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Der „röhrende Hirsch“ und der Untergang des Feminismus


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Rolf

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TV-Kritik „Hart aber fair“






Der „röhrende Hirsch“ und der Untergang des Feminismus





In der Sendung „Hart aber fair“ geht es diesmal um den Geschlechterkampf unter besonderer Berücksichtigung einer Blüte des Wissenschaftsbetriebs namens “Gender Studies“. Das war recht aufschlussreich.

n den 1960er Jahren waren Familien mit vier Kindern keine Seltenheit. Da konnte es dem Familienoberhaupt, das gab es damals noch, schon passieren, folgende Auskunft zu hören: Sie haben doch zwei Söhne, die das Gymnasium besuchen. Reicht dann für die Töchter nicht auch die Realschule? Die heiraten doch sowieso und bekommen Kinder. Das war damals im Bürgertum eine durchaus konsensfähige Meinung. Heute sind vier Kinder eine Rarität, und das Familienoberhaupt ist ersatzlos gestrichen worden, außer vielleicht in den gesellschaftlichen Segmenten einiger Migranten-Milieus. Knapp 50 Jahre später vertritt niemand mehr eine solche Sichtweise aus der Frühzeit der Bundesrepublik. Die DDR war in der Beziehung schon immer anders gewesen, aus welchen Gründen auch immer.

Dieser gesellschaftliche Wandel ist dem Feminismus zu verdanken. Es kann heute auch keine Frau mehr geben, die noch dem alten Weltbild anhängt, wenn sie noch halbwegs bei Verstand ist. Oder gar ihre Töchter allein auf die Rolle der Hausfrau und Mutter vorzubereiten gedenkt. Jetzt wird es Zeit, ein Geheimnis zu lüften: Das alles passierte auch ohne jene akademische Disziplin namens „Gender Studies“, die über den Umweg Amerika schließlich sogar die deutschen Universitäten erreicht hat. Das Schicksal, sich von einer gesellschaftspolitischen Bewegung in eine hochschulpolitische Institution zu verwandeln, ist nicht allein dem Feminismus passiert. Allerdings findet man wenige andere Beispiele, wo man damit zugleich den Verfall dieser Bewegung beobachten kann.

Am Pranger steht das „generische Maskulinum“

Die „Gender Studies“ sind zu einem Witz geworden, wie gestern Abend in der Sendung „Hart aber fair“ bei Frank Plasberg deutlich wurde. Den Witz kann man nur mit Satire deutlich werden lassen. Darum bemühte sich der Moderator mit seinen Gästen in einer Form antagonistischer Kooperation. Antagonistisch, weil nicht alle einer Meinung waren. Kooperativ, weil sich alle bemühten am Erfolg der satirischen Aufarbeitung des Themas teilzuhaben. Schließlich ging es hier zumeist nicht um reale Menschen mit ihren wirklichen Problemen, sondern um die Dekonstruktion von Sprachverwendung, mit denen sich die „Gender Studies“ zumeist beschäftigen.

Der Biologe Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag, fasste deren Grundgedanken gut zusammen, obwohl es sich dabei eigentlich um Linguistik handelt. Am Pranger steht das „generische Maskulinum“, das sich den Luxus erlaubt, Männer und Frauen zu meinen, obwohl dort nur von Männern die Rede ist, so die Kritik. „Wenn sie Ärzte, Politiker und Studenten sagen“, so Hofreiter, „denken sie immer an Männer.“ Allerdings könnte man in der von Hofreiter gewählten Reihenfolge auch eine Wertung vermuten. Ärzte und Politiker, so die mögliche These, sind für ihn wichtiger als Studenten. Deswegen kommen sie an letzter Stelle. Nun wissen wir nicht, ob hier Hofreiters Unterbewusstsein seinem Sprachverständnis einen anti-emanzipatorischen Streich gespielt hat. Aber auszuschließen ist das nicht, wenigstens dann nicht, wenn man die Welt nur noch aus der Perspektive von Sprachspielen analysiert. Die sollen allerdings nicht die Welt verständlich machen, sondern vor allem das Unverständnis über sie zum Ausdruck bringen.

Eine Wiener Studie vom Pferd

Kein Wunder also, wenn die Schauspielerin Sophia Thomalla davon bis gestern Abend noch nie etwas gehört hat und sie den Sinn des zukünftigen Studierendenwerkes im Gegensatz zum traditionellen Studentenwerk nicht zu erkennen vermag. Frau Thomalla sieht dort weiterhin Männer und Frauen, egal wie sich das Versorgungswerk nennt. Sie hat aber sicherlich auch noch nie von den französischen Strukturalisten in der Tradition Michel Foucaults gehört, ohne den die „Gender Studies“ nie zu einer hochschulpolitischen Institution geworden wären. Das gilt aber bestimmt auch für Hofreiter.

Anton Hofreiter hätten in den 1960er Jahren als Mann eine natürliche Autorität zugesprochen bekommen - wenn er vorher zum Friseur gegangen wäre.

Die Bloggerin und Autorin Anne Wizorek wollte dieses Defizit wahrscheinlich ausgleichen, wenn sie fragte, warum bei Plasberg „kein Vertreter der Gender Studies eingeladen“ worden sei. Den wissenschaftshistorischen Hintergrund dieser Forschungsrichtung zu diskutieren, hätte aber bestimmt den Moderator überfordert. Vom Zuschauer wollen wir gar nicht reden. So blieb es dem FDP-Politiker Wolfgang Kubicki und der Publizistin Birgit Kelle überlassen, die Rolle der Kritiker der Nachfolger Foucaults bei „Hart aber fair“ zu spielen. Das sollte ihnen auch nicht weiter schwer fallen. Kubicki berichtete über seine Töchter, die die Gleichstellung wohl eher pragmatisch betrachten. Frau Kelle von einer Wiener Studie vom Pferd, dem es scheinbar egal ist, ob es von einem Mann oder einer Frau geritten wird.

Wie wehrt man sich gegen Diskriminierung?

Beide hatten beim Zuschauer einen Vorteil, wenigstens wenn sie nicht ein Seminar an einen der noch nicht einmal 200 Lehrstühle für „Gender Studies“ besucht haben. Sie gehen nämlich davon aus, dass Sprache die Wirklichkeit immer noch zum Ausdruck bringt und nicht in erster Linie dazu dient, diese zu verbergen. Etwa die Unterdrückung der Frau. Nur deshalb streitet man sich schließlich so hartnäckig um Worte oder Symbole, wie um das Ampelmännchen und die Frage, ob es als Frau ein Kleid tragen darf. Wenn man die Welt schon nicht ändern kann, soll wenigstens das Denken und Sprechen über sie nicht ungeschoren bleiben.

Das ruiniert jede ernsthafte Debatte über die tatsächlichen Geschlechterprobleme, die immer noch existieren. Hofreiter wurde dabei durchaus konkret. So ist es in der Medizin bis heute üblich, die Diagnostik und die Therapie vor allem an Männern auszurichten, ohne die spezifischen Bedingungen der weiblichen Anatomie zu berücksichtigen. In gleicher Weise werden Männer und Frauen bis heute in der Arbeitswelt ungleich behandelt. Es war ausgerechnet eine Zuschauerin, die das deutlich machte. Zwei Chirurginnen mussten nämlich feststellen, dass sie wesentlich schlechter bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen im Team. Über die Gründe zu spekulieren, ist zwar von akademischem Interesse. Letztlich geht es aber um die rechtliche Möglichkeit, sich gegen diese Form der Diskriminierung zu wehren. Dafür braucht man aber keine „Gender Studies“.

Frau Kelle widerlegt sich selbst

Diese sind auch eher ein Hindernis in der Gleichstellungsdebatte. Der Feminismus macht sich selbst zur Satire, wenn er sich auf dieses Kuriosum im Wissenschaftsbetrieb reduzieren lässt. Frau Thomalla kann sich nämlich ihr „Blondinen-Image“ lediglich in ihrer Branche leisten, wo solche weiblichen Rollenmuster gefragt und zudem gut bezahlt sind. Als Führungskraft in einem Wirtschaftsunternehmen oder einer Behörde hätte sie keine Chance, wenn sie die Männer auf ihr zweifellos gutes Aussehen reduzieren können. Diese ganz reale Benachteiligung von Frauen ist aber nicht mehr zu erkennen, wenn man sich nur noch darüber unterhält, wie Studentenwerke genannt werden sollen. Das gilt in gleicher Weise für Frau Kelle, die nicht ernsthaft der Meinung sein kann, Frauen fehle es von Natur aus an Durchsetzungsvermögen. Sie selbst macht gerade nicht diesen Eindruck. Ansonsten hätte sie nämlich ihren Mann schicken müssen. Der saß gestern Abend aber wahrscheinlich zu Hause und hütete ihre vier Kinder.

Leider konnten die Protagonisten der 1960er Jahre diese Sendung von gestern Abend nicht sehen. Sie wären über Frau Thomalla, vorsichtig formuliert, ästhetisch entsetzt gewesen und hätten Frau Kelle als unweiblich vorlaut empfunden. Allerdings hätten sie vom postmodernen Feminismus von Frau Wizorek kein Wort verstanden. Den beiden Herren Kubicki und Hofreiter hätten sie als Männer eine natürliche Autorität zugesprochen. Bei Hofreiter aber wohl nur, wenn er vorher zum Friseur gegangen wäre. So hat sich seit damals viel getan.

Immerhin auch im Naturpark Eifel, wie der Zuschauer bei Plasberg erfahren durfte. Dort wurde symbolisch die Hirschkuh dem „röhrenden Hirsch“ gleichgestellt. Allerdings nur im Prospekt. An der Paarbeziehung der Hirsche im deutschen Wald soll sich aber ansonsten nichts geändert haben. So bleibt uns wenigstens diese Konstante im Leben erhalten.



Quelle: FAZ.NET


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