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Oscar Thompson und was mir an Willow nicht gefällt


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Rolf

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Oscar Thompson und was mir an Willow nicht gefällt




Bevor ich die lange versprochene Buchkritik von Dan Kimbal poste, möchte ich gerne noch einen Zwischenschritt einschieben um damit die Gottesdienstthematik abzurunden. Und zwar ist in dem langen Artikel über Willow Creek ein wichtiger Kritikpunkt unerwähnt geblieben. Es handelt sich dabei um das Verständnis von Gottesdienst als Evangelisation und im mit Oscar Thompson darüber hinaus von Evangelisation als Event. Der erste Teil dieses Postings drückt meine eigenen Gedanken aus, während der zweite, grundsätzlichere Teil auf dem links abgebildeten Buch aufbaut. (Wenn euch mein Gelaber nicht interessiert [seid ihr auf der falschen Website ;o)] dann springt einfach direkt zu Seite 3.)

Zu Beginn muß ich mich gleich schuldig bekennen. Ich bin tatsächlich so einer, der schon öfter gesagt hat, dass Gottesdienst etwas ist mit dem Nichtchristen wenig anfangen können und wozu man sie deshalb auch nicht unbedingt einladen sollte. Ich muß zugeben, dass das Buch „The Emerging Church“ meine Meinung da etwas geändert hat. Der Autor erinnert zurecht daran, das in NT-Zeit offensichtlich „Ungläubige“ die Gottesdienste der ersten Christen besuchten. Auch stimme ich zu, dass Anbetung als solche für die Menschen die postmodern denken nichts Abstoßendes oder Verunsicherndes mehr an sich hat (aber das sind noch nicht alle unserer Mitmenschen). Von daher muß ich mein Urteil über Gottesdienste und Nichtchristen etwas relativieren. Nichts desto trotz bleiben einige Kritikpunkte an der Gottesdienstmission á la Willow Creek bestehen.

Ein erster Punkt den man bedenken sollte ist sicherlich der unterschiedliche kulturelle Hintergrund. Willow kommt aus den USA und dort ist die Gesellschaft einfach viel christlicher geprägt als in Westeuropa. An den USA ist die Aufklärung in gewisser Weise vorüber gegangen. Während unseres Studiums dort haben wir ganz neue Bücher gelesen, die den Amerikanern klar zu machen versuchen, dass die Gesellschaft ihres Landes immer atheistischer wird. Herzlich Willkommen! Wir haben das schon seit 200 Jahren.

Und dabei ist das mit dem Atheismus in den USA noch relativ. Hier in Deutschland habe ich nie erlebt, dass mir eine Anhalter beim Aussteigen Gottes Segen wünscht, oder der Handwerker von der Fensterfirma während des Ausmessens erzählt, wann er Jesus sein Leben übergeben hat und wo sein nächster „Mission Trip“ hingeht. Selbst im 21. Jahrhundert ist Amerika immer noch „God’s own country“. Im Süden hat jeder gute Bürger ein Schild mit einem Bibelvers im Vorgarten stehen. Von daher ist Christentum, Kirche, Gottesdienst dort etwas viel normaleres als hier in Europa.

Auch gibt es dort ja unzählige evangelikale Kirchengemeinschaften die sich alle nur in Details unterscheiden und oft nur einen Block voneinander entfernt ihre Gebäude haben. Das Wechseln der Kirche oder der Besuch eines anderen Gottesdienstes – einfach mal interessehalber – ist also völlig normal. Es wird nicht funktionieren, das Angebot eines alternativen Gottesdienstes jetzt einfach hierher zu importieren, wo bei der evangelischen Kindertaufe meiner Mutter ihre Taufpatin (katholisch) keinen Fuß in die Kirche gesetzt hat, weil das eine Todsünde ist.

Die Gesellschaft ist nicht wirklich vergleichbar und das gilt auch für die Zeit des neuen Testaments. Damals waren die Menschen religiös, wenn auch nicht christlich. Ich stimme Dan Kimball zu, dass wir uns dieser Zeit wieder annähern, aber es hat noch längst nicht alles Gesellschaftsschichten erfasst die wir gerne erreichen möchten. Von daher ist es gut, verschiedene Ansätze zu haben und auch bewährte Konzepte aus den USA zu überdenken und anzupassen.

Ein weiterer Kritikpunkt an der Willow Methode Gottesdienst als Mission ist, dass es keine wirklichen Gottesdienste mehr sind. Für mich bedeutet Gottesdienst, dass alles was geschieht sich an Gott orientiert und ich denke das ist auch bei den Gemeinden im NT so gewesen. Das heißt, dass sich Anbetung und Verkündigung und alles andere nicht an den Besuchern orientiert sondern Ausdruck der Gemeinde und ihres Dienstes für Gott ist. Das ist so in den meisten modernen (ich verwende dieses Wort bewußt) Abendgottesdiensten nicht gegeben. Dem amerikanischen Vorbild folgend hat man versucht den Geschmack der Leute zu treffen anstatt den Geschmack Gottes bzw. in gewissen Bereichen auch den Geschmack der anbetenden Christen.



Ich bei dem Versuch Nichtchristen und Christen gleichermaßen anzusprechen. La-7 am 15.1.05
So wurden gewisse Elemente, die eigentlich zum Gottesdienst gehören einfach weggelassen damit sie den Gästen nicht unangenehm aufstoßen. Das ist völlig okay, wenn man eine Veranstaltung für Gäste macht, aber ich find es daneben wenn man einen Gottesdienst durchführt. Das Gebet kommt z.B. viel zu kurz. Oft beschränkt es sich auf eine Zusammenfassung oder Anwendung die der Sprecher nach seiner „Message“ gibt. Da wird aber Gottesdienst zum Pseudogottesdienst.

Das gleiche gilt für das Lesen und die Auslegung des Wortes Gottes. Das fällt eigentlich zum Großteil unter den Tisch oder bewegt sich auf einem Level bei dem jeder der sich darauf beschränkt in kürzester Zeit geistlich verhungern würde. Offensichtlich, und das finde ich schon immer fast peinlich, geht es darum den Nichtchristen zu imponieren oder ihnen etwas mitzugeben. Dann ist aber der Fokus des Gottesdienstes verrutscht.

Als drittes Beispiel möchte ich das Opfer anführen. Jetzt weiß wahrscheinlich niemand was ich meine, weil dieser Aspekt des Gottesdienstes auch im traditionellen adventistischen Rahmen zur Farce verkommen ist. Es geht mir um die „Gabensammlung“. Ich finde dieser Teil ist eigentlich eine Anbetungshandlung, in der man Gott als Schöpfer und Erhalter anerkennt. Hier sollte man weniger auf die soziale Unterstützung der Jerusalemer Gemeinde im NT zurück schauen (1 Kor 16:1-3), als vielmehr auf das Alter Testament, wo Gott sagt dass man nicht mit leeren Händen vor ihm erscheinen soll (5Mo 16:16). Hier muß man übrigens Willow ausnehmen, als ich dort war haben sie eine Sammlung gehabt, auch wenn es eher Teil der Formalitäten und Ansagen war als Teil des Gottesdienstes.

Was ich sagen möchte ist, dass wenn man davon redet, das Nichtchristen im Gottesdienst Gott erleben können und sollen, dann muß dieser Gottesdienst aber auch wirklich als Gottesdienst durchgeführt werden und nicht als Gästedienst. Sonst können die Leute nur uns erleben und nicht den um den es eigentlich geht. Paulus hat sicher seine Verkündigung im z.B. bei der Predigt in Troas (Apg 20:7) nicht angepasst, nur weil ein paar Nichtchristen mit im Raum waren. Da bin ich mir deswegen so sicher, weil er sonst nicht bis nach Mitternacht gesprochen hätte ...

Das Paulus das tun konnte hängt sehr mit einem anderen Punkt zusammen auf den ich jetzt eure Aufmerksamkeit lenken möchte: Gottesdienst, selbst wenn er missionarische Nebeneffekte hatte, war nicht die einzige Art den Glauben weiter zu geben! Wenn Paulus die ganz einfache, grundsätzliche Botschaft der Erlösung unters Volk bringen wollte, dann hat er sie nicht in den Gottesdienst eingeladen und alle Christen Woche für Woche mit dem gleichen „Milch-Input“ unterernährt (1 Kor 3:2 / Heb 5:12), sondern er ist auf die Straße gegangen, ins Gefängnis, in die Synagoge, zu den Leuten nach Hause oder auf den Areopag und hat dort versucht Menschen für Christus zu gewinnen. Das ist vielleicht der eigentliche Grund, warum ich nicht so wirklich mit diesem Eventgedanken warm werde.



Bevor ich mich um Kopf und Kragen schreibe, lasst mich sagen, dass ich Missionsgottesdienste, Link2Life, Net96-00 oder einfach die klassische Evangelisation in keiner Weise ablehne! Mir geht es nicht darum diese Dinge zu verurteilen, aber ich sage sie dürfen nicht alles sein. Also steinigt mich bitte nicht! Gut, zur Sache:

Oscar Thompson spricht in seinem Buch „Concentric Circles of Concern“ (zu Deutsch etwa “Konzentrische Kreise des Interesses, der Sorge, des Anliegens“) über die natürliche und auch biblische Art der Ausbreitung des Evangeliums. Laut Thompson geht es im Leben immer um Beziehungen. Wenn es uns gut oder schlecht geht, dann hat das sehr oft mit anderen Menschen zu tun, mit unseren Beziehungen. In Kriegen oder in der Politik im allgemeinen geht es um Beziehungen. In der Gemeinde läuft es nur, wenn die Beziehung untereinander stimmt.

Erlösung betrifft unsere Beziehung zu Gott und wenn dort Heilung stattfindet, dann werden dadurch auch alle anderen Beziehungen geheilt. Diese Wiederherstellung oder Verbesserung der Beziehungen breitet sich das Evangelium aus.Und weil als erstes und am schnellsten natürlich die Leute betroffen werden die mir am nähesten stehen, nimmt diese Ausbreitung die Form von konzentrischen Kreisen – also so wie wenn Regentropfen in einen See einschlagen.

Das bedeutet, dass im Grunde die ersten die ich für Gott erreiche meine Familie oder die Menschen mit denen ich zusammenleben sein sollten. Als nächstes kämen Verwandte und Freunde, dann Nachbarn und Arbeitskollegen, dann entfernte Bekannte und dann Person X, mit der ich nichts zu tun habe, die ich auf der Straße treffe. Hier entsteht das Problem mit der Eventmission wie sie oft betrieben wird. Sie fokkusiert komplett auf Person X. (Klar sagen alle, dass es auch für Freunde und Familie ist, aber für die ist es nur nötig, wenn der natürliche Weg nicht funktioniert. Und sind wir doch mal ehrlich, wer bringt den jemanden mit? Es hoffen doch alle auf die Postwurfsendungen oder die Zettel in der Fußgängerzone, sprich auf Person X.)

Das sieht dann so aus, dass einmal im Jahr alle Energien aufgebracht werden und weder Kosten noch Mühen gescheut werden um ein Event zu organisieren. Man macht Essen, man gestaltet den Raum neu, man Druck Werbung und Begleithefte, man bastelt Weggeber (Give aways) und alle rackern sich einen ab. Dann hat man für ein bis vier Wochen einen Sprecher in echt oder auf der Leinwand und alle sitzen da und warten, dass Menschen die Erlösung annehmen. Nach den vier Wochen sind alle enttäuscht oder begeistert, auf alle Fälle aber geschafft und erledigt und erholen sich wieder für ein Jahr, bis wieder Mission gemacht wird.

nur wären sie dann vielleicht nicht ganz so gesund ...

Wenn wir es überall hören und auch alle wissen, dass Erlösung nur durch Beziehung vermittelt werden kann, warum geht dann der Trend immer mehr zum Event? Ich möchte als mögliche Antwort vorschlagen, dass es viel einfacher und bequemer ist, weil sich unsere Beziehungen nicht verändern, nicht geheilt werden müssen; weil wir uns im Grunde nicht verändern müssen um ein Event zu organisieren. Um es mal ganz drastisch zu sagen: die Musik für NET oder die Snacks für Generations kann auch ein Satanist machen.




Thompson sagt, dass um das Evangelium zu vermitteln müßten wir unsere Masken ablegen, Vergebung annehmen und erfahren, selbst vergeben, uns ganz Gott weihen, uns selbst annehmen können und mit anderen ins Reine kommen. Wenn das der Fall ist, dann brauche ich eigentlich keine Events mehr, dann kann ich persönlich viel mehr geben als ein Programm, dann bin ich eine Weiterleitung für das was ich selbst bekommen habe.

Gespräche, Bibelkreise oder sogar Heimevangelisationen können dann viel effektiver wirken. Oscar Thompson illustriert das mit einem Beispiel das ich für euch mal graphisch aufbereitet habe. In Apostelgeschichte 20:20 sagt Paulus: „Ich habe euch nichts vorenthalten, was nützlich ist, daß ich's euch nicht verkündigt und gelehrt hätte, öffentlich und in den Häusern.“ Wenn wir an Verkündigung in den Häusern denken, dann sieht das meist so aus.



Ich möchte nochmal sagen, dass ich daran nichts schlecht finde. Auch an den Events finde ich nichts schlecht, wenn sie nicht zu einer Ausrede werden für all die, die Gott in ihrem Leben nicht wirken lassen. Was das „Haus-zu-Haus-gehen“ angeht: damals zur Zeit des Paulus sah es wahrscheinlich anders aus, und das wäre auch heute noch der natürlichere Weg.



Hier läuft das Evangelium entlang der Beziehungen. Das geht aber nur, wo der Glaube auch wirklich Beziehungen heilt. Wer seinen Mitchristen in der Gemeinde nicht vergeben kann, der wird sicher auch nicht einen Schneeballeffekt in seiner Nachbarschaft auslösen. Ich schließe mich da selbst voll mit ein. Es ist ja nicht so, dass es bei mir oft so gewesen wäre! Man darf aber die Events nicht zur Beruhigung des Gewissens verwenden, sonst verhindern sie am Ende, dass ich näher zu Gott komme. Konzentrische Kreise und Events sind grundsätzlich kein "entweder oder". Falls die Zeit aber nur für eines reicht, würde ich auf die Events verzichten. Natürlich gilt das auf Gemeindeebene genauso wie im persönlichen Leben. Manchmal geht ja eine Jugendgruppe völlig in der Organisation ihres Abendgottesdienstes auf und ihre Geistlichkeit und geistliche Gemeinschaft dabei unter. Das wäre schade!!!

Das ist also mein Bedenken mit dieser ganzen Eventschiene die nicht nur auf Willow zurückgeht. Auch die ersten Adventpionieren haben Events gemacht. Allerdings ist weder bei den alten Adventisten noch bei Willow Creek das Event die einzige Methode. Von daher müßte man sagen ich habe kein Problem mit Willow, sondern mit der Interpretation im westeuropäischen Adventismus. Leider fürchte ich, dass auch die Emerging Church Bewegung an dieser Eventmentalität nichts ändern wird.

Wenn man die gleiche Zeit und Energie, die man in die Vorbereitung von Events steckt, auch in das persönliche geistliche Leben stecken würde und in die Ausbildung von Gemeindegliedern und in Jüngerschaftstraining, dann würde meiner Meinung nach wesentlich mehr dabei rauskommen und man würde am Ende feststellen, dass solche Events nur noch eine nette aber unwesentliche Draufgabe sind. Das bedeutet jedoch für jeden Einzelnen den schwierigsten Schritt überhaupt: sich selbst aufgeben und sich Gott ganz zur Verfügung zu stellen. Es bedeutet, dass wir Gott erlauben uns und unsere Beziehungen zu verändern. Möge Gott mir helfen, dass ich das in meinem Leben schaffe.

W. Oscar Thompson Jr., Concentric Circles of Concern, (Nashville, Tenn.: B&H Publishing Group, 1999), 203 Seiten.
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