf das, was sie tun, anstatt auf das, was sie ihn Christus sind. Neutestamentlich ist aber klar: In Christus sind wir Geliebte Gottes. Heilig und vollkommen. Paulus sagt in 2Kor 5.20: "Ist jemand in Christus, ist er eine neue Kreatur. Das alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden!"



Wenn ein Mensch zum Glauben an Jesus findet, tritt er ein in eine völlig neue Stellung gegenüber Gott: Wir werden seine Kinder. Die Herausforderung ist nun, dass wir lenen, als Seine Kinder zu leben - mehr und mehr. Wer das leugnet, muss 75 % des NT aus seiner Bibel entfernen. Aber: Die Kindschaft ist grundsätzlich allein von Christus und seinem Heilswerk abhängig. Meine Identität als Christ liegt im Kreuz. Paulus sagt in Gal 2.20: "Ich bin mit Christus gekreuzigt. Nun lebe nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir"! Der Kolosserbrief richtet sich mit aller Vehemenz gegen ein Definieren der Identität aus dem Verhalten heraus und propagiert, dass wir uns radikal definieren von unserem "In-Christus-Sein" her. Meine Identität und mein Verhalten sind nicht das gleiche.



Mein Erfolg oder mein Versagen dürfen nie meine Identität bestimmen. Ich kann versagen, aber ich bin deswegen kein Versager. Ich kann verlieren, aber ich bin deswegen kein Verlierer. Meine Identität ist immer noch, dass ich ein geliebtes Kind meines Vaters im Himmel bin. Immer noch sagt ER mir: "In meinen Augen bist Du unendlich kostbar und wertvoll – ich liebe Dich (Jes 43). Und nichts kann mich von dieser Liebe trennen, wie Paulus das in Röm 8.38-39 sagt!



Menschen, die Opfer geistlichen Missbrauchs wurden, können das aber weder inhaltlich füllen geschweige denn, wenn sie es könnten, noch glauben. Sie haben gelernt, dass Ihr Tun sie zu dem macht, was sie sind, und nicht Christus!



4. Kennzeichen geistlich missbrauchter Menschen: Sie haben ein Problem mit geistlicher Autorität. Menschen, die missbraucht wurden, waren in der Vergangenheit einem vergifteten, krankmachenden Glaubenssystem ausgesetzt. Die Bindung an dieses System hat es den Tätern von geistlichem Missbrauch gestattet, die Opfer im Namen Gottes zu kontrollieren. Nicht nur in der Gemeinde, sondern oftmals fängt das in der Familie an!



Das hat grosse Auswirkung auf ihre Beziehung zu Autoritätspersonen. Wie jeder, der einmal eine Negativ-Erfahrung gemacht hat versucht, einer erneuten Negativ-Erfahrung auszuweichen, so auch Opfer von geistlichem Misbrauch. Auf keinen Fall möchten sie nochmal den selben Schmerz erleben wie schon einmal, und so schützen sie sich instinktiv davor.



Das kann entweder so aussehen, dass missbrauchte Menschen anderen Menschen total zu Willen sind, sich ihren Wünschen in allem fügen und versuchen, sie zufrieden zu stellen. Sie haben gelernt: "Wenn Du Dich widersetzt oder wenn Du Kritik übst, dann gibt’s eins aufs Dach. Also verhältst Du dich lieber ruhig und tust, was man von Dir verlangt!"



Oder aber (das ist die andere Reaktion), sie reagieren grundsätzlich rebellisch auf das, was Autoritätspersonen sagen. Selbst dann, wenn sie im Grunde genommen mit ihnen übereinstimmen, fällt es ihnen schwer, das zuzugeben. Dieser Widerstand ist ebenfalls eine Reflex-Reaktion auf jeden, der Verantwortung trägt. Der Gedanke dahinter ist: "Nie, nie mehr lasse ich es zu, dass jemand mich verletzt!"



Man kennt beide Reaktionen (Überangepasstheit oder Abgrenzung) auch bei Opfern von sexuellem Missbrauch. Entweder, sie lassen sich immer und immer wieder missbrauchen, oder aber sie haben ein grundsätzliches Problem, wieder erneut eine sexuelle Beziehung einzugehen, selbst wenn sie wissen, dass dieses Mal die Beziehung "gesund" ist.

5. Kennzeichen geistlichen Missbrauchs: Schwierigkeiten mit der Gnade. Menschen, die geistlich missbraucht worden sind, haben ein Problem mit dem Gedanken, von Gott her aus der Fülle der Gnade behandelt zu werden. Der Grund dafür ist ihr Selbstbild, das ihnen ja einredet, nur bestimmte Menschen hätten es verdient, von Gott beschenkt zu werden, und sie selber gehörten ganz sicher nicht dazu. Konsequenterweise werden sie alles tun, um sich dieser Gnade "als würdig" zu erweisen und alle anderen, die aus dem Beschenktsein mit Gott heraus leben wollen, als "billige Gnade" zu brandmarken. Verse wie Joh 1.16: "Denn aus seiner Fülle heraus haben wir alle empfangen Gnade um Gnade" können sie nicht füllen. "Wenn ich mich bemühen muss, dann sollen andere das auch tun".



Spätestens hier glaube ich spürt ihr auch, dass Opfer von geistlichem Missbrauch tragischerweise auch leicht wieder zu Tätern von geistlichem Missbrauch werden können. Sie geben das System, unter dem sie im Grunde genommen selber leiden (oft, ohne dasss sie sich dieses Leidens bewusst wären) wieder an andere weiter. Es ist ein Gesetz in der Physik, dass ein Körper, der unter Druck steht, versucht, diesem Druck auszuweichen, indem er ihn an seine Umwelt weitergibt (Die Flasche, die geschüttelt wird, explodiert, wenn der Druck in ihr zu gross wird. Sie will den Druck abgeben). Geistlich funktioniert dieses Gesetz genau gleich, sodass plötzlich aus Opfern Täter werden können.



Das kann so aussehen, dass zB. jemand jemand geistlichen Missbrauch in seiner Gemeinde erlebt und gibt den Druck, den er dort empfindet, einfach an seine Familie (Ehefrau und Kinder) weiter. So wird er als Opfer plötzlich selber zum Täter. Das erschwert den Ausstieg aus dem missbrauchenden System zusätzlich. Denn auszusteigen würde ja bedeuten, das System zu verurteilen, das ich selber in meiner Familie vertreten und nach dem ich zB. meine Frau oder meine Kinder behandelt habe. Und das fällt schwer…



6. Kennzeichen geistlichen Missbrauchs: Geistlich Missbrauchte können Probleme mit den persönlichen Grenzen haben. Auch das kann sich auf zwei Arten äussern: Man kann nicht "nein" sagen, sich nicht abgrenzen oder fühlt sich schuldig und schlecht, wenn man es doch einmal getan hat. Man kann sich nicht "wehren" und lässt es zu, dass man von anderen fertiggemacht wird.



Oder aber (und das ist die andere Seite), man akzeptiert nicht, dass andere sich mir gegenüber abgrenzen und "Nein" sagen. Durch den Mechanismus, dass man keine eigene Meinung haben darf im System, fällt es ihnen schwer, eigenständig zu denken oder aber andere eigenständig denken zu lassen. Eben: Aus Opfern werden plötzlich Täter.

Zu den Korinthern, die sich offenkundig falschen Lehrern geöffnet hatten, die sie missbrauchten, sagt Paulus in 2Kor 11.20: "Ihr ertragt es, wenn jemand Euch knechtet, wenn jemand Euch aufzehrt, wenn jemand Euch einfängt, wenn jemand sich überhebt, wenn jemand Euch ins Gesicht schlägt!" Hier fehlte offensichtlich der Wille und die Kraft, die persönlichen Grenzen durchzusetzen.



7. und letztes Kennzeichen: Menschen, die geistlich missbraucht werden, fühlen sich erschöpft, ausgelaugt und "verschmachtet". So haben sich die Menschen zur Zeit Jesu gefühlt, die unter dem destruktiven System religiösen Pharisäismus' gelitten haben. Jesus beschreibt sie in Mt 9.36 als "…verschmachtet wie Schafe, die keinen Hirten haben". Diese Menschen hatten "Gesetzgeber", "Wächter", "diktatorische Sklaventreiber". Aber keine "Hirten"!



Geistlicher Missbrauch erschöpft sowohl emotional wie auch körperlich. Der ständige Hinweis auf "Fehler" macht müde. Die ständige Konzentration auf das Negative wirkt destruktiv. Ich denke an Gemeinden, in denen ständig mit klagendem Ton lamentiert wird, wie schlimm es auf unserer Welt ist. Und wie liberal andere Gemeinden geworden sind. Oder wie tragisch es ist, dass in so wenigen Gemeinden "das volle Evangelium des Geistes" verkündigt wird. Wenn Ihr lange genug infiltriert worden seid mit solchen Sprüchen, wird sich die negative Weltsicht in Euch ausbreiten und Euch von innen her auffressen. Kraft, positive Veränderungsprozess in den Weg zu leiten, ist keine mehr da.



Weil sowohl die Welt, in der ich lebe, als auch ich selber hoffnungslose Fälle sind, bleibt keine Hoffnung mehr übrig. Ihr könnt Euch vorstellen wie destruktiv das dann ist.





Zusammenfassung



Das waren 7 Kennzeichen geistlich missbrauchter Menschen. Vielleicht erinnert Ihr Euch daran, dass ich eingangs gesagt habe, wie manche Leute sagen: "Ja, also, 'geistlicher Missbrauch' ist ja wirklich ein hartes Wort. Klingt beängstigend. Aber ist es tatsächlich sooo schlimm?" – Ich hoffe, Ihr habt gemerkt, DASS es tatsächlich so schlimm ist. Und noch schlimmer. Menschen, die in solchen krankmachenden Systemen leben, sind innerlich leer. Sie haben sich ausgestreckt nach Heil und Erlösung und haben statt dessen Sklaverei und Unterdrückung erlebt.



Lasst mich schliessen mit einem Vers aus dem Propheten Jesaja. Ich glaube, dass dieser Vers eine Anwort ist auch an Menschen, die in solchen Systemen gefangen gehalten worden sind. Jes 55.1: "Auf, ihr Durstigen, alle, kommt zum Wasser! Und die ihr kein Geld habt, kommt, kauft und eßt! Ja, kommt, kauft ohne Geld und ohne Kaufpreis Wein und Milch! 2 Warum wiegt ihr Geld ab für das, was kein Brot ist, und euren Verdienst für das, was nicht wirklich satt macht? Hört doch auf mich, eßt das Gute, und eure Seele labe sich am Fetten!"



Wir werden nächsten Sonntag darüber nachdenken, wie wir Menschen helfen können, die geistlichen Missbrauch erlebt haben. Ich möchte nächsten Sonntag über 7 Kennzeichen geistlich gesunder Gemeinden nachdenken.



Eines der Statements, die wir in unserem Leitbild gemacht haben, lautet: "Wir sind ein Ort, an dem Menschen Jesus Christus begegne, Aufnahme finden und innerlich heil werden können!" Welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit das wahr werden kann, darum wird es nächsten Sonntag gehen.



-Amen-





Buchempfehlungen



* David Johnson / Jeff vanVonderen. Geistlicher Missbrauch. "Die zerstörende Kraft der frommen Gewalt".1996: Schulte und Gerth, Asslar



o DAS Standardwerk zum Thema GM in Deutsch. Sehr detailliert, sehr übersichtlich und gut verständlich.





* Edin Lovas. Wölfe im Schaftspelz. "Machtmenschen in der Gemeinde". 2004: Joh Brendow & Sohn Verlag GmbH, Moers



o Ein Klassiker. Soweit ich weiss das erste Buch, das sich in Deutsch mit der Thematik auseinandergesetzt hat.



* Ton Wintels und Jaap Bönker. Macht und Manipulation in der Gemeinde. 2005: Brunnen-Verlag, Giessen



o Gut gegliedert, allerdings nicht so detailliert wie vanVonderen…



* Harald Petersen. Ohne mich läuft nichts!. "Der (un)fromme Hunger nach Macht". 2005: R. Brockhaus-Verlag, Wuppertal



o Unheimlich ausgewogen. Für mich eines der besten Bücher, weil Petersen nicht nur Missbrauch anspricht, sondern gleichzeitig auch die Frage nach der "richtigen Art der Leitung" stellt. Sowohl für Gemeindeleiter als auch für Gemeindeglieder ein echt wissenswertes Buch



* Volker und Martina Kessler. Die Machtfalle. "Machtmenschen in der Gemeinde". 2001: Brunnen-Verlag, Giessen



o Im Grossen und Ganzen eine Zusammenfassung von vielem, was bereits in den obigen Büchern gesagt wird. Kurz und knapp (manchmal ZU kurz und ZU knapp). Gibt aber einen guten Einblick in das Thema.



"Mein" Fazit: Buch von vanVonderen und Petersen unbedingt lesen!! Kann am Büchertisch erworben werden.
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