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Eurokritiker


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Prof. Wilhelm Hankel: “Wortbruch, Lügen und Volksverdummung”

von Frank Meyer

Ein halbes Jahr nach unserem ersten Gespräch (“Europa verlässt den Boden der Demokratie”) freut es uns, dass sich Prof. Wilhelm Hankel wieder Zeit genommen hat für ein weiteres Interview. Inzwischen ist sehr viel passiert. Hier eine Analyse der Sache mit dem Euro und den Folgen in Wort und Ton…

Der Euro war politisch gewollt und wird jetzt (alternativlos) politisch verteidigt – mit allen Konsequenzen für die Märkte, Gesellschaft und die Demokratie. Aus einer politischen Idee wurde Realität, die aber wegen ihrer Fehler nach wenigen Jahren schon aus dem Ruder gelaufen ist. Professor Dr. Wilhelm Hankel nennt es „Wortbruch, Lügen und Volksverdummung” - dieses monetäre und politische Experiment in Europa. Er und seine Mitstreiter, die vor dem Verfassungsgericht gegen die “Hilfspakete” klagen, werden landläufig als „Eurokritiker“ bezeichnet. Dabei wird das Wort meist abwertend benutzt. Doch die kurze Zeit des Euro zeigt, dass die Warnungen von damals zur Realität geworden sind.

Ich habe mich kürzlich mit Wilhelm Hankel über das Thema Euro, seine politische Verteidigung, seine Zukunft und vor allem über die Folgen für alle Europäer unterhalten. Hier unser Gespräch in Schriftform. Wer es aber hören möchte, der kann dies auch als Podcast.

Das Interview

Herr Hankel, wie ist es Ihnen in den letzten Monaten seit unserem Interview im letzten Dezember ergangen? Was bewegt Sie, wenn Sie heute ins Fernsehen schauen und die Zeitung lesen?

Persönlich befinde ich mich auf dem Weg der Besserung. Kurz nach unserem Interview hatte ich eine schwere Herzoperation zu überstehen. Aber jetzt bin ich wieder fit. Und wenn ich ins Fernsehen schaue, bin ich sehr gemischt, denn einerseits hat sich die Lage verschlimmert, aber andererseits sehe ich doch das Ende kommen. Und ich bin seit Langem der Meinung, wenn wir die Politik nicht ändern können, ist ein Ende mit Schrecken immer noch besser als ein Schrecken ohne Ende.

Was bedeutet für Sie ein Ende mit Schrecken?

..dass wir die Währungsunion auflösen, denn das wäre die Lösung der heutigen Probleme. Es hat sich nach zehn Jahren Experiment, ich könnte auch sagen Abenteuer gezeigt, dass eine Währungsunion gar nicht funktionieren kann, selbst wenn man sie politisch gesund betet.

Wie schätzen Sie die aktuelle Situation in Griechenland ein? Ist es von unserer Position aus gesehen der Blick aus einer Loge in ein großes Freilufttheater, ein Stück, um zu sehen, was uns später noch blüht?



Was in Griechenland geschieht und demnächst wahrscheinlich auch in anderen Mittelmeerländern ist das Überspringen nordafrikanischer Verhältnisse auf Südeuropa. Und Südeuropa ist uns noch näher als Nordafrika. Das ist der Anfang vom Ende dieser Währungsunion.

Sehen wir in Griechenland gerade eine Ölzweig-Revolution?



Wir sehen eine Revolution verzweifelter Menschen – sowohl der Älteren, die um ihre Renten und Pensionen bangen, vor allem aber der Jüngeren, die um ihre Zukunft fürchten müssen. Beides ist gleich bedrohlich.

Ich dachte, wir sind alle Freunde in Europa. Das hört man jedenfalls immer wieder.

Natürlich sind wir Freunde. Aber was nützt es einem Ertrinkenden, wenn er seinen Retter in die Tiefe reißt? Dann ertrinken sie beide. So makaber das Beispiel sein mag, jetzt geht es darum, dass der Retter fit bleibt, um für andere Rettungsaktionen inklusive der eigenen nicht zum Untergang verurteilt zu sein.

Ist es der normale Weg, wenn ein verordnetes System zu scheitern beginnt?

Zunächst mal muss man immer lauter und immer kritischer sagen, dass unsere Regierungen ihre Aufgabe zu lernen, aus ihrer Politik die Konsequenzen zu ziehen, überhaupt nicht begriffen haben. Sie beharren stur auf ihrer alten Politik, obwohl diese, erkennbar gescheitert ist. Und das ist schlimm.


Die frühere Politik hat also mehr nachgedacht als die heutige?

Ich muss zur früheren Regierung sagen, sie hat nicht mehr nachgedacht, weil sie auch noch nicht so gefordert war. Aber ich hielte es für möglich, dass sie mehr gedacht hätte, wenn sie so gefordert wäre wie die heutige.

Und es fällt auf, dass die Leute da draußen, sowohl an der Börse als auch im Familien – und Bekanntenkreis unter einem unwohlen Gefühl leiden – dass das, was gerade in Europa passiert, unangenehme Folgen haben wird. Welche Beobachtungen machen Sie hierzulande?

Sie untertreiben! Gerade vor einer Stunde hat mir unser Briefträger gesagt, wie entsetzt er über die Entwicklung ist und wie empört darüber, dass Eurokritiker, er kennt mich seit Langem, im Fernsehen und auch in der Presse totgeschwiegen werden. Die einfachen Leute merken den Ernst der Lage und sie merken ihn viel direkter und viel kompetenter als unsere Regierenden. Und das ist schlimm.


Sie sagten vor einem halben Jahr, sie wären von Beruf nicht „Eurokritiker“ sondern Volkswirt, der kühl analysiert. Wie geht denn die ganze Sache aus Sicht eines Volkswirts weiter?

Das hängt jetzt ganz allein vom Verhalten der Regierungen und von ihren Einsichten ab. Noch tun sie ja so, als ob erstens der Euro nicht gescheitert sei und zweitens, als ob das, was sie als Rettung des Euro verkaufen, die Chance hätte, das Problem zu lösen. Diese Eurorettung ist ja ein Etikettenschwindel, eine Volksverdummung ohne Gleichen, denn hier wird ja nicht der Euro gerettet, sondern einige Banken aus ihren Schwierigkeiten befreit. Das ist doch klar erkennbar, dass die Milliarden, die jetzt zu Lasten des Steuerzahlers locker gemacht werden, im Finanzsektor hängen bleiben werden und gar nicht in den Ländern ankommen. Die Länder werden auch gar nicht entlastet, denn ihre Schulden bleiben ja bestehen. Sie werden, wenn sie Glück haben, nur ein wenig in der zeitlichen Länge gestreckt. Aber das bedeutet für diese Länder kein Aufatmen, denn sie müssen in der längeren Periode entsprechend mehr Zinsen zahlen.


Sie hatten vorhin angesprochen, dass Aussteigen der klügere Weg ist. Welche Möglichkeiten und welche Wahrscheinlichkeiten sehen Sie? Man wird es nach dem Motto „Scheitern ist keine Option“ nicht tun. So verstehe ich das…

Nun, wenn einer vor dem Bankrott steht, hat er ja keine andere Wahl, als diesen Bankrott anzumelden, es sei denn, er findet jemanden, der den Bankrott verschleppt. Bislang werden der Griechenland-Bankrott und der sich anbahnende Bankrott anderer Staaten wie Portugal, aber auch Spanien und Irland, mit dem Geld vor allem des deutschen Steuerzahlers verschleppt. Ich bin empört. Erstens ist dieses Handeln im Privatrecht strafbar. Warum nicht in der Politik? Zweitens bringt es gar nichts, denn früher oder später wird dieser Bankrott doch eintreten. Und deswegen ist die einzige Lösung, die sich überhaupt anbietet, und das ist auch die Lösung des gesunden Menschenverstandes, dass diese Länder erst einmal aus der Eurozone austreten – und das im eigenen Interesse. Mit der sogenannten Hilfe werden ihnen ja Auflagen verabreicht, die Gift für ihre Zukunft sind. Und das merken die Menschen in Griechenland und in Spanien.

Glauben Sie, dass sich die Proteste verstärken?

Es ist ja fast beschämend für die europäischen Politiker festzustellen, dass Nordafrikaner klüger sind, als sie. In Nordafrika haben wir ja gesehen, wie schnell der Funke überspringt, weil die Menschen Mut fassen. Wenn sie sich von der Politik verschaukelt fühlen, und da sind sich Nordafrika und Südeuropa gleich, dann haben sie zwei Mittel, es ihren Politikern mitzuteilen: Das eine Mittel ist die Straße. Die haben sie neu entdeckt. Die Straße ist direkte Demokratie und ersetzt die Wahlen. Sie bringt ein Element ins Spiel, das gar nicht schlecht ist und uns hier ja fehlt und auch in Nordafrika gefehlt hat. Der zweite Stimmzettel ist ein sehr ökonomischer: Die Geldanlage. Was wir beobachten ist alarmierend genug, denn immer mehr Geld fließt aus diesen Ländern ab, weil die Einleger und Sparer zu recht um ihre Lebensersparnisse fürchten.

Folker Hellmeyer sagt, wir haben jetzt 34 Billionen US-Dollar aufgewendet, um diese Finanzkrise in den Griff zu bekommen. Warum soll man jetzt wegen 300 Milliarden Euro Griechenland untergehen lassen und fragt nach dem Grenznutzen.

Die Frage ist berechtigt. Absolut. Aber ich mache mir noch mehr Sorgen um die Länder selbst. Denn wohin treiben diese? Entweder werden sie durch die Auflagen dieser Hilfe weiter in die Krise und in die Katastrophe getrieben, oder aber ihre Bewegungsfreiheit, aus der Krise heraus zu kommen, wird buchstäblich abgewürgt, weil man sie nicht aus der Eurozone heraus lassen will. Könnten sie aus dem Verein austreten, würden sie alle Geister und Kräfte ihres Überlebenswillens zurück gewinnen – und die halte ich doch für beachtlich.

Kann man auch sagen, dass wir hier eine Art von Besatzung sehen – zum einen wirtschaftlich mit „Wir zwingen Euch jetzt, euer Tafelsilber zu verkaufen“ und zum anderen politisch mit „Wir bestimmen, wie ihr zu wirtschaften habt“?

So kommt diese Politik in den Ländern an. In Wirklichkeit fürchten natürlich die Gläubiger, das heißt, der Finanzsektor, Banken und Versicherungen, um die Werthaltigkeit ihrer Anlagen, die längst dahin ist. Und sie versuchen an Konkursmasse zu retten, was zu retten ist – aber zu retten für sie, und nicht für die Betroffenen. Und das merken die Menschen dort.

aus:

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