Koran und Bibel: Welche Personen sich für interreligiöse Gespräche eignen
Schwäbisch Gmünd, 17. Februar 2020 (idea) – Wenn Christen, Juden und Muslime einander besser verstehen wollen, sollten sie nicht nur die alttestamentliche Gestalt des Abraham bemühen. In Bibel und Koran gebe es weitere Personen, um das interreligiöse Gespräch voranzubringen, sagte der Antisemitismusbeauftragte der baden-württembergischen Landesregierung, Michael Blume (Stuttgart), bei einer Tagung im Christlichen Gästezentrum Württemberg (Schönblick) in Schwäbisch Gmünd.
Der Religionswissenschaftler bezeichnete den in allen drei Religionen als Stammvater und Vorbild für den Glauben verehrten Abraham als einen guten Startpunkt, um über unterschiedliche Verständnisse zentraler Begriffe wie Gnade, Erwählung und Gehorsam nachzudenken. Der Austausch über theologische Themen leiste zweifelsohne einen wichtigen Beitrag zum Abbau von Vorurteilen.
Die „massiven Interpretationsunterschiede“ erlaubten aber nicht, von einer „abrahamitischen Ökumene“ im Sinne einer „Überreligion“ zu sprechen. Blume zufolge eignen sich weitere Personen aus Koran und Bibel als Grundlage für das interreligiöse Gespräch. Wenn es um Bildungsfragen gehe, müsse man sich mit Sem befassen, der laut jüdischer Auslegung Abraham und seinen Knecht Elieser Lesen und Schreiben lehrte und damit als Begründer der Alphabetisierung gilt.
Während Juden diese Tradition der Schriftbildung bis heute fortgesetzt hätten, sei sie im Islam nach dem Verbot des Buchdrucks arabischer Lettern ab 1485 jahrhundertelang vernachlässigt worden. Dies erkläre – so Blume –, warum bisher nur wenige Muslime Nobelpreisträger wurden, während jüdische Wissenschaftler überproportional oft die Auszeichnung erhielten.
Das historische Wissen könne ein Beitrag gegen den wachsenden Antisemitismus sein, sagte Blume. Andere interessante Personen seien Noah als Garant für den Fortbestand der Erde und der in allen drei Religionen erwartete Messias, der nach christlicher Überzeugung in Jesus schon einmal unter den Menschen lebte.
Drei Zweige einer monotheistischen Offenbarung?
Der stellvertretende Leiter der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) in Berlin, Pfarrer Friedman Eißler (Berlin), vertrat die Ansicht, dass die Vorstellung einer „abrahamischen Ökumene“ nicht ausreichend sei, Konflikte zwischen den Religionsgemeinschaften zu lösen.
Die Idee, dass Judentum, Christentum und Islam mehr Gemeinsamkeiten hätten, als man früher gedacht habe, sei in der Mitte des 20. Jahrhunderts entstanden und im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils populär geworden. Sie besage, dass die Religionen drei Zweige einer monotheistischen Offenbarung seien und deshalb als Einheit in Verschiedenheit wahrgenommen werden sollten.
Ihr übereinstimmender Kern sei das Engagement für Gerechtigkeit, Menschenwürde und Frieden. Was die Religionen unter diesen Begriffen verstünden, sei allerdings höchst unterschiedlich. Dies werde auch in kirchlichen Stellungnahmen nicht immer ausreichend gewürdigt, so Eißler. Wörtlich sagte er: „Die Unterschiede sind so tiefgreifend, dass sie die Religionen durch und durch prägen.“
Abraham sei aber ein guter Anknüpfungspunkt für Gespräche und Kontakte. Eißler erwartet von den Christen, ihren Friedensauftrag dadurch wahrzunehmen, dass sie Angehörigen anderer Religionen mit Respekt, Verständnis und Liebe begegnen.